Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held

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Название Afrikanische Märchen auf 668 Seiten
Автор произведения T. von Held
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742763129



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hatten ein Reh bei sich, das sie auf der Jagd erlegt

       hatten. Cakyane tat, als ob er aufwache, und sagte:

       »Bravo, bravo, meine lieben Kindeskinder! Seht,

       dort habe ich euch ein Essen gerichtet! Laßt es euch

       schmecken; denn ihr scheint müde und hungrig zu

       sein!«

       Sie aßen alsdann.

       Während des Essens sagte der jüngere von den

       Söhnen:

       »Schau' doch einmal dorthin; das scheint die Hand

       unserer Großmutter zu sein!«

       Darauf entgegnete der ältere:

       »Schweige; siehst du denn nicht, daß die Alte am

       Sterben liegt!«

       Cakyane aber erwiderte mit verstellter Stimme:

       »Hört, diesen undankbaren Menschen!«

       Als sie das vernommen, schwiegen beide, aßen

       und tranken, bis sie satt waren. Da sagte Cakyane:

       »O Kinder meines Kindes, richtet mir doch das

       Reh schön zu, welches ihr mitgebracht habt!«

       Während sie dasselbe zubereiteten, ging Cakyane

       hinaus, warf, als er eine Strecke entfernt war, den

       Rock auf die Erde und rief:

       »Hurra, hurra, ihr habt ja eure Großmutter gegessen!

       «

       Da sprangen beide auf und ihm nach; aber auch

       Cakyane rannte, so gut er konnte, davon, und verwandelte

       sich schließlich am Ufer des nächsten Flusses

       in einen Holzklotz. Die Söhne kamen dorthin und

       warfen den Klotz über den großen Fluß, indem sie

       sagten:

       »O großer Geist, du kennst Cakyane und weißt,

       wo er sich aufhält! Erschlage ihn dort, wo du ihn

       siehst, mit diesem Klotze«. Drüben verwandelte sich

       Cakyane wieder und rief lachend den Söhnen zu:

       »Ei, ihr Herren, ihr habt mich ja prächtig über den

       Fluß gesetzt!«

       Sprach's und ging seines Weges weiter; – jene

       aber blieben ärgerlich auf der anderen Seite des Flusses

       zurück.

       Cakyane traf im Weitergehen einen Greis, welcher

       Brot aß. Er nahm es ihm ab und lief davon. Der Alte

       lief ihm nach und rief:

       »Lege mein Brot nieder, Cakyane!«

       Der aber hörte nicht, sondern lief weiter, bis er an

       einen hohlen Baum kam, in welchen er schnell hineinkroch.

       Gleich darauf kam der Alte auch an und

       steckte seine Hand in das Loch, den Bösewicht herauszuziehen.

       Als er ihn so gefaßt hatte, rief Cakyane:

       »O Tor, du hast ja die Wurzel des Baumes gefaßt.

       «

       Da ließ der Alte ihn los und faßte die Wurzel des

       Baumes; Cakyane aber rief:

       »Laß mich los, du bringst mich ums Leben!«

       Der Alte, hoch erfreut, bemühte sich jetzt, den vermeintlichen

       Cakyane herauszuziehen. Dieser jedoch

       aß währenddem das Brot, sprang sodann heraus und

       lief davon.

       Fußnoten

       1 Im Zulukaffrischen führt das Wiesel den Namen u

       Cakide; u Cakyane ist die Verkleinerungsform hiervon

       und bedeutet demnach soviel als »Wieselchen«;

       bo Cololo ist ein bloßer Ehrentitel; ein weiterer Ehrentitel

       desselben lautet »u Mahlab indoda iseme«

       und bezeichnet einen, »welcher den noch stehenden

       Mann niedersticht«. Das Tierchen hat diesen Beinamen

       wegen seiner Gewandtheit und Klugheit, und es

       spielt im kaffrischen Märchen- und Fabelkranze ungefähr

       die gleiche Rolle wie Reineke Fuchs im deutschen.

       Der Wolkenschmaus.

       Eine Erzählung der Hottentotten.

       Einstmals, so erzählt man sich, waren die Hyäne und

       der Schakal beisammen, als eine große weiße Wolke

       am Himmel aufzog. Da stieg der Schakal hinauf zu

       ihr und aß davon, als ob es Fett wäre. Als er gesättigt

       war, rief er der Hyäne zu:

       »Meine Schwester Rechtauf, wenn ich dir von dem

       Schmause etwas lassen soll, so mußt du mich jetzt

       hübsch auffangen.«

       Die Hyäne fing den Schakal auf, folgte seinem Beispiel,

       stieg hinauf zu der weißen Wolke und aß von

       ihr. Als sie satt war, sprach sie:

       »Mein Bruder fange mich auf.«

       »Gewiß! komm' nur, ich werde dich schon fangen,«

       erwiderte der Schakal. Dabei hielt er die Hände auf,

       und die Hyäne ließ sich von der Wolke hinab, indem

       sie auf den Schakal zusprang. Als sie ganz nahe ge-

       kommen war, rief der Schakal, indem er wie vor

       Schmerz auf die Seite sprang:

       »Verzeih', verzeih' mir! ein Dorn hat mich gestochen,

       o weh, o weh!«

       Da stürzte die Hyäne zur Erde und verletzte sich

       den Fuß.

       »Seit jenem Tage,« so sagt man, »ist der linke Hinterfuß

       der Hyäne kürzer als der rechte.«

       Warum der Schakal einen langen, schwarzen

       Streifen auf dem Rücken hat.

       Hottentottenfabel.

       Vor langen, langen Jahren kam die Sonne niemals auf

       die Erde. Das war gerade zu der Zeit, da die Menschen

       alle im Umzuge waren und keiner Lust und Zeit

       hatte, sich um etwas anderes als seine eigenen Angelegenheiten

       zu kümmern. Wohl sahen die Menschen

       die Sonne am Wege sitzen, aber sie eilten achtlos an

       ihr vorüber. Der Schakal, der hinter dem Menschen

       herkam und die Sonne auch sitzen sah, ging zu ihr

       und redete sie an:

       »Solch ein hübsches Kindlein lassen die Menschen

       unbeachtet zurück?«

       Mit diesen Worten hob er sie auf und steckte sie in

       sein Fell, das er auf dem Rücken trug. Bald aber fühlte

       er einen brennenden Schmerz, fing an sich zu

       schütteln und rief voller Schmerzen:

       »Geh' hinunter, Sonne; du verbrennst mir ja den

       Rücken!«

       Aber die Sonne saß unverrückt