Ein Haus mit Vergangenheit. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Ein Haus mit Vergangenheit
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737552776



Скачать книгу

Aber erzähl erst mal von dir. Wo wohnst du denn jetzt?“

      „Bei Mama im Keller.“

      „Ernsthaft? Was ist schief gelaufen?“

      Ich lachte. „Nichts. Aber ich bin gerade erst aus Berlin zurückgekommen und unsere Firma läuft auch erst an, also taugt mir das als Übergangslösung. Und solange es Mama nicht stört...“

      „Kommst du gut mit deiner Mutter aus?“

      „Geht schon. Sie hat jetzt einen Freund, und seitdem ist sie viel vernünftiger geworden, richtig wie eine Art Freundin. Manchmal stresst sie rum, ich sollte mehr essen -“

      Verlegen brach ich ab, aber Gabi lachte nur. „Ja, das sagt niemand zu mir! Ich wohne ja auch bei meinen Eltern, aber ich finde es unerträglich. Nur habe ich keine große Wahl.“

      „Warum? Was ist denn passiert?“

      „Falsche Heirat, Kinder, Schulden, Pleite.“

      „Sehr knapp. Gib mal Fleisch an die Knochen!“ Ich zündete mir eine Zigarette an und bestellte mir ein Bier und die Karte. „Naja, ich war eigentlich ganz erfolgreich, Assistentin der Geschäftsleitung bei Commers&Co -“

      „Das große Maklerbüro? Du warst mit Immobilien zugange?“

      „Ja. Dann kam der Märchenprinz.“

      „Und der war ein Flop?“

      „Zunächst nicht. Wir haben ziemlich schnell geheiratet, ich war gerade in der Phase, wo man sich Kinder zu wünschen beginnt, du weißt ja, man hört die berühmte biologische Uhr ticken.“

      „Auf dem Ohr bin ich völlig taub“, bekannte ich. „Erzähl weiter.“

      „Gut, wir heirateten also, Gütergemeinschaft – mach das ja nie! – ich wurde praktisch sofort schwanger und hörte mit dem Job auf. Ich konnte auch nicht mehr zurück, weil ich sofort nach der Entbindung wieder schwanger wurde. Binnen zweieinhalb Jahren hatte ich drei Kinder. Eigentlich war alles ganz perfekt, Eigentumswohnung, drei süße Fratzen, ein lieber Mann, der etwas vom Geld verstand und -“, sie senkte die Stimme, „ – toll im Bett war. Was wollte ich mehr?“

      „Klingt wirklich toll. Aber was ging dann schief?“

      Gabi machte eine hilflose Geste. „Das weiß ich eigentlich auch nicht genau. Plötzlich hatte Jan kein Interesse mehr an mir oder an den Kindern. Gut, sie waren anstrengend, das Baby schrie Tag und Nacht, ich sah fürchterlich aus und fühlte mich auch so. Eines Tages kam ich heim und fand nur noch einen Zettel und leere Schränke vor. Ich habe ihn seitdem nie wieder gesehen.“

      „Keine Scheidung?“

      „Wie denn? Er ist ja nicht greifbar!“

      „Und wovon lebst du jetzt?“

      „Von meinen Eltern. Das Wohnung wurde von der Bank zwangsversteigert, ich konnte ja Zinsen und Tilgung nicht bezahlen. Jetzt habe ich immer noch fast fünfzigtausend Mark Schulden. Und alles Bargeld und was auf den Konten war, hat Jan natürlich mitgenommen. Ich kann nicht arbeiten, weil ich den ganzen Tag die Kinder ruhig halten muss, damit sie meine Eltern nicht nerven, außerdem würde mir ein Gehalt ohnehin sofort gepfändet. Stell dir das nur vor, ich wohne mit drei Kleinkindern in meinem alten Kinderzimmer und höre täglich, wie dankbar ich dafür sein muss. Ich bin bloß froh, dass mein Vater heute Abend nicht da ist und meine Mutter sich gnädig bereit gefunden hat, auf die drei Teufelchen aufzupassen.“

      „Wie alt sind die Kinder jetzt?“

      „Charlotte ist vier, Anna ist drei, Paul zwei. Bis ich die mal alleine lassen kann, dauert es noch Jahre!“

      „Hast du keinen Anwalt - noch besser, eine Anwältin?“

      „Wovon denn? Und wozu?“

      „Um herauszufinden, ob nicht doch eine Scheidung möglich wäre. Oder willst du Jan zurück?“

      „Natürlich! Um ihm etwas Schweres überzubraten! Nein, ich wäre froh über eine Scheidung, dann könnte das Jugendamt die Zahlungen eintreiben und vielleicht könnte ich dann sogar wieder eine eigene Wohnung haben...“

      „Warst du eigentlich schon bei einer Schuldnerberatung?“

      „Wozu soll das gut sein? Die fünfzigtausend kann man doch nicht wegdiskutieren, und wer weiß, was Jan noch an Schulden anhäuft – dafür muss ich doch auch geradestehen!“

      „Das möchte ich bezweifeln. Die Schuldnerberatungen handeln oft mit den Gläubigern einen vernünftigen Modus aus, etwa langsamere Abzahlung oder so. Dann würde sich vielleicht auch eine Arbeit wieder lohnen. Und als Alleinerziehende müsstest du für die Kleineren doch einen Hortplatz kriegen können. Würden Commers&Co dich wieder nehmen?“

      „Ich weiß es nicht. Als Sachbearbeiterin vielleicht, den Superjob kriege ich so schnell nicht wieder. Aber du hast Recht, wenn ich nicht bald etwas ändere, verkomme ich noch völlig. Ich bin schon süchtig nach Zigaretten und billiger Schokolade.“

      „Ich fürchte, das sieht man“, sagte ich ehrlich, aber taktlos.

      „Ja, ich weiß. Du dagegen siehst toll aus.“

      „Danke. Mir geht´s auch gut. Und dich kriegen wir auch wieder hin, wetten? Sag mal, du hattest doch früher so viele Freundinnen – hat dir keine mal einen Tipp gegeben oder Hilfe angeboten?“

      „Ach, das sagst du so leicht. Jan mochte sie alle nicht, und so schliefen die Kontakte langsam ein. Gerade, dass ich noch die Adressänderungen bekomme, um die Datei auf dem Laufenden zu halten – handschriftlich, ich kann mir nicht einmal einen Computer leisten!“

      Bevor Gabi wieder in Jammern verfallen konnte, kam das Essen. Ich aß einen Riesenteller Geschnetzeltes in Currysauce und Reis, Gabi nur ein Spiegelei. Ich hätte ihr gerne gesagt, sie sollte sich auf meine Einladung hin etwas Anständiges bestellen, aber kalorienmäßig wäre das wohl gar nicht so sinnvoll gewesen.

      „Also, deine Situation ist beschissen, kann man sagen“, stellte ich fest und kaute genussvoll. Gabi stocherte in ihrem Spiegelei herum und veranstaltete eine ziemliche Ferkelei auf ihrem Teller. War das ein Zeichen verdrängter Aggressionen? „Du bist sehr deutlich, Babsi. Warst du eigentlich immer schon so?“

      „Ich glaube schon. Ich suhle mich auch gerne in Fettnäpfen. Vor ein paar Tagen habe ich binnen einer Stunde meinen Partner, unsere Sekretärin und alle Handwerker vergrämt. Aber wir sollten überlegen, wo du hinwillst und wie du da hinkommst. Ich mag es nicht, wenn Leute nicht so leben, wie sie möchten.“

      „Wer mag das schon?“

      „Die Frage ist nur, ob man etwas unternimmt. Vom Jammern und Schokoladeessen wird die Sache doch nicht besser. Und deine Eltern beeindruckst du damit auch nicht.“ Gabi sah drein, als bereue sie dieses ungemütliche Treffen. Na, ich hatte mir Gekicher und Klatsch und Tratsch über die anderen aus der Schule vorgestellt, das war ja wohl auch nichts geworden.

      „Wie möchte ich leben?“ Mein Aktionismus schien Gabi nun doch anzustecken.

      „Mit den Kindern in einer vernünftigen Wohnung, ein Job, zuerst halbtags, später mehr. Meinen Eltern nicht mehr dankbar sein zu müssen. Die Schulden loswerden. Das genügt schon mal.“

      „Dann gehst du nächste Woche gleich mal zu einer Schuldnerberatung. Die stehen doch im Telefonbuch. Und ich schreib dir hier mal die Adresse unserer Anwältin auf. Sie hat zwar bis jetzt nur Handels- und Immobilienrechtliches für uns erledigt, aber sie weiß bestimmt jemanden für dich.“

      Sie sah mich unglücklich an. „Das kann ich mir doch gar nicht leisten!“

      „Sei nicht albern. Ich leihe dir das Geld. Du kannst es mir wiedergeben, wenn alles geregelt ist. Ich möchte bei dieser Anwältin auch gerne als gute Mandantin gelten, sie kommt mir nämlich sehr fähig vor. Also, pack´s an.“

      „Gut, am Montag ruf ich sie an und gehe zur Schuldnerberatung. Was noch?“

      „Ich