Ein Haus mit Vergangenheit. Elisa Scheer

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Название Ein Haus mit Vergangenheit
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737552776



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tippte die Nummer ein. Herr Brandstetter, stellte sich heraus, hatte sich schlicht verwählt, obwohl unsere Bandansage doch ganz klar war. So viel zu meiner Hoffnung auf einen neuen Kunden! Wir entwarfen die Beschriftung für die ersten paar Ordner, damit die Regale nicht mehr so peinlich aussahen, und beschlossen, bei Gelegenheit wenigstens für eines der Büros eine kleine Sitzecke anzuschaffen, um Kunden angemessen empfangen zu können.

      Dann war uns erst einmal wieder langweilig. Gut, ich klebte weiter Fotos ein und legte eine Mappe für den Pavillon, die McDonald’s-Fassade und die Villa an, aber das war schlichte Hybris – wir hatten noch keinen einzigen Auftrag.

      Was war, wenn wir auch nie einen Auftrag bekamen? Ich steigerte mich so in Existenzängste hinein, dass Simon mich mittags zum Essen entführte – in eben diesen McDonald´s. Das lenkte mich tatsächlich ab, denn es gab mir Gelegenheit, die unfachmännische Sanierung genauer zu begutachten. Und die Fassade war wirklich zum Weinen!

      Simon war entschlossen, wenigstens die Firmenhaftpflicht bei dieser Versicherung abzuschließen und plante, morgen Vormittag dort einen Besuch abzustatten. Vielleicht ergab sich etwas?

      Der Pavillon war reizend – gewesen. Er bestand aus einem erhöhten Mittelteil und ursprünglich wohl zwei kleinen Seitenflügeln, von denen man einen aber abgerissen hatte. Das Ganze sah aus wie ein Spielzeugherrenhaus und war durchgehend im klassizistischen Stil gehalten, mit Rustica an den Kanten, einem winzigen Mittelrisalit und strengen Verzierungen über den Fenstern. Der Mittelteil war offen gehalten, weil er ursprünglich als Warteraum für den Busbahnhof Fuggerplatz gedient hatte. Aus dieser Zeit war er innen immer noch über und über mit Graffiti beschmiert, die uns mitteilten, wer wen ficken wollte, wer ein Muttersöhnchen, ein Nazi oder überhaupt ein Arschloch war. Und mehrfach hatte jemand seinem Ärger über die Busverspätungen Luft gemacht. In dem noch vorhandenen Seitenflügel war die Blumenhandlung untergebracht, während gegenüber ein neuer Glaskasten die Fahrgäste vor dem Regen schützen sollte.

      Die Eigentümer stellten sich vor, den zweiten Flügel wieder anzubauen und ihn an einen anderen Laden zu vermieten, vielleicht Bücher und Zeitschriften; der Hintergrund des Mittelteils könnte dann für die übliche Bäckereikette interessant sein. Und der offene Durchgang sollte außerhalb der Geschäftszeiten verschlossen werden, um die Schmierereien in Grenzen zu halten.

      Das schien alles machbar zu sein. Wir notierten die Wünsche, bewerteten den baulichen Zustand – ein neues Dach schien notwendig, und einiges an der Fassade musste vorsichtig ergänzt werden – und schätzten dann den Finanzbedarf grob ab. Damit konnten wir noch für diese Woche einen Kostenvoranschlag in Aussicht stellen, sobald wir mit dem Maurer, dem Maler und dem Dachdecker gesprochen hatten. Glücklicherweise hatte ich ja so viele Kontakte zu den hiesigen Baufirmen, und ebenfalls glücklicherweise hatte ich diese Kontakte via Weihnachtskarten nie ganz einschlafen lassen und mich sofort nach meiner Rückkehr überall telefonisch in Erinnerung gebracht. Das sollte für die Ausschreibungen ganz nützlich sein.

      Vergnügt eilten wir uns Büro zurück und begannen mit dem Genehmigungsplan, dem Leistungsverzeichnis und den geschätzten Stundenzahlen und Summen. Morgen früh konnten wir bei den Handwerkern nachfragen und dann das Ganze schön abtippen. Und ob außer dem Bauamt auch der Denkmalsschutz einverstanden war? Simon sollte bei seiner Verehrerin nachfragen.

      Frau Knaur brachte einen Zettel herein. „Mit der Bitte um Rückruf – sonst war nichts los!“

      Eine Nachricht von Wiedemann! Ich rief natürlich sofort zurück.

      „Können wir uns heute Abend noch treffen?“

      Ich sah fragend zu Simon, der eifrig nickte.

      „Ja, gut – um acht? Auf dem Grundstück?“

      „Nein... Kennen Sie den Wittelsbacher Hof?“

      „Sicher. Um acht dann.“

      Ich legte auf und drehte mich zu Simon um: „Das sieht mir nicht nach einer Absage aus. Vielleicht wollen sie uns abfüllen, um uns die Hütte für achthundert anzudrehen. Aber ich habe in Berlin hart trainiert, ich vertrage bestimmt mehr als dieser Wiedemann und seine Miterben.“

      „Spielst du wieder tough girl?“

      „Klar“, grinste ich, „das bin ich doch auch, oder?“

      „Wenn du meinst...“

      Was sollte das denn heißen? Was weiblich war, legte wohl seine Frau fest? Konnte mir ja egal sein! Seine nächsten Worte schienen das zu bestätigen. „Ich müsste am Wochenende mal nach Berlin, geht das?“

      „Natürlich!“ Ich sah ihn erstaunt an. „Du warst fast einen Monat nicht mehr dort, langsam wird es ja wirklich Zeit.“

      Er musterte mich mit gerunzelter Stirn, sagte aber erst einmal nichts, sondern beugte sich nur über seinen Schreibtisch und murmelte schließlich: „Gut, dann fliege ich am Freitagabend. Du kommst alleine zurecht?“

      „Sicher. Was soll am Wochenende schon groß los sein?“

      Sobald wir mit dem Entwurf des Kostenvoranschlags fertig waren, war es auch schon Zeit, sich rasch umzuziehen und in den Wittelsbacher Hof zu fahren. Glücklicherweise hatte ich eines meiner Kostüme, einige T-Shirts und die passenden Schuhe und Strümpfe im Büro. Simon fuhr schnell nach Hause, um Sweatshirt und Tweedsakko durch ein Hemd und einen Blazer zu ersetzen und saubere Schuhe anzuziehen. Um Punkt acht trafen wir uns vor dem Wittelsbacher Hof, ziemlich seriös aussehend, fand ich.

      Wiedemann hatte eine recht dickliche Dame in mittleren Jahren und einen Herrn mitgebracht, der ihm ziemlich ähnlich sah, aber etwas jünger und nicht ganz so offiziersmäßig wirkte. Er stellte die beiden als seine Geschwister vor, nachdem wir uns gesetzt hatten.

      „Nun, wir haben uns Ihr Angebot durch den Kopf gehen lassen“, begann Wiedemann dann und legte eine Kunstpause ein. Ich zog die Augenbrauen hoch und legte, wie ich hoffte, eine freundliche Miene an den Tag. Simons Gesicht war undurchschaubar. „Aber zuvor – was möchten Sie trinken?“

      Wir baten um Bier. Unter den Tisch saufen konnte er uns schließlich nicht, und wenn die drei später selbst einen sitzen hatten, gingen sie mit dem Preis vielleicht noch runter? Wir warteten, dass er fortfuhr. „Ihr Angebot ist natürlich etwas enttäuschend, in Anbetracht der Tatsache, dass das Grundstück riesig ist und in einer der besten Gegenden der Stadt liegt“, warf der jüngere Wiedemann ein.

      „Mag sein“, gab ich zu, „aber die Existenz einer denkmalgeschützten Ruine verhindert eben jede wirklich lukrative Nutzung des Grundstücks, nicht? Und eine krumme Tour werden Sie doch bestimmt nicht reiten wollen?“

      Er versteifte sich. „Wie meinen Sie das, bitte?“

      „Nun, in Berlin, wo wir bis vor kurzem gearbeitet haben, konnte man sich vorstellen, dass ein Eigentümer in Ihrer Lage sich notfalls mit einem Kanister Benzin und einem Streichholz zu helfen gewusst hätte. Aber hier... Und Sie machen ja auch alle einen so seriösen Eindruck, Sie wissen natürlich, wann man sich mit den Gegebenheiten mit Anstand abfinden muss.“

      Er musterte mich immer noch stirnrunzelnd. „Gewiss haben wir nichts Illegales vor. Aber nur der halbe Preis -“

      „Was schwebt Ihnen denn mittlerweile vor?“, mischte Simon sich ein, sobald er sein Bier aus der Hand der Bedienung entgegengenommen hatte.

      „Sechshundert?“ Ich schüttelte langsam den Kopf. „Sehen Sie, die Sanierung wird ein Vermögen verschlingen, obwohl wir vom Fach sind. Und ohne Sanierung kann man mit dem ganzen Objekt nichts anfangen. Sechshundert übersteigt meine Verhältnisse.“

      „Wollen Sie das Haus für sich privat oder geschäftlich kaufen?“, fragte der Jüngere wieder.

      „Privat. Vielleicht wird sich die Nutzung nach der Renovierung ändern, aber zunächst geht es mir um meine privaten Interessen.“

      „Was tun Sie geschäftlich?“ Endlich sagte die dicke Schwester auch mal was! Ich musterte sie kurz, den schweren Schmuck um den kurzen Hals, das hässliche, aber bestimmt teure Kostüm, die steife und sicher gefärbte blonde Dauerwelle,