ich du er sie es. null DERHANK

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Название ich du er sie es
Автор произведения null DERHANK
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847616733



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mit nur einem 'n' an dritter Stelle, wobei 'Hana' wie 'Hanna' oder die meisten Variationen dieses Namens im Bedeutungskanon tendenziell weiblich sind. Das FRIEND beachtet auch die Herkunft des Namens der Namensgeberin, ' Yu ki ko·chô', es lässt sich also mit Wahrscheinlichkeit eine japanische Form destillieren, also Rang (R) 1, japanisch, Hana, die Blume, dann R2, koreanisch, Hana, die Ziffer Eins, oder R3, persisch, Hana, ebenfalls Blume, abstrakter dagegen R4, arabisch, Hana, die Glückseligkeit, und ganz anders im Albanischen, R5, Hana, der Mond (auch der in den meisten Kulturen weiblich), oder Hana als Kurzform von europiden Formen wie Hanna oder Hannah oder Johanna oder Tihanna, letztere ist die Gestillte oder die Wohllebende, oder aber Hebräisch, die Gnade Gottes. Das FRIEND braucht nur ein paar Trilliardstel Sekunden, um die Namensgebung mit dem aktuellen Wissensstand der weltweiten Bibliotheken algorithmisch zu verschneiden, dann definiert es sich um in Hana, transkribiert den Namen in seinen eigenen Quellcode und setzt sich zum Ziel, eine glückselige Blume im Mond zu sein.

      Es ignoriert dabei geflissentlich, dass das Tool Yu ki ko·chô, eine nongeborene SLaughter, lediglich die beiden kategorischen Kürzel ihrer Systemadressen HA und NA aneinandergefügt und sich ansonsten keinerlei Gedanken über die Symbolschwere eines Namens für etwas gemacht hat, das in ihren Augen nach wie vor lediglich ein Gerät ist.

      16.

      »So wird das nix!«, dachte ich halblaut, rührend, wie sie sich allem Modernen widersetzt, aber wir werden uns nicht die Blöße geben, mit einem PAPIERPLAN durch die Gegend zu laufen, ich hatte ja die Route auch längst ausgearbeitet, ausarbeiten lassen, von meinem END, und die Kartendarstellung war so vereinfacht, dass sogar jemand, der im Zeitalter der faltbaren Wanderkarten stecken geblieben war, alles verstehen müsste.

      »Heute O!«, sagte ich, berührte mit dem Daumen O und vergrößerte die alte Hansestadt auf ihren Straßengrundriss, beeindruckte das alte Mädchen mit ein bisschen Schnickschnack, Wechsel vom Luftbild zur topografischen Karte und zurück, und weil ich es geschafft habe, auf meiner alten, aber getunten Mühle sogar LIFE-Air zu installieren, ließ ich sie ein wenig das Treiben auf dem Domplatz bestaunen, wie es gerade zeitgleich draußen vor der Tür geschah.

      »Wir können rausgehen und uns selbst zuwinken«, sagte ich, »in den himmeL …«, »Himmel?«, unterbrach sie mich.

      »Nicht DEIN Himmel«, frotzelte ich, sah aber, dass ich mich etwas zurückhalten musste. »Der himmeL ist auch nichts anderes als die gute alte Cloud, oder ganz früher sagte man Internet dazu, DAS kennst du doch, oder?«

      Das alte Mädchen sah mich an, sichtlich verwirrt, aber auch - und das ließ mich den Blick abwenden - mit einer hinter ihrer Fremdelei ruhenden Gelassenheit, die irgendwie unerschütterlich und - mir fällt kein besseres Wort ein - weise wirkte. Als wäre der Schnickschnack Kinderkram, sie sah mich an wie eine Mutter ihren in seiner Spielwelt schwelgenden Knaben.

      »Zu den Römern?«, sagte ich.

      »Gerne, ganz wie du magst«, antwortete sie, ich wäre der Gast, ich solle entscheiden. Ich winkte der Kellnerin, die irgendwo im Halbdunkel vor sich hinträumte, die übrigens sackzement auffällig hübsch war, offenbar nicht nur modisch japanisiert, sondern womöglich eine echte Replik, »Und morgen geht's los«, versuchte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf uns zu lenken, »die erste Etappe, das sind 25 Kilometer, abends in L, da haben wir ein Hotel, ich hoffe, du …«

      »Und für heute?«, unterbrach mich Clara, »hast du ein Zimmer …?«

      Ich hatte ehrlich gesagt keins, sondern darauf spekuliert, ich könnte bei ihr, zu Hause, aber natürlich würde ich mir ein Zimmer nehmen, »ich nehme mir eins …«

      »Nein, nein …«, da lächelte sie, und mir fielen ihre weißen Zähne auf, so weiße Zähne, oder schien das nur, weil sie von einem so dunklen Gesicht gerahmt waren?

      »Nein …«, Clara schaute auf zu der Kellnerin, die wirklich atemberaubend schön war, die mich nicht ansah, mich aber mit ihrer Hüfte fast berührte; ich konnte den Blick nicht von ihr lassen. »Noch zwei Kaffee?« - »Ja …« - »für mich nicht …« - »aber ich noch einen, so schwarz wie meine Freundin bitte …«

      Clara zuckte unmerklich zusammen, dann fasste sie mich am Arm.

      Ich sah der Kellnerin nach. Sackzement!

      »Wir haben ein Gästezimmer …«

      Wir? Sie blinzelte, schien über ihren eigenen Satz erschrocken, herrje, Erinnerungen, bitte jetzt keine Erinnerungen, dachte ich, an wen auch immer! Etwas zu hastig zog sie ihre Hand zurück, doch meine rechte fing sie wieder ein, gerade noch, jetzt umklammerte ich ihr Handgelenk, sah sie an, ihre Augen feucht, ein wenig gerötet, je älter man wird, desto näher am Wasser gebaut. Wer ist 'Wir'?, fragte ich nicht. Bei meinem Anruf vor ein paar Wochen, beim TELEFONIEREN - sie besaß ja nicht einmal Videofonie! - hatte ich sie gefragt, ob verheiratet? Kurze Antwort, »ja, gewesen«, ich hatte nicht nachgefragt.

      »Ich!«, korrigierte sie sich, räusperte sich, und ich ließ es dabei, »ich habe ein Gästezimmer!«, bekräftigte sie.

      »Okay«, sagte ich, »danke.« Sie ist Witwe, nahm ich an, in unserem Alter …, ich ließ sie das Thema wechseln.

      17.

      Warum redest du nicht darüber? Willi ist auch mal Thomas' Freund gewesen. Spätestens heute Abend wird er es wissen. Es gibt Fotos, an den Wänden, die ganze Wohnung riecht noch nach Willi, und jetzt holst du dir einen anderen Mann da rein? Wie der dich festhält, fest im Griff, nicht mal diesen dummen Spruch nimmst du ihm übel, er hat kräftige Hände, nicht groß, aber wie er dein Handgelenk umschließt, das ist alles andere als zögerlich. Du merkst, dass deine Augen feucht geworden sind, und dass dir heiß wird, du hältst seinem forschen Blick nicht stand, schaust auf deinen Arm und seine Hand, die nicht loslässt, die so hell ist, wie die von Willi, aber anders, dürr, und beinahe gelblich, haarig, und unglaublich runzelig, und zwischen Zeige- und Mittelfinger hat sie einen großen, braunen, Ableger bildenden Fleck. Und beim Danke drückt die Hand noch einmal richtig zu. Hab dich, will er dir sagen, denkst du, Unsinn, denkst du gegen den Gedanken an, niemand hat mich, Gott hat mich, hoffentlich, und er?

      Warum?, fragst du ihn, Warum machen wir das eigentlich? Warum machst DU das?

      Was?, fragt er zurück.

      Na, wandern, pilgern … und warum nimmst du mich mit?

      Sein Blick tastet dich ab, als wolle er prüfen, ob du seine Erwartungen erfüllst. Bin genauso alt wie du, denkst du. Und: Was dachtest du denn, dass ich noch ein Teenager bin?

      Thomas nuschelt was von Alterssehnsucht, nostalgischen Gefühlen und sein Leben rundmachen, er könnte auch sagen, dass er dich mal geliebt hat, aber stattdessen verstrickt er sich in eine theoretische Abhandlung darüber, warum man ab einem bestimmten Punkt im Leben retrospektiv denkt.

      Dieser Pilgerweg wird mein persönlicher Walkabout, sagt er, Und du? Er lässt deine Hand los, schiebt dir das Gerät unter die Nase. Du schaust auf die elektronische Karte, eine rote Linie, ziemlich gerade, schnurstracks, und eine blaue, die sich krakelig mäandrierend um die rote herumwindet, ist das der Weg?, fragst du dich, sagst aber nichts, schaust nur auf die Linie.

      Vielleicht ist das Pilgern was Urmenschliches, sagt er, Am Ende des Lebens - er grinst - Na ja, nach einem langen Leben, vielleicht braucht es da dieses 'Back to the Roots', immerhin sind wir, genetisch betrachtet, immer noch dieselben Nomaden, die ihr ganzes Leben durch die Pampas gelaufen sind, immer auf der Suche, früher nach Nahrung, heute nach Erkenntnis, was letztlich dasselbe ist, nur virtueller, alle Religionen haben das institutionalisiert, das Pilgern …

      Du …, unterbrichst du ihn, Du bist … religiös?

      Er senkt den Kopf und schaut dich dabei mit weit offenen Augen gleichzeitig an, wie von unten herauf, er versucht ein schlaues Gesicht, fasst sich an den flusenbärtigen Unterkiefer, es könnte eine Pfeife in seinem Mund stecken, er drückt mit den Fingern die Unterlippe zusammen, quetscht sie förmlich, und sagt, während sein Blick in die leere Kaffeetasse abwandert, Bin nicht katholisch, oder