Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie

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Название Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Legenden aus Nohva 3
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742790316



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      »Ich sagte, nein«, zischte ich Derrick an.

      Mein alter Freund verstummte, er wirkte genervt. Er wusste, was mir durch den Kopf ging.

      Wieder blickte ich hinab auf die Siedlung, die überrannt worden war. Es widerstrebte mir, einfach weiter zu reiten.

      Ich hatte kein Mitleid mit den Bewohnern, es ärgerte mich nur, wie andere mit meinem Volk umgingen. Die Elkanasai hatten einfach kein Recht auf diesem Land Blut zu vergießen, denn es war mein Land!

      Ich nahm an, dass die Elkanasai gekommen waren, weil die Bewohner der Siedlung sich geweigert hatten, ihre Kinder herauszugeben. Das kam öfter vor. Und jede Siedlung, die sich weigerte, wurde niedergemetzelt. Dann setzten die Elkanasai einen der ihren als Oberhaupt ein und rissen das Landstück an sich.

      Uns wurde immer mehr unsere Heimat genommen.

      Wind wehte mir durch mein goldenes Haar, das ich nicht ganz so lange trug wie Derrick. Es hing mir über den Ohren und kitzelte mich oft auf der Stirn und im Nacken, aber ansonsten hielt ich meine glatten Strähnen kurz, indem ich sie ab und an einfach willkürlich mit dem Dolch abschnitt.

      Derrick lachte immer, weil ich hinterher aussah wie ein verlauster Hund. Er vergaß dabei, dass wir alle verlauste Hunde waren. Und die Drecksviecher hatten wir leider nicht nur auf dem Kopf.

      Lazlo ritt neben uns und überblickte das schlammige Hügelland, das sich unter uns erstreckte. Mit unbeteiligter Miene beobachtete er das Geschehen in der Siedlung.

      Für gewöhnlich umgingen Derrick und ich die Elkanasai, Menard hatte uns verboten, sie anzugreifen.

      Aber ich war wütend auf Menard, weil er mir nichts von dem Königskind erzählt hatte.

      Derrick wusste, was mir durch den Kopf ging und seufzte unzufrieden. »Es sind zu viele.«

      Lazlo schnaubte abfällig. »Ein paar Elkanasai werden wir schon niederstrecken.«

      »Das sind aber nicht nur ein paar«, warf Derrick unglücklich ein.

      »Achtzig, neunzig, was meins du?« Ich blickte Derrick fragend an.

      Derrick nickte, während er nachdenklich die Truppen der Elkanasai betrachtete. »Hundert, hundertfünfzig können es schon sein.«

      »Zu viele«, mischte sich nun auch Conni ein, die sich zu uns gesellte.

      Ich überlegte. Für mich gab es nichts, was unmöglich war. Für jedes Problem gab es eine Lösung. Und jede Schlacht war irgendwie zu gewinnen. Ich musste nur herausfinden, wie.

      Derrick quatschte mich von der Seite an: »Das ist Selbstmord!«

      Ich grinste und wendete mein Pferd. »Kommt, Brüder, ich habe eine Idee.«

      ***

      »Wer, bei den Göttern, seid Ihr?«

      Ich starrte den Mann mit offenem Mund völlig entgeistert an. Meine langen Wimpern klimperten, als ich wie der größte Vollidiot mit offenem Mund dastand.

      Mit den Händen hinter dem Rücken wandte ich meinen Kopf zu Derrick, der schräg hinter meiner rechten Schulter stand, und fragte nach: »Götter

      Derrick lehnte sich zu mir und erklärte: »Die Elkanasai glauben an mehrere Götter.«

      »Ah«, machte ich. Diese armen Narren, dachte ich bei mir. Götter waren nichts weiter als uralte magische Wesen. Sehr alte Schamanen oder Zauberer, die zuviel an Macht erlangt hatten. Nichts, was man anbeten sollte, ihnen folgen schon gar nicht.

      Ich war nicht gerade ein religiöser Mann. In Carapuhr glaubten wir Barbaren an einen Gott und an den Teufel, davon abgesehen gab es böse Geister und Dämonen. Sterben wir, kommt unsere unsterbliche Seele entweder zu unseren gefallenen Brüdern und Schwestern in die Halle der Ehre, unserem Paradies und Himmel, oder in die Unterwelt, in die Hölle. Kling einfacher als sich einen Haufen Namen von uralten Magiewesen zu merken, denen man huldigen und opfern soll. Man konnte über uns Barbaren sagen was man wollte, aber wir hatten noch nie einen Krieg aus religiösen Gründen geführt. Wir belächelten den Glauben anderer, hatten jedoch nicht den Wunsch, andere Religionen auszulöschen. Was wohl daran lag, dass wir genug andere Gründe hatten um Krieg zu führen. Barbaren wurden eben schnell wütend.

      »Nun denn.« Ich trat mit einer ästhetisch winkenden Hand vor unseren Gastgeber und lächelte charmant zu dem Spitzohr auf. »Ich bin ... inkognito.«

      Der große schlanke Mann mit dem langen braunen Haar, das er zurückgebunden trug, verzog sein feingliedriges Gesicht zu einer verständnislosen Maske. »Wie bitte

      Derrick stupste mich von hinten an, mein Titel kam geflüstert aber warnend über seine Lippen: »Namenloser!«

      Ich musste schmunzeln, besann mich aber und stellte mich vor: »Ich bin der Namenlose, werter Freund. Ich habe keine anderen Namen. Und meine treuen Gefährten sind meine Schattenwölfe, ich bezweifle, dass unsere harsche Truppe Euch bekannt ist.«

      Der spitzohrige Mann verengte argwöhnisch seine Augen.

      »Ich bin niemand«, betonte ich freundlich. »Nur ein einfacher Söldner auf der durchreise. Ich und meine Wölfe waren auf der Suche nach warmen Betten.«

      Ich deutete auf die Schar Männer hinter mir, die in dem beengten Raum des Ratshauses – wo wir empfangen worden waren – von Elkanasaisoldaten eingekreist wurden. Die Speere, die drohend auf sie gerichtet waren, schreckten sie nicht ab. Im Gegenteil, Lazlo begutachtete, ungeachtete der Bedrohung, die Sperrspitze eines Soldaten, als wolle er die Waffe gleich an sich nehmen.

      Ich wandte mich charmant lächelnd wieder dem Elkanasai zu. »Ich nehme an, Ihr seid nun der Landbesitzer? Der edle Herr dieses bescheidenen Dörfleins?«

      Das Spitzohr überlegte einen Moment. Offenbar konnte er mich nicht richtig einschätzen, denn er nickte seinen Soldaten zu, und sie senkten die Waffen und traten zurück.

      Erst jetzt fiel mir der halbnackte Mann auf, der mit Ketten an den Armen schlaff neben uns von der Decke baumelte. Er hatte hellbraunes, seidenglattes Haar, das ihm fast bis zur schmalen Hüfte reichte. Es handelte sich um keinen Menschen, es war ein Elkanasai.

      Neugierig runzelte ich meine Stirn.

      Der spitzohrige Mann setzte sich auf den Stuhl des ehemaligen Jarls, den er gestürzt hatte. Neben ihm stand ein junges Mädchen, ich schätzte sie auf etwa siebzehn, vielleicht auch achtzehn, Sommer. Sie hatte dickes, dunkles Haar und eine dunkle Hautfarbe. Es durchzuckte mich wie einen Blitz bei der Betrachtung der Farbe ihrer Haut.

      Ihr zierlicher Körper steckte in einem – für diese Temperaturen – viel zu knappen Gewand aus Leinenstoff, um ihren schmalen Hals lag ein dicker Eisenring der mit einer Eisenkette an der Wand hinter ihr befestigt war.

      Elkanasai kamen nie ohne Sklaven, stellte ich fest.

      Woher sie wohl stammte?, fragte ich mich, während ich mir die Farbe ihrer Haut ansah, die mich an das Leder meiner Rüstung erinnerte ... und an meine Mutter. Sie stammte jedenfalls nicht aus Carapuhr oder Elkanasai. Vielleicht aus der Wüste Nohvas oder aus Zadest, wo meine Mutter auch herstammte.

      »Söldner, sagt Ihr?« Der Unterton in der Stimme des Spitzohrs gefiel mir ganz und gar nicht.

      »Ja«, gab ich betont freundlich zurück.

      Das Spitzohr schüttelte den Kopf. »Aber Ihr seid kein einfacher Söldner.«

      »Bin ich nicht?« Ich zog meine blonden Augenbrauen hoch, dann sah ich an mir herab und zuckte mit den Achseln. »Ich sehe doch aus wie ein einfacher Söldner.«

      »Haltet mich nicht für dumm«, gab der Elkanasai barsch zurück.

      Derricks Hand wanderte bereits zu seinem Schwert, ich konnte die Bewegung im Rücken spüren.

      »Das tue ich nicht«, warf ich ein.

      – Natürlich hielt ich ihn für dumm. Er hatte mich passieren lassen, also war er dumm.