Ein Haus mit Vergangenheit. Elisa Scheer

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Название Ein Haus mit Vergangenheit
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737552776



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teuer. Und die Hauptkosten verursachen ja die Schäden, die durch die lange Vernachlässigung entstanden sind.“

      Bitte, da hatten sie ihren Schwarzen Peter wieder zurück! Der Ältere verzog grämlich die Mundwinkel. Das soldatische Äußere entsprach offenbar nicht einem entsprechend unbeugsamen Charakter. Die Schwester schätzte ich als unbedarfte Hausfrau in guten Verhältnissen ein, der jüngere Bruder achtete mehr auf seine Wirkung, hatte aber auch keine Ahnung von Immobilienpreisen. Wir warteten und beobachteten das frustrierte Mienenspiel der drei.

      „Fünfhundertfünfzig.“

      Ich lächelte fein. „Vierhundertvierzig.“

      Die Schwester verzog säuerlich den Mund. Kunststück, das waren für sie nur knapp hundertfünfzig. Sie sah zwar wirklich nicht aus, als müsste sie Hunger leiden (im Gegenteil), aber ich konnte ihren Ärger verstehen. Nur – ohne den Verkauf hatten sie gar nichts, nur Kosten.

      „Fünfhundert.“ Wir kamen der Sache schon näher...

      „Vierhundertsiebzig.“

      „Vierhundertachtzig, verdammt.“

      „Einverstanden. Damit kann ich gerade noch leben“, stimmte ich zu.

      „Gut, dann sorgen wir für einen Notartermin, möglichst rasch. Das dürfte auch in Ihrem Interesse liegen?“

      Ich war damit natürlich einverstanden. Glücklicherweise hatten wir schon wegen unseres Gesellschaftervertrags eine Anwältin gebraucht, die sich als sehr fähig erwiesen hatte und nun auch den Kaufvertrag unter die Lupe nehmen konnte. „Was die Reste der Einrichtung betrifft“, begann ich dann. Hoffentlich gelang mir der leicht belästigte Gesichtsausdruck überzeugend!

      „Ach ja... es stehen noch einige alte Stücke darin, nicht?“, murmelte der Jüngere. „Wenn Sie darauf bestehen, schaffen wir das Zeug weg.“

      „Das ist eigentlich nicht nötig“, wehrte ich ab, „beim Umbau haben wir ja ohnehin einen Container dastehen. Nur – sind Sie sicher, dass es im Haus nichts mehr gibt, was Sie noch brauchen könnten?“

      „Was sollte das wohl sein?“, fragte die Schwester höhnisch. „Löchrige Geschirrtücher?“

      „Ich dachte eher an Familienpapiere, Fotos, erinnerungsträchtige Möbel...“

      „Großer Gott, nein, das Zeug brauchen wir nicht. Werfen Sie es ruhig weg!“

      „Nun gut, aber das nehmen wir bitte in den Kaufvertrag auf, ja?“

      „Warum das denn?“, wollte der ältere Wiedemann wissen.

      „Nun, stellen Sie sich vor, ich entdecke im Keller oder im Dachgeschoss oder wo auch immer ein altes Foto des Hauses und benutze es als Werbung. Oder ich finde ein hübsches Möbelstück – freilich wüsste ich nicht, wo – arbeite es auf und verwende es für meine Einrichtung – und dann klagen Sie plötzlich auf Herausgabe? Für diesen zugegebenermaßen unwahrscheinlichen Fall hätte ich gerne vorgesorgt.“

      Die drei sahen sich an. „Einverstanden. Es kann im Haus nichts mehr geben, was wir haben wollen. Der Haushalt wurde schon vor eineinhalb Jahren aufgelöst, und Tante Elise war ohnehin nicht ganz – naja.“

      „Gut, also verkaufen Sie das baufällige Haus mit allen Auflagen und allem, was sich noch darin befinden sollte. Sorgen Sie bitte dafür, dass es so in den Kaufvertrag kommt.“

      Ich stand auf. „Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend!“

      Auf geselliges Beisammensein mit den dreien legte ich keinen übertriebenen Wert, und ich war sicher, dass die drei ihren Kummer über den mickrigen Preis lieber unter sich bereden und in Bier ertränken wollten. Draußen umarmte ich Simon, der mich verblüfft ansah. „Toll, was? Noch mal zwanzigtausend gespart. Damit schaffe ich das alles ohne Kredit!“

      Simon sah mich nachdenklich an. „Ich weiß gar nicht, ob das so schlau ist. Du könntest sicher Kreditzinsen steuerlich geltend machen. Und dann müsste man noch schauen, was wir selbst beim Denkmalschutz herausholen können – vielmehr du, ich vergesse immer, dass das Haus nicht der Firma gehören wird.“

      „Du hast Recht. Ich frage mal Conny, ob sie einen guten Steuerberater kennt, und dann kann ich immer noch einen bescheidenen Kredit aufnehmen, um ein bisschen Steuern zu sparen. Trotzdem, ich bin einfach froh, dass es so gut geklappt hat! Wollen wir das feiern?“ Simon lächelte mich etwas schräg an.

      „Wenn du willst – Hunger hätte ich ja.“

      „Komm, ich lade dich ein, du hast es dir verdient!“ Ich zog ihn ins Florian, wo man bestimmt besser aß als im Wittelsbacher Hof.

      „Wieso hab ich mir das verdient? Du hast ganz alleine knallhart verhandelt. Ich hab richtig gestaunt über dich!“

      Ich lachte. „Das kommt vom Feilschen, früher, im Urlaub. Und in meinen Jobs hab ich das auch gelernt. Deine Stichworte kamen aber immer genau richtig. Und dein mieses Gesicht, als wir das Haus besichtigt haben! Darauf trinken wir was!“

      2

      Zwei Wochen später war der Kaufvertrag aufgesetzt, von meiner Anwältin kritisch geprüft und vor einem Notar, der wie üblich furchtbar nuschelte, unterzeichnet. Ich hatte vierhundertfünfzig auf das angegebene Konto überwiesen, dreißig hielt ich zurück, bis das Haus endgültig geprüft war, was ich hoffentlich binnen einer Woche erledigt haben würde. Tatsächlich hatte es sich steuerlich als günstiger erwiesen, einen bescheidenen Kredit aufzunehmen, solange ich ihn schnell zurückzahlte. Meine Bank war mir sehr geneigt, weil mein Konto und mein Depot ja noch einen sehr guten Eindruck machten und unser Firmenkonto auch dort lief, also war der Kredit eine reine Formsache. Nur dass ich keinen Bausparvertrag abschließen wollte, rief eine leichte Verstimmung hervor.

      Die Zeiten, als wir uns einträchtig im Büro langweilten, waren damit vorbei. Nicht nur übertrug ich Lenz und Bauer die Sanierung meiner Villa, nein, wir hatten auch den Auftrag bekommen, den Pavillon zu renovieren. Kurz überlegten wir, ob wir den Kostenvoranschlag zu niedrig angesetzt hatten, aber eigentlich hatten wir auf alle unsere Schätzungen und die Auskünfte unserer Handwerker noch zwanzig Prozent aufgeschlagen, um später das Limit nicht zu überschreiten. Und uns selbst hatten wir natürlich auch ein großzügiges Honorar bewilligt. Unsere Berechnungen, Skizzen und Modelle hatten aber offenbar einen ausgezeichneten Eindruck erweckt, und Jochen Robl, den ich mit den Pavillonplänen aufzusuchen hatte, war hellauf begeistert, als er sah, dass wir den ursprünglich vorhandenen zweiten Flügel wieder rekonstruieren würden. Er genehmigte alles mit Freuden und stellte den Eigentümern auch einen großzügigen Zuschuss in Aussicht.

      Mittlerweile war an der Stelle, wo der neue alte Seitenflügel hinkommen sollte, eine Baugrube ausgehoben worden und die Fundamente wurden gerade gegossen. Das hieß, dass nur einmal täglich einer von uns vorbeischauen musste, um sicher zu gehen, dass alles genau den Plänen entsprach.

      Dieser eine von uns war im Moment Simon, denn ich stöberte den halben Tag in der Villa herum. Weitere Mängel waren nicht zu erkennen, tatsächlich waren drei Seiten trocken und die Dachbalken noch in gutem Zustand. Nach einigen Tagen intensiver Schnüffelei überwies ich den Rest des Kaufpreises und ließ den Grundbucheintrag ändern. Damit gehörte die Bruchbude endgültig mir. Ich fotografierte sie von allen Seiten, damit wir später eine Vorher-Nachher-Dokumentation zusammenstellen konnten, und arbeitete im Büro einen exakten Zeitplan aus.

      Die Installationen mussten zuallererst erneuert werden – Strom und Wasser, außerdem einen Teil der Leitungen zur Zentralheizung. Nur der Kessel war in Ordnung. Immerhin hatten wir die Originalpläne des Hauses erhalten. Hambacher, der Installateur, bei dem ich in den Semesterferien mal gejobbt hatte, sah sich die Bescherung an und ging mit drei Leuten an die Arbeit. Als ich mich gerade zufrieden zurücklehnen wollte, weil alles so gut lief, kam Simon in mein Büro. „Rate, was!“

      „Keine Ahnung – haben wir einen neuen Auftrag?“

      „Du sagst es. Naja, vielleicht. Ich habe doch die Unternehmenshaftpflicht abgeschlossen, nicht? Und