Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held

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Название Afrikanische Märchen auf 668 Seiten
Автор произведения T. von Held
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742763129



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erweisen würde. Sie haben recht gehabt und die

       Wahrheit gesprochen, wenn sie sagten, daß von allen

       lebenden Wesen der Mensch das undankbarste ist.

       Diesem Manne tat ich Gutes, und er hat es mir mit

       Bösem gelohnt.«

       Der Sultan, da er diese Worte erfuhr, befahl, daß

       man den Mann, der sie gesprochen hatte, zu ihm

       brächte. Und er befragte ihn um die Meinung dessen,

       was er gesagt hatte. Als er nun erfuhr, wie sich alles

       verhielt, wurde er sehr böse und sprach:

       »Dieser Undankbare verdient, daß man ihn in eine

       Schlafmatte lege und er ertränkt werde; denn er hat

       Gutes mit Bösem belohnt.«1

       Fußnoten

       1 Eine Matte, deren sich die Suahelis und die Araber

       an der Küste Ostafrikas bedienen, um darin zu schlafen,

       heißt Tumba. Sie hat die Form eines Sackes, der

       an einer Längsseite offen ist. Um sie während der

       Nacht zu benutzen und vor Kälte und Insekten geschützt

       zu sein, kriecht man vollständig in sie hinein,

       wickelt sie fest um den Körper und liegt schließlich

       auf der offenen Seite. Tumbas werden häufig als

       Särge benutzt, indem man den Leichnam in sie

       einnäht.

       Der träge Mahomed.1

       Ein Sansibarmärchen.

       Eines Tages kam zu dem Sultan Harun al Raschid ein

       junger Sklave, der sprach:

       »Meine Herrin Zubede sendet dir durch mich ihre

       Grüße und läßt dir sagen, sie habe eine Krone gefertigt,

       zu der ihr noch ein Stein fehle. Sie fragt bei dir

       an, ob du ihr den fehlenden geben kannst.«

       Da suchte Harun al Raschid in seinen Schatzkammern;

       aber wie sehr er auch suchte, es fand sich kein

       Stein, der groß genug gewesen wäre.

       Endlich sagte Harun zu dem Sklaven:

       »Bringe mir die Krone, damit ich selber sehe, ob

       ich das Gewünschte nicht herbeischaffen kann.«

       Als die Krone gebracht wurde, sah er, daß sie aus

       kostbaren Steinen gefertigt war. Er zeigte sie allen

       Großen des Reiches und sprach zu ihnen:

       »Sucht in euren Schätzen, bis ihr einen Stein findet,

       der groß genug ist, um das Mittelstück dieser Krone

       zu bilden.«

       Sie taten, wie ihnen befohlen war; aber vergebens.

       Da berief Harun al Raschid alle Kaufleute seines

       Reiches, versprach ihnen viel Gold und Silber, konnte

       aber auch von ihnen keinen Stein bekommen, der

       groß genug gewesen wäre.

       Fast verzweifelte er daran, je zu erlangen, was er so

       eifrig suchte, als ein Mann zu ihm kam, der sprach:

       »In der Nähe von Bagdad wirst du nicht finden,

       was du suchst. Aber sende nach Bassara; dort lebt ein

       Jüngling Namens Mohamed, mit Beinamen der Träge,

       der kann dir einen Stein geben, welcher groß genug

       ist, um die Mitte der Krone zu zieren.«

       Da berief der Sultan seinen Vertrauten Mesruri

       Sayafi. Zu dem sprach er:

       »Nimm diesen Brief und reise nach Bassara; dort

       gehe zu meinem Minister Mohamed Zabidi.«

       Mesruri Sayafi machte sich alsbald auf den Weg

       und nahm ein großes Gefolge mit sich. Sein Weg

       führte ihn durch eine weite Wüste; als er die durch-

       reist hatte, kam er nach Bassara. Da begab er sich sofort

       in das Haus Mahomed Zabidis; dem gab er den

       Brief, und er las ihn. Sobald er gelesen hatte, bat er

       Mesruri Sayafi in sein Haus zu kommen und sein

       Gast zu sein; er befahl, daß man ein großes Mahl bereite

       und setzte sich mit ihm hin und aß.

       Als das Mahl beendet war, sprach Mesruri Sayafi

       zu seinem Gastgeber:

       »Ich muß jetzt von dir scheiden; denn mir war befohlen,

       dir den Brief meines Herrn zu geben und

       gleich weiter zu ziehen nach dem Hause Mahomeds

       des Trägen. So laß nun mich und mein Gefolge weiter

       ziehen.«

       Da nahmen sie Abschied voneinander, und Mesruri

       Sayafi zog weiter.

       Als er nun zu Mahomed kam, gab er ihm den Brief

       Harun al Raschids. Ehe dieser ihn gelesen hatte,

       sprach er zu dem Boten:

       »Tritt ein in mein Haus und trinke mit mir eine

       Tasse Kaffee!«

       Mesruri Sayfi antwortete:

       »Mein Auftrag war, dir den Brief meines Herrn abzuliefern

       und weiterzureisen, sobald du ihn gelesen

       haben würdest.« Denn der Sultan befahl mir: »Verweile

       nicht, gib den Brief und laß Mahomed mit dir

       kommen!«

       Als Mahomed dies gehört hatte, sprach er:

       »Ich höre, und dem Wunsche des Sultans werde ich

       folgen. Erst aber bitte ich dich, in meinem Hause Kaffee

       zu trinken.«

       Mesruri Sayafi aber sprach:

       »Mir wurde nicht befohlen, Kaffee bei dir zu trinken.

       «

       Mahomed antwortete:

       »Du mußt von meinem Kaffee trinken.«

       Und er bat ihn inständig, bis er einwilligte und in

       das Haus trat und in das Empfangszimmer ging. Dorthin

       brachte man kleine Schalen starken Kaffees. Als

       nun Mahomed getrunken hatte, kam ein Sklave und

       legte ihm einen Beutel mit fünfhundert Denaren in

       den Schoß.

       Mahomed sprach zu Mesruri Sayafi:

       »Du bist tagelang in der Wüste gewesen und mußt

       dich ermattet fühlen. Erfrische deine Glieder in einem

       Bade.«

       Mesruri Sayafi ging in den Baderaum und fand die

       Luft dort voll süßen Rosenduftes; denn das Bad, welches

       man ihm bereitet hatte, war nichts anderes als

       feinstes Rosenwasser. Eunuchen kamen und bedienten

       ihn mit seidenen, weichen Handtüchern. Danach

       brachten ihm Sklaven neue kostbare Kleider, die gewebt

       waren aus seidenen und goldenen Fäden.