Der Gesang des Satyrn. Birgit Fiolka

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Название Der Gesang des Satyrn
Автор произведения Birgit Fiolka
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748591832



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Er hatte keine Hörner, keinen Pferdeschweif und auch keine plattgedrückte Nase. Trotzdem war es leichter für Neaira die Augen zu schließen und sich vorzustellen er hätte all diese Dinge, als er den Gürtel ihres Chitons löste. Ohne Ungeduld zog er den Stoff von ihrem Körper, nahm sie hoch und legte sie auf das Lager. „Du musst dich doch nicht fürchten, ich werde sehr sanft mit dir sein.“ Sie hielt die Augen fest geschlossen, als er seinen Mund auf ihre Brüste senkte, an ihnen saugte und sogar hineinbiss. Vor ihren geschlossenen Augen sah Neaira seine groben Augenwülste, den untersetzten Körper, die Hörner. Dann spürte sie sein hartes Glied zwischen ihren Schenkeln.

      „Wie einzigartig ist der Genuss eines jungendlichen Leibes.“ Mit einem Stöhnen ließ Xenokleides sich auf sie sinken, während er ihre Schenkel spreizte. Neaira glaubte ihr würde die Luft zum Atmen genommen, denn sein schwerer Körper drückte die Luft aus ihren Lungen. Sie bog sich ihm nicht entgegen wie Metaneira den Satyrn in ihrem Traum, als er sein Glied in sie zwängte und ihre Beine umklammerte. Stattdessen krallte sie ihre Hände in das Laken und ließ ihn tun, was er wollte. Xenokleides stieß in sie, keuchte und drängte seine Zunge in ihren Mund. Hylas Mund hatte nach süßen Früchten geschmeckt, doch Xenokleides schmeckte nach saurem Wein und nach faulen Zähnen. Er war nicht behutsam, nichts was er tat, hätte diese Bezeichnung verdient. Er war ein Satyr, der sich einen Mädchenleib nahm. Nach einer Weile stieß er ein letztes Mal hart in sie und stöhnte noch einmal laut auf. Schwer atmend lag er auf ihr, dann rollte er sich endlich zur Seite. Neaira öffnete die Augen. Er war nicht mehr der grobe Satyr. Das was neben ihr lag, war ein ausgelaugter Mann mit altersfleckigen Händen und eingefallenem Brustkorb, der sich an ihrer Jugend verausgabt hatte. Alles an Xenokleides sank so schnell zusammen wie sein Glied. Schweiß glitzerte auf seiner Stirn. „Ich bin müde“, murmelte er, und beinahe im gleichen Augenblick begann er zu schnarchen.

      Neaira rückte so weit es ging auf der Kline von ihm ab. Sie störte weder das Brennen noch sein klebriger Samen zwischen ihren Schenkeln, noch der kleine Blutfleck auf dem Laken des Polsters. Viel schlimmer war der Geruch, der an ihr haftete - jener stechende Geruch, den sie als Kind an ihrer Mutter und später an Metaneira wahrgenommen hatte. Jetzt begann er Neaira anzuekeln, da ihr klar wurde, woher er stammte. Es war der Geruch männlicher Lust und Gier, der Geruch eines brünstigen Tieres, der Gestank der Satyrn! Neaira dachte daran, dass Hylas Haut nie so gerochen hatte. Er hätte es sein sollen, der sie auf ein Lager aus duftenden Blüten legte. Schließlich erlaubte sich Neaira ein paar geheime Tränen um ihre zerstörten Träume.

      Xenokleides verabschiedete sich am nächsten Morgen mit knappem Gruß und drückte ihr einen perlenbesetzen Kamm für ihr Haar in die Hand, den Idras ihr sofort abnahm, als sie kam um Neaira ins Badehaus zu bringen. Neaira störte es nicht, ihr lag nichts an diesem Geschenk, doch sie wusch sich ebenso wie einst Metaneira so gründlich und verbissen, dass Idras ungeduldig mit dem Stock wedelte. „Genug jetzt, du bist sauber!“

      Sie war nicht sauber, wie konnte die Schwarze es nicht riechen? Bemerkte sie nicht den beißenden Gestank? Neaira meinte, dass er sich nie wieder abwaschen ließ. Doch Idras gab nichts auf ihre Einwände. Neaira gelang es nur schwer, ihren rasenden Hass auf Idras im Zaum zu halten.

      „Zieh das an und trödele nicht herum.“ Idras warf ihr einen Peplos zu und brachte sie zurück in ihr eigenes Zimmer, wo Neaira sich auf ihrem Bett zusammenrollte. Sie war so furchtbar müde, und sie fühlte sich wund – nicht nur in ihrem Körper, auch in ihrem Herzen. Am Abend brachte eine junge Sklavin ihr eine Platte mit einem Becher Ziegenmilch, einem Fladen Brot, Oliven, Käse und etwas Obst. Neaira aß ohne Appetit und betete zu Aphrodite, dass sie nicht erneut geholt werden würde. Sie könnte es nicht ertragen, nicht noch einmal! Die Göttin schien ihre Gebete zu erhören. Idras kam erst am nächsten Morgen und forderte Neaira auf, mit ihr zu kommen. Der Schlaf hatte ihr gut getan. Sie fühlte sich zwar noch immer leer und wund, aber sie war gefasster als am Vortag.

      Im Andron wies nichts auf die Feste hin, die Nikarete feierte und bei denen sie vorgab ihre eigenen Töchter zu verkaufen. Die bunten Steine des Mosaiks glänzten frisch geschrubbt, und die Weinkelche und Blüten waren fortgeschafft worden. Einzig die Harpyie auf ihrem Thronstuhl zerstörte das Bild einer friedlichen Idylle.

      „Ich bin sehr zufrieden mit dir. Der Preis, den deine Jungfräulichkeit mir einbrachte, ist der höchste, von dem mir bekannt ist, dass er jemals für eine Entjungferung bezahlt wurde.“

      Ob Helena sich ebenso gefühlt hat, als Menelaos sie das erste Mal auf sein Lager holte? Haben ihre Scham und ihr Leib wohl von der Grobheit ihres Gatten gebrannt?, war alles, was Neaira einfiel.

      „Ich werde Idras etwas von dem Geld geben, damit sie dir Gewänder und Schmuck kauft. Natürlich wirst du sie nicht begleiten. Dein Gemüt muss sich erst an das neue Leben gewöhnen.“ Die Harpyie war geschäftstüchtig, hielt dann jedoch inne. „Sicherlich ist dir klar, dass deine Zurückhaltung erfreulich für die erste Nacht war, aber die Herren von einer erfahrenen Frau anderes erwarten ... Unterhaltsamkeit, Wortwitz und Gesellschaft, und vor allem Erfahrung in den Freuden des Lagers.“ Sie stand von ihrem Stuhl auf und hob Neairas Kinn mit spitzem Finger. „Hierzu bedarf es weiteren Unterrichts, den ich meinen Töchtern angedeihen lasse.“

      Sie stellte sich vor, wie sie Nikarete ins Gesicht spuckte, ihr die Augen auskratzte und sie dann mit Idras Stock schlug. Was war aus all dem geworden, was sie geplant hatte? Wann würde hinter all dem endlich die Freiheit stehen? Doch sie würde der Harpyie nicht die Genugtuung geben, in ihr Herz zu schauen.

      „Du bist mir ein Rätsel, Neaira. Ich weiß sehr gut, dass du deine Gedanken vor mir verbirgst. Du hast gelernt, dein wildes Blut und deinen Trotz zu verstecken. Ich selbst habe dir dazu geraten. Aber ich mag es nicht, wenn du dich mir gegenüber verschließt.“ Ihr Lächeln schien freundlich, aber Neaira wusste längst, dass die Freundlichkeit der Harpyie viel gefährlicher war als ihre offen gezeigte Wut. Sie klatschte in die Hände, und Neaira vernahm Idras Watschelschritte, begleitet von den Schritten eines weiteren Paar Füßen in ihrem Rücken.

      „Ich habe einen Lehrer für dich ausgewählt, der dich in die Künste des Lagers einweisen wird.“ Das schmale Lächeln der Harpyie jagte Neaira einen Schauer über den Rücken. Als Neaira sich umwandte, erschrak sie so sehr, dass sie nicht mehr sprechen konnte. Selbst eine Harpyie konnte nicht so grausam sein! Doch Hylas stand vor ihr wie der Beweis ihrer Boshaftigkeit, sein glatter Leib vollkommen nackt. Er war schön, sein Körper glänzend von einem Öl, mit dem er sich eingerieben hatte, seine Locken fielen in Wellen auf seine Schultern und rahmten sein betrübtes Gesicht. Er war nicht wie Xenokleides, er war kein Satyr! Doch sein Glied reckte sich ihr steif entgegen! Noch vor wenigen Tagen hätte seine Lust Neaira nicht abgestoßen, aber nun empfand sie Abscheu. Hylas hielt den Kopf ebenso gesenkt wie sie, da er sich der beschämenden Aufgabe bewusst war, die ihm bevorstand. Aber wie konnte er sie verraten und Lust empfinden?

      „Mein dummes Kind. Habt ihr wirklich geglaubt, ihr könntet einfach verschwinden? Die dummen Gedanken, die dir Hylas in den Kopf gesetzt hat – Paris und Helena!“ Nikarete schnalzte mit der Zunge, setzte sich auf ihren Stuhl und nahm ihre Wollspindel zur Hand. „Zu viel Bildung schadet nur.“ Sie tippte sich mit der Spindel an den Kopf. „Sie bringt zu viele Fragen für ein Mädchen wie dich, das sich für etwas Besseres hält. Es war dumm von Hylas seinen Gönner darum zu bitten, ihn und dich auszulösen. Habt ihr geglaubt, dass der Herr auf seinen Geliebten verzichten würde?“

      Neaira und Hylas sahen sich an. Es war ein einziger Blick, der ihnen verriet, dass ihre Träume unter einer Wahrheit begraben lagen, die schwerer als Marmor war. Erst als Hylas Augen in Schicksalsergebenheit verschwammen, verstand Neaira das Ausmaß von Nikaretes Boshaftigkeit. Sie hatte Hylas den Glanz gestohlen, die Sterne, die in seinen Augen gefunkelt hatten. Neaira hätte es lieber nie erfahren wollen ... dass Hylas nicht die Sonne war, sondern ebenso ein Opfer der Lust, wie sie selbst. Seine Stimme war kaum ein Flüstern. „Ich wollte es versuchen, nur für dich.“

      Neaira starrte auf ihre Füße. Armer Hylas, arme Neaira.

      „Schön, wenn dies nun alles geklärt ist, können wir beginnen“, bestimmte Nikarete.

      Sie erzählte Neaira von den drei Körperöffnungen, die ein Mann an einer Frau bevorzugte. Neaira musste sich ausziehen, und Nikarete