Ein Haus mit Vergangenheit. Elisa Scheer

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Название Ein Haus mit Vergangenheit
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737552776



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das alles so einfach an.“

      Ja, das fand ich auch. Ich hatte keine Ahnung, ob man Gabi so leicht helfen konnte. Aber versuchen sollte sie es doch wenigstens! So ähnlich sagte ich ihr das auch, dann wollte sie ohnehin das Thema wechseln.

      „Du redest von Partner, Sekretärin, Handwerkern... was machst du jetzt eigentlich?“

      „Altbausanierung. Bis zum Frühjahr war ich in einem Architekturbüro in Berlin, dann hatte ich den spacigen Stil satt und bin mit einem Kollegen hierher gezogen. Jetzt sind wir selbständig. Viel läuft noch nicht, aber es lässt sich ganz nett an.“

      „Wo seid ihr denn aktiv?“

      „Das alte Haltestellenhäuschen am Fuggerplatz – kennst du das? Und die Villa in der Galileistraße. Ein, zwei Dinge haben wir noch in petto, aber da sind wir noch in der Kostenvoranschlagsphase oder bereiten uns auf den Wettbewerb vor.“

      „Klingt toll. Und privat?“

      „Privat?“, fragte ich harmlos zurück. „Na, dieser Partner – wie heißt er übrigens?“

      „Simon. Der hat eine Frau in Berlin, mit der liegt er jetzt hoffentlich im Bett.“

      „Hoffentlich?“

      „Vielleicht ist er dann am Montag besser drauf, gestern Mittag war er ziemlich unausstehlich, ich denke, ihm fehlt seine Frau.“

      Gabi nickte. „Und sonst?“

      „Du meinst, ob ich einen Lover habe? Nein, dafür ist im Moment wirklich keine Zeit. Neben unseren Projekten werte ich gerade einige Dokumente aus, die ich in der Villa gefunden habe. Da bräuchte ich mal einen einigermaßen fähigen Historiker, für die Details...“

      „Spannend?“

      „Traurig. Nazizeit und so.“

      „Und die Besitzer haben dir den Kram einfach so überlassen? Die hätten doch gleich einen Historiker engagieren können?“

      „Die Villa gehört mir, ich bin sozusagen unsere Kundin. Und den Inhalt habe ich ausdrücklich mitgekauft, ein paar Möbel und in einem Versteck die Dokumente. Mühsam zu lesen, wegen der alten Schrift, aber interessant ist es schon.“

      „Historiker... Wer hat denn Geschichte studiert? Du hast nicht zufällig die Abizeitung mitgebracht?“

      „Doch“, gab ich zu und legte sie auf den Tisch. Sie blätterte ein bisschen.

      „Weißt du, von vielen habe ich auch nie wieder gehört. Ich glaube, Karen hat Geschichte studiert, weißt du noch, das Jahrgangsbaby?“

      „Ja, an die hab ich vor ein paar Tagen auch gedacht. Zu wem hast du sonst noch Kontakt?“

      „Von Mathias hab ich mal was gehört... Der hat sich irgendwie mit alten Autos selbständig gemacht und damit eine Bauchlandung hingelegt. Jetzt steht er kaum besser da als ich.“ Sie grinste schief.

      „Nicht mehr lange, keine Sorge. Hast du von Nora mal wieder was gehört?“

      „Ich glaube, die arbeitet bei irgendso einer Frauenzeitschrift. Sonst weiß ich auch nichts. Simone hat geheiratet und einen Haufen Kinder, sie wohnt irgendwo auf dem Land, ich hab zu Hause die Adresse. Lisa ist geschieden und arbeitet bei unserem Kinderarzt als Sprechstundenhilfe, Thomas studiert immer noch, glaube ich. Wir sollten mal ein Abitreffen organisieren, das Zehnjährige hat damals nicht so gut geklappt.“

      „Aber ein Dreizehnjähriges? Bringt das nicht Unglück?“

      „Ach wo. Kann man als Akademikerin noch so abergläubisch sein?“

      „Gerade dann! Hast du nie vor Referaten auf schwarze Katze von links geachtet?“

      Zum ersten Mal lachte sie, aber dann sah sie auf die Uhr. „Himmel, schon zehn? Ich muss heim, Mutti will sicher ins Bett. Und die Kleinen stehen doch dauernd auf, wenn man nicht dabei bleibt. Danke, du hast mich wirklich aufgerichtet!“ Ich schrieb ihr meine Telefonnummern auf. „Denk dran, ich will am Montag einen Erfolgsbericht hören!“

      „Und wenn ich keinen Erfolg habe?“

      „Wenn du dich informiert hast, ist das schon ein Erfolg. Positiv denken!“

      Ich sah ihr nach. Da musste sie schon länger keine Schokolade mehr essen, damit dieser Hintern wieder Normalformat bekam. Gut, wenn jemand gerne üppig war – aber das schien mir bei ihr nicht der Fall zu sein. Vielleicht würde mir ja ein Job für sie einfallen? Aber mit drei kleinen Kindern? Gedankenverloren fuhr ich nach Hause.

      Am Sonntag bastelte ich weiter an meinen Entwürfen herum, damit ich Simon morgen etwas zeigen konnte, und hinterher schaffte ich noch weitere Tagebucheinträge. Im August 1936 wurde es interessant.

       Tagebuch 12.8.1936

       Elsa und ihre Familie ziehen weg. Sie haben beschlossen, nach Salzburg zu übersiedeln, wo sie Verwandte haben, bei denen sie wohnen können. Sie dürfen fast nichts mitnehmen, hat Elsa mir erzählt, und auf das bisschen, das sie transferieren dürfen, müssen sie noch eine riesig hohe Steuer zahlen. Als ich Papa erzählte, dass sie auswandern wollen, horchte er auf, obwohl er sich sonst nicht für Wolfs interessiert und eigentlich will, dass ich Elsa nicht mehr sehe. Dabei ist und bleibt sie meine beste Freundin und ich vermisse sie in der Schule und in der Tanzstunde. Wie wird das erst, wenn sie gar nicht mehr da ist?

       Mittlerweile weiß ich auch, warum Papa so aufhorchte. Er hat Herrn Wolf angeboten, ihm das Schlösschen abzukaufen. Gestern war ich wieder bei Elsa. Zuhause hab ich gesagt, ich müsste zu Margit, Rassenkunde lernen. Komischerweise haben sie mir den Quatsch geglaubt. Elsa lag auf ihrem Bett und heulte.

       „Weißt du, was dein Vater Papa für das Haus zahlen will? Zwanzigtausend Reichsmark! Es ist fast zehnmal so viel wert!“

       „Warum so wenig? Könnt ihr euch nicht einen anderen Käufer suchen?“

       „Elise, du bist naiv! Dein Vater ist in der Partei. Sie wollen, dass er das Haus kauft. Und er weiß auch, dass wir das Angebot annehmen müssen, egal wie niedrig es ist. Er macht da ein gutes Geschäft.“

       „Ich finde das so mies von Papa. Er nutzt eure Zwanglage aus!“ Jetzt musste ich auch weinen.

       Elsa zuckte die Achseln. „Machen das nicht alle? Zweitausend Mark dürfen wir mitnehmen, glaube ich. Den Rest kassiert die Steuer.“

       „Wie wollt ihr eure ganzen Sachen bei euren Verwandten unterbringen?“

       „Unsere ganzen Sachen? Pro Person einen Koffer nehmen wir mit – das andere bleibt alles hier! Hier, das wird dann wohl dein Zimmer, nicht?“

       Ich schämte mich furchtbar.

       „Komm, ich zeig dir was!“

       Elsa führte mich in einen Kellerraum und rückte dort eine alte Kommode von der Wand. Dahinter war ein loser Ziegelstein in der Wand, den sie an einem Faden herauszog.

       „Das war immer mein Geheimversteck. Wenn du mal so was brauchst... Ich lege mein Familienalbum hinein, mitnehmen kann ich es ja doch nicht. Bewahrst du es für mich auf? Wenn wir zurückkommen, hole ich es mir wieder.“

       Ich fiel ihr schluchzend um den Hals und wir standen eine Zeitlang weinend in diesem Kellerraum.

       Dann machte sie sich vorsichtig los und begleitete mich zur Haustür.

       „Leb wohl, Elise. Du warst meine beste - meine einzige Freundin“, sagte sie leise und schloss hinter mir die Tür.

       Nächste Woche ziehen wir in die Villa, hat Papa heute verkündet. Bis dahin sind Wolfs wohl abgereist. Hartmut läuft breit grinsend herum, der Blödmann. Gut, dass er bald zum Arbeitsdienst muss, dann ist er wenigstens aus dem Weg. Hoffentlich fällt ihm dort was auf den Kopf.