HIPPIE TRAIL - BAND 2. Wolfgang Bendick

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Название HIPPIE TRAIL - BAND 2
Автор произведения Wolfgang Bendick
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742797063



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die Nase. Das Übelste ist, wenn dir so ein dickes Ding in den Mund fliegt und auf dem Weg zur Lunge, Magen oder Arschloch in der Kehle stecken bleibt! Man sollte es machen wie die Jains in Indien und sich ein Tuch vor den Mund binden. Noch besser: sich eine afghanische Burkha überstülpen! Das wäre der Renner: Burkhas für Männer! Ich ahne plötzlich die ungeahnten Möglichkeiten, die hier meiner warten! Ich werde wohl nicht Schuhputzer, aber bestimmt Millionär, wenn ich weiterhin so großartige Ideen habe! Doch vorerst habe ich mal Rendezvous im Arbeitsamt.

      „You just arrived?“ stellt das Fräulein fest. Soviel weiß ich auch selber. Ich suche Arbeit, versuche ich ihr klar zu machen. „Experience?“ „Construction, Sailor, Factory Worker, Road Construction, “ vertraue ich ihr an, „and I speak German and French!“ „You are pretty young, to have much experience!“ So intim wollte ich es gar nicht wissen. „Come back in a few days!“ Also kein Treffen am Abend, um meine mangelnde Erfahrung zur ver-vollkommnen! Wieder auf der Straße.

      Ich suche eine Telefonzelle. Kein Buch darinnen. Erst in der dritten finde ich eines, es ist angekettet. Ich schreibe mir die Adresse der Einwanderungsbehörde raus und stelle mich an eine Bushaltestelle. ‚Perth‘ steht über dem Fahrer angeschrieben. Soll ich es wagen, schwarz zu fahren? Aber das ist hier unmöglich. Man steigt vorne beim Fahrer ein, meist auch aus, damit am Ausgang kein Schwarzfahrer einsteigen kann, und muss durch eine Art Drehkreuz. Auf einer Tabelle stehen die einzelnen Fahrpreise. Ich sage dem Fahrer, dass ich Arbeit suche und kein Geld habe. „Hast du denn wenigstens 20 Cents?“ fragt er. „Gerade noch!“ antworte ich. „Dann steck sie da rein und geh durch das Drehkreuz. Das ist der Preis bis zum nächsten Halt. Bleib einfach sitzen. Ich habe nichts gesehen!“ Nach guten 10 Kilometern gibt er mir ein Zeichen, und ich steige aus. Ich frage einen zeitungswedelnden Passanten. Hier in der Großstadt hat es noch mehr Fliegen als auf dem Land, stelle ich fest. Dann bin ich in der Behörde. „Haben sie einen Termin vereinbart?“ „Nein! Aber ich bin gestern in Fremantle angekommen, als Einwanderer, und möchte mit jemandem sprechen, unter anderem wegen Arbeit.“ „Da müssen sie zum Arbeitsamt!“ „Die haben mich aber hierher geschickt!“ erfinde ich schnell, „haben die nicht angerufen?“ „Moment, vielleicht ist irgendwo jemand frei!“ Bald sitze ich in einem halbdunklen Büro, der Ventilator auf dem Schreibtisch surrt. Mir gegenüber eine blasse, sommersprossige dickliche Frau, in den gleichen Farben gekleidet wie die Aktenordner, die sich auf ihrem Schreibtisch stapeln. ‚Ogottogott!‘ denke ich, von Irland auswandern, um in einem solchen Büro Akten zu lochen und wegzuhängen! „So you just arrived?“ „Yes, yesterday!“ „By which ship?“ „Australasia.“ Sie blättert eine Liste durch. Dieses Schiff steht nicht darin. „Did you come on assisted Passage?“ Was ist denn das nun wieder? Was muss ich darauf antworten, damit sie mich nicht gleich rausschickt? Ich sage ihr, dass ich mit dem Schiff von Singapur gekommen bin. Und bis Singapur? Na ja, so über Land. Den ganzen weiten Weg. Sie will meinen Pass sehen. Blättert Ordner durch. Und findet wirklich einen mich betreffenden Eintrag! Sie stellt klar, wenn ich auf Kosten der australischen Regierung mit Schiff oder Flugzeug hergekommen wäre, hätte ich Anspruch auf Wohnung und Essen in einem Auffanglager und auf finanzielle Unterstützung. Auffanglager? Das klingt für mich wie Einfanglager. Nein danke! Ich erkläre ihr, dass ich, durch mein Selberkommen der Regierung ja eine Menge Geld gespart hätte. Es müsse doch die Möglichkeit einer Starthilfe geben! Leider nicht. Dazu sind die karitativen Verbände zuständig, wie die Heilsarmee. Aber ich könne ja jederzeit wieder ausreisen, wenn ich keine Arbeit finde, das können diejenigen, die mit ‚assisted passage‘ gekommen sind, nicht. Die müssen 6 Jahre im Land bleiben oder der Regierung die Einwanderungskosten zurückerstatten. Das ist der Preis der Freiheit. „Deren Freiheit!“ bemerke ich, „und meine?“ „Sie können ja jederzeit wieder gehen!“ „Aber ich bin doch nicht gekommen um wieder zu gehen! Ich bin gekommen, um was zu arbeiten! Haben Sie nicht irgendeine Idee?“ Sie kaut an ihrem Kugelschreiber. Überlegt sie, ob sie mich als ihren Gärtner anstellen soll, als Haushaltshilfe, oder gar als Vater ihrer zukünftigen Kinder? Nichts dergleichen! Dann sieht man es ihr an: „I have an idea!“ Und sie wählt eine Telefonnummer. „Whats your adress?“ ich gebe sie ihr, plant sie ein Rendezvous? „Okay, that‘s good, I will tell him!“ und legt aufatmend auf. Sie hat gerade mit einer Bekannten telefoniert, die Deutschlehrerin ist. Wenn einer ihrer Schüler Nachhilfe bräuchte, würde die mich im Hotel anrufen…“ 20 Cents und eine halbe Stunde später bin ich wieder in Fremantle.

      Zum Glück habe ich noch meinen Benzinkocher und kann so für meine osteuropäischen Zimmerkollegen das Essen kochen, um nicht ganz unnütz zu sein. Das ist zwar nicht erlaubt. Aber wie können wir sonst über-leben? Zudem fängt das Elektrizitätswerk an zu streiken. Die ganze Stadt lebt mit Kerzenlicht. Die Kollegen reiben sich die Hände. Was denn daran so schön sei? „Vor vier Jahren war es ähnlich. Über zwei Monate kein Strom! Wir sind mit den Gewehren aufs Land und haben uns Rinder geschossen. Wenn du wüsstest, wie toll das war!“ „Was kann denn daran toll sein?“ „Die Stimmung! Wir campten draußen, die Feuer loderten, die Städter kamen zu uns heraus zum Essen. Man machte Musik, man tanzte, man teilte!“ „Und die Cops?“ „Anfangs machten die Ärger. Aber am Ende war jeder froh, dass er was zum Essen hatte! Sie hatten sogar den Auftrag, uns beim Besorgen der Rinder zur Hand zu gehen, zumindest die Farmer auf Abstand zu halten.“ Aber so weit waren wir noch nicht! Noch gab es Kerzen zu kaufen, wenn auch die Spirituskocher und bald auch der Spiritus ausverkauft waren. Ich berichtete von meinem Besuch im Amt. Das brachte sie zum Lachen. „Die sollten damit aufhören, Einwanderer anzuwerben!“ sagte ich. „Die wollen Einwanderer mit Geld. Keine armen Schlucker wie uns. Einwanderer, die Geld haben, geben das aus. Sie öffnen Geschäfte, gründen Unternehmen. Und das bringt der Regierung wieder Steuern und andere Einnahmen. Wir sind nur die Lückenfüller. Wenn die Wirtschaft gut läuft, sind wir gefragt. Wenn Flaute ist, vergisst man uns. Wir kosten dem Staat nichts.“

      Am nächsten Tag will ich es trotzdem versuchen, bei einem dieser privaten Arbeitsvermittler. Am Abend ist Casting, wie beim Film. Ich muss mich mitten ins Zimmer stellen. „Dreh dich mal um! Stopp, warte! Krempel die Ärmel hoch. Ja, gut. Und nimm den blöden Hut ab. Hier, nimm meine Kappe. Bisschen schräger. Gut! Moment!“ Einer holt einen Handhaken, so einen, wie am Arm von Kapitän Hook, in Peter Pan. Ich soll ihn über die Schulter hängen. „Wozu dient denn so ein Ding?“ „Zum Wollballen anheben und manipulieren. Dafür bist du zwar noch ein bisschen zu schwach auf der Brust. Die wiegen so 200 Kilo. Aber Wolle gibt es im Moment sowieso keine. Siehst aber gut aus!“ „Ja aber 200 Kilo…“ „Mach dir mal keine Sorgen, die nehmen dich sowieso nicht! Und außerdem tust du die ja nicht heben, sondern nur kippen, um eine Sackkarre unterzuschieben. Solange ein Ballen hochkant steht, ist er leicht zu handhaben. Weißt du, du musst erfahren aussehen. Und wenn man dich fragt, du hast schon alles gemacht! Zeig mal deine Hände. Scheiße, keine Schwielen, keine Narben. Das wird schon noch kommen! Die alte Hose passt gut. Eine Zigarette im Mund könnte auch nicht schaden.“ Und so geht die Modenschau weiter bei Kerzenlicht und Bier. Das Fernsehen geht nicht ohne Strom. Somit haben sie Zeit, mir ein erfahrenes Aussehen zu geben. „Aber du bräuchtest dickere Arme. Behaarte, tätowiert.!“ „Mal langsam, bin doch nicht Supermann!“ „Und vergiss nicht, lüge denen die Hucke voll! Du hast alles schon hundert Mal gemacht. Du hast Experience!“ „Aber die sehen doch in meinen Papieren, dass ich gerade erst angekommen bin!“ „Du erzählst denen, du hast drei Wollsaisons in Deutschland mitgemacht!“ „Da gibt es aber keine Schafe!“ „Das wissen die doch nicht!“

      In der Früh sind sie alle auf, um mir noch den letzten Schliff zu geben. „Und vergiss nicht, du kannst alles. Immer Ja sagen! Los, hau ab, vielleicht klappt’s!“ Ich beeilte mich, zum Treffpunkt zu kommen. Der war am Stadtrand, an einer Bushaltestelle. Es waren schon an die 20 Männer da, meist bullige Typen, Zigarette im Mundwinkel, manche mit einem Boxerleibchen beklei-det, nur Muskeln und Haare. Ein Minibus fuhr vor. Daran sah ich, dass nicht mehr als 8 Personen Arbeit finden würden. Der Fahrer stieg aus, musterte die jetzt fast schweigsame Versammlung. In der Hand hielt er eine Liste und einen Schreiber. „Drei Leute Gelände-reinigung! Wer kennt sich aus?“ Alle hoben lässig die Hand. Mir fiel dabei fast der Haken von der Schulter. Er zeigte mit dem Schreiber auf drei Personen. „Namen?“ Er schrieb sie auf, während einer nach dem anderen einstig. „Ausweis!“ Sie gaben ihm diese. Er steckte sie in die Gesäßtasche seiner Jeans. „5 Maurer für Erd-arbeiten!“ Wieder