Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie

Читать онлайн.
Название Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Legenden aus Nohva 3
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742790316



Скачать книгу

in seinen Augen züngeln sehen.

      Ich verstand seinen Schmerz.

      »Mein jüngster Bruder und ich ...«, er sah mir wieder in die Augen, » ... wir waren noch Kinder. Sie verschonten unsere Leben, nahmen uns mit ... mit nach Elkanasai. Dort wurden wir ausgebildet.«

      »Ihr hättet euch wehren können«, warf ich ihm vor.

      Janek hielt meinem Blick stand. »Ich hätte es getan, hätte nur mein Leben auf dem Spiel gestanden. Lieber wäre ich mit meinem Stamm gestorben, als für den Kaiser zu kämpfen.« Er runzelte ärgerlich die Stirn. »Doch dann hätten sie auch meinen Bruder ermordet.«

      – Ich glaube bis heute, dass keiner in diesem Raum Janeks Entschluss besser nachvollziehen konnte als ich.

      Meine Augen glitten an Janek hinab zu dem toten Elkanasai, über den Janek noch immer rittlings kniete. Der Kopf des Toten hing über einer Stufe, die Haut schimmerte bläulich, eine geschwollene Zunge hing aus offenen Lippen und leblose Augen starrten verkehrt herum zu mir hinab, aufgerissen und den qualvollem Moment des Erstickens bis in alle Ewigkeit in einem starren Blick festgehalten.

      »Auch ich verlor Brüder«, gestand ich plötzlich.

      Derricks Kopf flog herum. Aber nicht nur er war überrascht von meinen Worten, ich selbst war es auch. Noch nie hatte ich es offen ausgesprochen, und nun da ich es getan hatte, wurde mein Hass nur noch größer.

      Ich hob wieder meinen Blick zu Janek und ignorierte Derrick. »Allerdings waren daran nicht nur die Elkanasai schuld.«

      Nachdem ich tief Luft geholt hatte, gab ich Derrick die Armbrust zurück und erklomm langsam die Stufen zu Janek, der mich mit argwöhnischen Augen verfolgte.

      »Du hast Befehle verweigert?«, fragte ich.

      Janek nickte stumm.

      »Nimm doch die Hände endlich runter«, bat ich.

      Sofort fielen Janeks Arme kraftlos an seinem Körper hinab, sie schienen so schwer zu sein, dass sie ihn fast zu Boden zogen.

      »Gegen welche Gesetze der Ethik hast du verstoßen?«

      Nun zeichnete sich auf Janeks Gesicht jenes schiefe und heimtückische Lächeln ab, das ich auch täglich in den Gesichtern jedes einzelnen Mannes sah, der mich begleitete. »Gegen reichlich Gesetze der Ethik.«

      »Wieso haben sie dich nicht sofort hingerichtet?«, wollte ich wissen.

      »Mein Bruder«, antwortete Janek. »Sie wollten ihn herbringen lassen, damit er bei meiner Hinrichtung zusehen kann.«

      Als ich oben auf dem Podest ankam, stand ich zwischen Janek und der noch immer angeketteten Sklavin. Ich sah an beiden vorbei und starrte die fleckige Wand hinter dem Stuhl des Jarls an. Dieser würde fortan vermutlich leer bleiben, ging es mir durch den Kopf.

      »Namenloser!«, rief Derrick zu mir auf. Die Art und Weise wie er es sagte, deutete auf etwas Drängendes hin, das er unbedingt loswerden musste, als wüsste ich nicht, in welcher Lage ich mich befand. Denn auch ich hörte den Trubel, der sich hinter den Türen auftat. Vermutlich fragten sich die Soldaten, weshalb sie solange nichts mehr von ihren Befehlshabern gehört hatten.

      Ich ignorierte Derrick und die Gefahr weiterhin und ging stattdessen vor der Sklavin mit der dunklen Haut in die Hocke und betrachtete sie.

      Hinter mir hörte ich Derrick fluchen, er wandte sich ab. »Los! Versperrt die Tür!«, trug er meinen Wölfen auf. Und wenn ich nicht lautstark widersprach, taten sie alle, was Derrick sagte. Es gehörte einfach zur Hackordnung der Straße. Ich stand an der Spitze, dicht gefolgt von Derrick. Und das nicht ohne Grund. Hätte ich mir nicht durch Skrupellosigkeit den Respekt dieser Männer verdient, stünde ohne jeden Zweifel Derrick weit über mir. Allerdings war meine Position über Derrick, in der Welt aus der wir beide stammten, unanfechtbar, aber das wussten meine Brüder nicht. Für sie alle war ich nur der Namenlose und Derrick nur die verschmähte Laibwache eines niederen Lords. Beides war sowohl Lüge, als auch ein Fünkchen Wahrheit. Ich war gewissermaßen wirklich Namenlos und Derrick war wirklich eine Leibwache gewesen ...

      »Tötet ihr mich?« Die Melodie der klaren und hellen Stimme war von einem exotischen Akzent durchzogen.

      »Ihr sollte es tun«, forderte die Sklavin furchtlos. Sie hob den Blick zu mir und ihre braunen Augen sahen mir entschlossen entgegen. Kein Fehlen, kein Bitten, nur pure Entschlossenheit und eiserner Willen. »Tötet mich lieber gleich, denn ich werde mich nicht erneut von Männern benutzen lassen, die glauben, Frauen wären Objekte und keine lebenden Wesen.«

      Ich musste lächeln. Spöttisch. »Wer nicht im Stande ist, sich zu wehren, muss mit den Konsequenzen leben.«

      »Mein Bruder!«, rief Lazlo zu uns hinauf. »Lass sie mir. Als Entlohnung für die Todesfalle, in die du uns geführt hast.«

      Ich streckte einen Arm aus und löste die Ketten, die die Sklavin gefangen hielten. »Du bist frei«, sagte ich gelangweilt zu ihr. »Geh und versuch dein Glück allein. Vielleicht gerätst du erneut in die Fänge der Elkanasai, vielleicht schaffst du es ja zu einem Hafen und kannst dich auf ein Schiff schmuggeln, wo dich Piraten nach langen Monaten auf See vergewaltigen .... Oder du bleibst bei uns und genießt unseren Schutz.«

      Eine dunkle Hand griff an eine zierliche Kehle, die Sklavin rieb sich die wunden Stellen, die von dem eisernen Halsband verursacht worden waren. Sie sah mir wieder in die Augen, als sie unsicher fragte: »Wer seid Ihr?«

      Ich lächelte schief, ohne jegliches Gefühl. »Ich habe meinen Namen vor langer Zeit verloren.«

      Verwirrt runzelte sie ihre feminine Stirn.

      Ich stand auf, drehte ihr den Rücken zu und wandte mich verständnislos an Lazlo: »In eine Todesfalle geführt? Ich

      Lazlo verdrehte die Augen.

      Die Stufen wieder nach unten steigend sprach ich weiter: »Sag mir, mein Bruder, wann habe ich euch je in eine auswegslose Situation geführt?«

      Lazlo zog eine buschige Augenbraue hoch. »Andauernd!«

      »Hm.« Ich setzte einen dummen Gesichtsausdruck auf, über den Derrick schmunzelte, obwohl er wütend auf mich war.

      Fragend sah ich in die Runde. »Seltsam. Wenn ich euch je in eine Situation geführt hätte, die keinen Ausweg bot ... wie können wir dann alle hier und noch am leben sein?«

      Naiv wie er war, rief Corin: »Weil du immer einen Ausweg hattest.«

      Ich lächelte ihn an wie ein Vater ein geistig eingeschränktes Kind anlächelte, wenn es etwas richtiggemacht hatte. »Eben jene Tatsache widerspricht sich mit der Aussage von Bruder Lazlo.«

      Corin runzelte die Stirn und sah zu Boden. »Der Namenlose hat recht ... glaube ich.«

      Die restlichen Brüder nickten, während Lazlo mit den Zähnen knirschte und mich genervt anfunkelte.

      »Und wie willste uns jetzt hier rausbringen, mein Bruder?«, fragte Egid und spuckte auf den Boden. Er stand ganz hinten, direkt neben der Tür und hatte seine doppelköpfige Axt bereit über der Schulter liegen. Er würde mit einem Brüllen die ersten zehn Soldaten alleine niedermetzeln, sollten sie es wagen, hineinzukommen. Bisher hielt jedoch die Türverriegelung, die aus den Speeren der getöteten Elkanasai Soldaten bestand.

      Ich konnte ihm nicht antworten, denn ich hatte noch keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie wir alle lebend aus dem Gebäude entkommen sollten.

      Ein Kampf wäre nach meinem Geschmack gewesen, und meine Brüder wären mir gefolgt, egal, wie aussichtslos es gewesen wäre. Doch ich war nicht dumm und ich wusste, wann es klüger war, sich zurückzuziehen. Überschätzung war ein häufiges Todesurteil großer Männer und eine Schwäche, die ich nicht zu meinen zählen wollte.

      Grübelnd sah ich mir das Deckengewölbe an. Es war in der Mitte hoch, doch das Satteldach reichte an den Seiten ziemlich tief. Vielleicht könnten wir ein Loch schlagen und über das Dach entkommen noch bevor die Soldaten die Tür eintraten. Jedoch würden uns