Ein Haus mit Vergangenheit. Elisa Scheer

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Название Ein Haus mit Vergangenheit
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737552776



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verschaffen sie uns sogar mal einen Kunden?“

      Die Idee war gar nicht schlecht, fand ich. Als die Lieferung von der Büroartikelfirma kam, räumten wir alles ein, zum größten Teil in den Blechschrank, einige Ordner aber in unsere Regale, damit sie nicht ganz so leer aussahen. Dann musterten wir alles zufrieden, schalteten den Anrufbeantworter ein und gingen nach Hause. Ich wenigstens. Was Simon machte, wusste ich nicht. Wahrscheinlich mit seiner Frau telefonieren, wie es sich schließlich gehörte.

      Eine lange Liste kam zusammen, als ich mir überlegte, worauf ich bei der Hausbesichtigung achten sollte und was alles negativ war und den Preis drücken konnte. Am liebsten wäre ich unter fünfhundert geblieben, aber angesichts des Grundstückswertes war das wohl illusorisch. Im schlimmsten Fall könnte man das Haus, wenn es perfekt saniert wäre, auch als Firmensitz verkaufen. Nur – ich wollte es behalten, als unseren Firmensitz. Wie viel konnte ich maximal investieren?

      Nach dem Kapital für unsere Firma hatte ich noch achthundert übrig – mein Anteil an Zörg & Friends war dank des Baubooms in Berlin ganz hübsch etwas wert gewesen -, aber ich brauchte auch eine private Reserve und musste tatsächlich mit mindestens zweihundert für die Sanierung rechnen. Ein Kredit wäre vielleicht hilfreich, im Notfall. Aber keinesfalls mehr als hunderttausend, nahm ich mir streng vor.

      Doris Knaur, die Sekretärin, die Simon eingestellt hatte und der ich nun alles zeigen durfte, während er im Städtischen Amt für Denkmalschutz eine Schleimspur legte, machte einen ganz ordentlichen Eindruck. Sie war etwas jünger als wir, hatte einige Jahre Berufserfahrung, behauptete, mit allen verwendeten Programmen umgehen zu können – mit Ausnahme der Design-Software, was auch niemand von ihr erwartet hätte. Sie sah sich suchend im Sekretariat um: „Wo ist denn Ihr Chef?“

      „Herr Bauer? Das ist nicht mein Chef, sondern mein Partner.“

      „Oh.“

      Das klang ja regelrecht enttäuscht, ich musste sie schnell beruhigen.

      „Geschäftlich, meine ich. Sie haben ja das Schild gesehen, Lenz & Bauer, nicht?“

      Klasse hatte ich das gemacht, wirklich. Der Takt eines Nilpferdes. Im Klartext hatte ich gesagt:

       a) Du bist zu doof, dich an den Namen der Firma zu erinnern, für die du arbeitest.

       b) Du hast dich in einen deiner Chefs verguckt und lässt dir das auch noch raushängen.

      Kein Wunder, dass sie rot wurde!

      „Ja, natürlich“, murmelte sie und zog geschäftig die Schubladen ihres Schreibtischs auf, in denen außer jungfräulichem Bürobedarf nichts zu finden war.

      „Also, machen Sie sich erst einmal mit allem vertraut. Hier sind die Rechnungen, die bis jetzt aufgelaufen sind. Am besten buchen Sie sie, veranlassen die Zahlungen – an das Skonto denken Sie natürlich? – und geben dann uns drei in die Personaldatei ein. Ach, die müssen Sie noch einrichten, die üblichen Daten, auch wegen der Gehälter, nicht?“

      „Kein Problem.“

      Offenbar war sie froh, etwas zu tun zu haben. Im Moment war es ohnehin noch wenig genug.

      Als Simon zurückkam, strahlte sie aber doch auf.

      Also, so schön fand ich ihn ja nun nicht.

      Er bekam rapide eine Glatze, stellte ich fest, als ich geistesabwesend auf seinen Kopf starrte, der über den praktisch leeren Aktenschrank gebeugt war, aber immerhin war er nicht so doof, lange Strähnen darüber zu kämmen. Nein, er hatte seine ziemlich hellen Haare einfach so kurz wie möglich geschoren, so dass die dünnen Stellen kaum auffielen. Wie ich auch trug er Jeans, Hemden oder Sweatshirts und einen uralten, verbeulten Blazer, alles mit Zementflecken verziert, dazu meistens staubige, lehmverschmierte Schuhe. Wenn er der Knaur gefiel... Oder sollte ich sie darauf hinweisen, dass er verheiratet war? Wozu, dachte ich mir dann, sie musste ja schon wegen der Einkommensteuer seinen Familienstand erfassen. Und wenn ihr das egal war, konnte sie von mir aus gerne seine Adresse auswendig lernen und jeden Abend vor seinem Zimmerchen schmachten. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht darauf einging, sonst brauchten wir bald eine neue Sekretärin! Er gab ihr seine persönlichen Daten, die sie mit viel mehr Eifer aufnahm als zuvor meine. Mittendrin verließ ich das Zimmer, um meine frisch gebastelte Mängelliste zu holen. Simon kam mir bald hinterher. „Willst du nicht wissen, wie es auf dem Amt war?“

      „Doch, klar, erzähl schon.“

      „Also, zwei sind für uns zuständig, eine Silvia Plattner und ein Jochen Robl. Die teilen wir uns am besten auf. Dieser Jochen scheint auf mich nicht so zu stehen, aber sie sind beide recht nett. Und von einigen dieser Objekte, die du auf deinen Streifzügen gefunden hast, haben sie uns den Eigentümer rausgesucht. Weißt du noch, die Jugendstilfassade mit dem MacDonald´s unten drin? Und der Haltestellenpavillon, den die Stadtwerke dummerweise verscheuert haben?“

      „Ist ja toll. Gib mir die Adressen, ich trag sie gleich bei den passenden Fotos ein!“ Ich griff schon nach dem Fotoordner und übertrug alle Daten von Simons zerknittertem Zettel.

      Die Jugendstilfassade... Sie war herzbewegend schön, das war mir schon beim ersten Blick aufgefallen, als ich unmittelbar nach meiner Ankunft, die Kamera in der Hand und Gier im Herzen, durch die Straßen der City und des Univiertels getrabt war. Das Haus hinter der Fassade war ganz offensichtlich nicht mehr original, man hatte, wie mir die Inspektion der Rückseite und des seitlichen Eingangs verriet, das Haus offenbar in den späten Siebzigern entkernt und dann recht ungeschickt modernisiert. Wenigstens den Hauseingang sollte man wieder in Jugendstil verwandeln!

      Außerdem war die Fassade einheitlich creme gestrichen, ohne die vielen floralen Ornamente durch Zierfarben hervorzuheben. Dabei wusste man doch, dass eine solche Fassade im Original immer bunt gewesen war, vielleicht sogar mit vergoldeten Details. Creme war im Prinzip nicht schlecht, man sollte die Verzierungen in satten, dunklen Farben halten, moosgrün, dunkelblau, weinrot, etwas gold... Ob man den Eigentümer mit einem Hinweis auf den Fassadenpreis der Stadt ködern konnte? Und mit den Zuschüssen, die er bekäme? Und eine wirklich perfekte Fassade fände vielleicht Eingang in kunsthistorisch angelegte Reiseführer – damit würde auch mehr Fast Food umgesetzt. Andererseits gehörte das Haus nicht MacDonalds, sondern einer Versicherung. Imageverbesserung!

      Ich notierte mir einige schmeichelnde Argumente und überlegte sogar, welche Versicherungen wir ohnehin abschließen mussten, Firmenhaftpflicht, Diebstahl, für die Villa alle Gebäudeversicherungen, Risikoleben für uns beide... das war mit Simon noch zu besprechen. Gut, dass ich ein großes Zeitplanbuch auf dem Tisch liegen hatte!

      Nach der Mittagspause zog sich Simon in sein Büro zurück und begann, die Eigentümer des Haltestellenpavillons zu bezirzen – eine Kette von Blumenläden. Dieser betreffende Laden würde in einem renovierten Schmuckstück zum absoluten Blickfang werden... Etwa so hatte er mir seine Taktik beim Essen dargelegt. Ob er wohl damit Erfolg hatte?

      Als er später aus seinem Büro schaute, grinste er triumphierend. „Sie wollen einen Kostenvoranschlag. Natürlich kostenlos.“

      „Natürlich. Dafür können wir ja auch schlecht etwas verlangen. Wann schaust du den Pavillon an?“

      „Morgen um drei. Du kommst bitte mit. Bis wir mehr Sicherheit haben, sollten wir das gemeinsam machen. Und Fotos brauchen wir auch.“

      „Klar.“ Ich hatte die Kamera und einen ganzen Sack Filme in einer Schreibtischschublade gebunkert und lud den Apparat gerade ohnehin, weil ich ja auch die Villa inspizieren musste. Unser Glück, dass drei Häuser weiter ein Schnellservice war, der bis jetzt wenigstens wirklich in annähernd der versprochenen Zeit die Abzüge bereithielt. Bei Gelegenheit sollte ich mal über eine dieser Digitalkameras nachdenken.

      Horst Wiedemann sah absolut nicht so aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte; er war groß, dünn, schmallippig, grauhaarig und hatte das undefinierbare Air eines ehemaligen Offiziers. Die bellende Stimme vom Telefon passte gar nicht zu ihm, sie gehörte zu jemandem, der bedeutend stiernackiger war. Er begrüßte uns höflich, wenn sein Blick auf Simon auch etwas misstrauisch wirkte. Offenbar wäre ihm eine Besichtigung