Gelbfieber. Thomas Ross

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Название Gelbfieber
Автор произведения Thomas Ross
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742722485



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einem Metallschloss versehen war, zu schaffen machte. Endlich gab das Schloss nach, Ben wurde fündig und beide schlichen verstohlen auf ihre Zimmer zurück.

      Ben klebte sich Testosteronpflaster auf die Hoden. Die Hose hing ihm noch über die Knie, als es an der Zimmertür klopfte. Er erschrak, doch schon stand der Eindringling im Raum. Wortloses Staunen, dann ungläubige Blicke, die durch das Zimmer flogen.

      Der Sturm brach los: „Was machst du da, um Gottes willen, was machst du denn da?“, rief der Teamchef entgeistert, und dann ging er auf den armen Jungen los, der, hilflos wie ein Kind der väterlichen Wut auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, sich die Hose bis zu den Füßen herunterziehen ließ.

      Ben war mehr tot als lebendig. Waitz riss die Pflaster ab, schleuderte sie schäumend in den Mülleimer. „Wie lange hast du das schon auf den Eiern, du Idiot? Hast du auch nur den Schimmer einer Ahnung, wie schnell du auffliegst, wenn du das drauflässt? Die kriegen dich am selben Tag noch, du ... ich kann es nicht glauben! Wie dumm, um alles in der Welt ...“ Hier versiegten dem Teamchef die Worte.

      Ben versuchte Rechtfertigung: Er öffnete den Mund, heraus kam unverständliches Gestammel.

      „Halt die Klappe, halt bloß die Klappe!“, schrie Waitz. „Wie lange war das Pflaster drauf, sagʼs mir!“

      Ben sagte, fünf Minuten vielleicht, er habe es eben erst draufgetan.

      „Dann wollen wir bloß hoffen, dass das nicht schon zu lange war! Ich hole jetzt Liebermann und du rührst dich nicht von der Stelle, hast du verstanden!“

      Dr. Liebermann war sofort zur Stelle. Fünf Minuten; die Wahrscheinlichkeit, dass das Testosteron in hohen Mengen in den Blutkreislauf gelangt war, war nicht sehr hoch. Dies war die Essenz eines langen, fachlich überladenen Vortrags, der seiner Aussage zum Trotz äußerst beunruhigend wirkte. Waitz traute Ärzten nicht, am wenigsten denen, die sich weigerten, Position zu beziehen. Seine Laune verschlechterte sich weiter. Er fasste den Beschluss, spazieren zu gehen. Spaziergänge gehörten zu den seltenen Auszeiten, die Waitz sich genehmigte. Andernfalls war es unmöglich, diesen Job, wo man stets mit einem Bein im Gefängnis war, durchzuhalten. Ben folgte Waitzʼ Anweisung und blieb im Zimmer. Sein Kopf war leer, aber von Reinigung, von Entspannung keine Spur, in seinem Innern regierte die Betretenheit eines Kindes, das in flagranti an Vaters Geldbörse ertappt worden war.

      Am folgenden Tag schrieb Ben sich in die Starterliste ein. Der Ausgang des Rennens war heute völlig unerheblich. Bis zum nächsten Dopingtest war alles unerheblich. Das Rennen nahm seinen Lauf, Ben wurde an diesem Tag nicht getestet. Aber die Tatsache, dass er dieses Mal nicht aufgerufen wurde, war furchtbar. Bens Teamkollegen bemerkten sofort, dass etwas nicht stimmte, und sie spürten, dass Bens Unruhe nicht allein auf die Niederlagen zurückzuführen war. Fragen wollte dennoch niemand, man betrachtete das als Bens Privatsache. Am folgenden Tag gab es eine Flachetappe, ein Tag für die Sprinter. Diesmal klappte es auch für Bolte nicht, den Topsprinter von Team Germatel, was keinen zu rühren schien. Ergebnisse waren plötzlich bedeutungslos geworden. Ben wurde zum Dopingtest gerufen und – Gott sei Dank – der Test fiel negativ aus.

      Gegen acht Uhr abends erhielt Ben einen Anruf aus Deutschland. Seine Mutter wünschte ihm viel Glück. „Das packst du schon, Junge“, sagte sie, und: „ich glaube an dich, ich weiß doch, dass du der Beste bist!“. Ben lächelte bitter. Ein Glück, dass die Mutter ihn nicht sehen konnte. „Danke, Mama, ich weiß das wirklich zu schätzen, Mama.“ Dann legten sie auf und sie wusch ihre Schwimmsachen, er zappte sich durchs Fernsehprogramm. Wäre diese Tour doch nur schon zu Ende, dachte Ben, ach wäre sie doch nur schon zu Ende.

      Aber die Tour ging weiter. Sie führte in die Alpen, zehn Berge der ersten Kategorie warteten darauf, erklommen zu werden, eine üble Schinderei.

      Und was dachten die Leute darüber? Ben ärgerte sich über deren Naivität und er war mit seinem Ärger nicht allein. Manchmal rissen die Fahrer Zoten über die einfältigen Fragen, die Reporter und Fernsehjournalisten ihnen stellten. Besonders lustig war es, wenn das Thema auf die Landschaften kam, die man im Laufe der Tour zu durchqueren hatte.

      Wittig hatte einmal eine richtig gute Antwort gegeben. „Wissen Sie“, hatte er der Reporterin mit den schwarz bestrumpften Endlosbeinen gesagt, „man genießt die Tour eigentlich nie, auch abseits der Berge nicht. Da passiert so viel, man ist ständig auf der Hut, vor den Attacken der Gegner, vor Löchern im Asphalt, vor Verrückten, die einem ins Rad greifen. Das ist Schwerstarbeit. Spazieren schauen geht nicht, das ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.“

      Eine Reporterin, die nicht recht wusste, was sie sagen sollte.

      „Die weltberühmten Landschaften der Provence, nehmen wir die mal als Beispiel“, führte Wittig aus. „Wir fahren Jahr für Jahr da durch, und sicher doch, es gibt die Lavendelfelder tatsächlich und die Aromen von Mandel-, Orangen- und Olivenhainen wehen einem um die Nase, wenn man die Hügel hinunterfährt. Ein paar Sonnenblumenfelder noch und das schattige Relief von Burgen und Schlössern, die wie im Zeitraffer an uns vorbeifliegen. Ein Geschmackseindruck, ein Bild von etwas, das wir nicht festhalten können. Wir kriegen nur Schatten von den Dingen, nicht mehr und nicht weniger.“

      Die Journalistin machte große Augen. Natürlich wusste sie von den uralten Rotbuchen- und Eichenwäldern rund um den Mont Ventoux, von sagenumwobenen Tälern und Schluchten bei Verdon und Tara, und es war ihr bekannt, dass Thymian, Rosmarin, Oregano, Basilikum und Majoran, die berühmten Kräuter der Provence, in dieser Region nicht kultiviert werden mussten, weil sie überall wild wuchsen.

      Darauf angesprochen entgegnete Wittig trocken, dass er die Provence bereits sechsmal durchquert habe, aber gesehen habe er davon nichts. „Und wenn wir in den Pyrenäen sind, dann haben wir den Tourmalet im Kopf. Wir müssen zusehen, wie wir da heil rauf- und wieder runterkommen, das ist unser Job. Von Höhlen und Grotten und Steinzeitmalereien und dem Gouffre de Padirac habe ich aus dem Fernsehen erfahren; dort gewesen bin ich nie.“

      Ben erinnerte sich, wie die junge Frau Witti daraufhin angesehen und wie sie mit einer knappen Wendung das Gespräch beendet hatte. Wer wollte das schon hören? Geschichten von schwerer Arbeit, von Entsagung und Verzicht. Wahrlich nicht der Stoff, aus dem die Träume sind.

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