Silber. Hans.Joachim Steigertahl

Читать онлайн.
Название Silber
Автор произведения Hans.Joachim Steigertahl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034127



Скачать книгу

zusammenrotteten und versuchten, die deutschen Siedler, die schon Wenzel und dann Johann nach Böhmen geholt hatten, zu vertreiben und sich die urbar gemachten Gebiete anzueignen. In Böhmen gibt es kein Lehenswesen wie in Thüringen oder in anderen deutschen Landen; jeder versucht deshalb, sich soviel unter den Nagel zu reißen wie es geht und daraus entstehen Unfriede und Fehden. Deshalb hat mich Johann aus Thüringen geholt und als Statthalter für die Česka eingesetzt; Burg Nepomuk ist Königsgut und von hier aus suche ich, den Siedlern zu helfen. Ihr habt ja gesehen, dass das Burgtor verschlossen war, als ihr kamt. Bevor ihr euer Wappen gezeigt hattet, wussten die Wachen nicht, zu wem ihr gehört und hatten deshalb die Brücke hochgezogen. Fast täglich erwarten wir kleine Überfälle und Scharmützel, und immer wieder fliehen Siedler in den Schutz der Burgmauern. Da, wo ihr hin wollt, nach Jihlava, oder wie die Siedler sagen, Iglau, ist es einfacher, dort gibt es so viele Deutsche, dass die Aufrührer kaum Fuß fassen können.

      Nun berichtet, was euch herführt: Wie geht es Cuonrad? Hat Landgraf Friedrich das Geldproblem gelöst? Ich habe deinen Vater“, wandte er sich an Walter „schließlich hier beherbergt, als er für Friedrich Silber in Böhmen kaufen wollte. Wie vertragen sich Meißener und Thüringer, die ja nun alle dem gleichen Herrscher unterstehen?“

      Walter, Alexander, Bodo und Gernot antworteten gleichzeitig, ein ungeheures Stimmengewirr entstand, keiner verstand irgendetwas und nach kurzer Zeit brachen alle in Gelächter aus und versuchten, nach einander zu sprechen und nicht alles zu wiederholen. Die Gräfin ließ ein schnelles Abendessen für die Gäste servieren. Cuno hatte sich Wolf auf den Schoß gesetzt und lauschte den Berichten. Wer weiß, was er in Jihlava noch alles gefragt werden würde und dann wäre es gut, wenn er Antworten bereit hätte!

       Am nächsten Mittag wurde sie Zeuge eines Vorgangs, wie ihn Graf Weißensee beschrieben hatte. Sie näherten sich gerade einem kleinen Weiler. Aus allen Kaminen kam Rauch, vor den recht neu aussehenden Häusern standen Karren mit Ochsen oder Eseln, und auf der Allmende graste eine ganze Reihe von Tieren. Cuno hoffte schon auf Milch für Wolf, als plötzlich mit wüstem Getöse ein Dutzend Reiter aus dem Wald hinter dem Dorf preschten und über die Felder den Hang hinunterjagten. Sie verteilten sich vor den Häusern und drangen mit gezogenen Schwertern ein. Lautes Geschrei, ängstliche Rufe, Schmerzenslaute und lautes Flehen waren das Ergebnis. Ohne lange zu überlegen, gaben die thüringischen Ritter ihren Pferden die Absätze und jagten nun ebenfalls auf das Dorf zu. Am ersten Haus angekommen, sprangen Bodo und Alexander aus dem Sattel, stürmten hinein und riefen laut: „Was ist hier los?“ „Sakra Germàn!“ war die Antwort und die beiden Schwarzenbergs sahen sich zwei ganz offensichtlich wütenden Bewaffneten gegenüber, die von ihren bäuerlichen Opfern abließen und nun ihre Schwerter gegen die Ritter richteten. Aber die Thüringer machten nicht viel Federlesens, schlugen die beiden nieder, riefen dem Bauern zu: „Bindet sie!“ und stürmten zum nächsten Hof, wo Gernot und Tasso Ähnliches erlebt hatten, während Walter, gefolgt von Cuno, schon zum dritten Haus geritten war. Dem fiel Wolf aus dem Sattel. Sobald der die Pfoten auf dem Boden hatte, fing er, wahrscheinlich aus Schmerz, an zu jaulen wie ein richtiger Wolf. Jemand rief. „Wölfe!“ und aus den restlichen Häusern rannten die Bewaffneten. Als sie die Ritter sahen, sprangen sie auf ihre Pferde und jagten wieder davon. Walter trat in das Haus und wäre beinahe gefallen, denn ein deutlich besser gekleideter und offenbar auch besser kämpfender Mann als die Geflohenen versuchte, ihm sein Schwert in die Seite zu rammen. Cuno sprang ebenfalls vom Pferd, griff nach Walters Lanze, die an dessen Sattel befestigt war und versuchte, den Fremden zumindest soweit abzulenken, dass Walter sich wieder wehren konnte. Nach kurzem Ringen hatte der andere Walters Schwertspitze an der Kehle und ließ sein Schwert fallen. „Was soll dieser Wahnsinn?“ fragte der Ritter und sein Gegner antwortete in gebrochenem Deutsch: „Das unser Land. Ihr Sakra Germàn, verdammten Deutschen, nehmt uns Wälder, macht Äcker und dann gehört euch Land. Wir wollen das nicht. Wir verlieren Land.“ „Wer seid Ihr?“ „Ich bin Rytíři Bobdan Rožmitâl, der Herr dieser Wälder!“ „Für mich seid Ihr ein Dieb. Ihr wartet, bis die Siedler das Land urbar gemacht haben, dann tötet ihr sie und nutzt das Land selbst! Bauer“ wandte sich Walter an den verängstigten Siedler, „ Gib mir ein starkes Seil und dann kannst du den gefesselten Bobdan Rožmitâlund seine Spießgesellen zu Graf Weißensee auf Burg Nepomuk bringen – er soll entscheiden!“ Bobdan ließ sich nur mit Mühe fesseln und wehrte sich so verzweifelt, dass Walter selber eingreifen musste. Dann schob ihn Cuno mit der Spitze der Lanze vor sich her ins Freie, wo sich unterdessen die anderen Dorfbewohner und die Thüringer Ritter versammelt hatten. Ein Mann in schwarzer Kutte nahm das Wort: „Ich danke Euch, Ihr Herren. Meine kleinen Gemeinden hier im Wald haben jahrelang bis zur Erschöpfung gearbeitet, um sich hier ihren Broterwerb zu sichern; als Zisterziensermönch hat mich mein Abt hierher beordert, damit ich mit den Siedlern die bestmöglichen Anbaumethoden ausprobiere – und wir waren erfolgreich!“ Die umstehenden Siedler klatschten zur Bestätigung. „Ohne Euch wäre auch diese Rodung verloren, denn den Česka fehlen die Arbeitskräfte, aber nicht der Hochmut. Lasst uns die glückliche Fügung mit einem guten Mahl feiern!“

      Die Frauen des Weilers, von denen keine zu Schaden gekommen waren, genausowenig die Kinder, das Vieh, die Gebäude, beeilten sich, die Worte des Paters umzusetzen. Vor dem Haus, in dem Walter den Ritter gestellt hatte, wurde Glut zusammengetragen, mehrere Hühner und ein Lämmchen mussten den Tag vorzeitig beenden, und selbst das im Weiler gebraute Bier – Wasser, Hefe, Hopfen und Weizen – mundete allen, auch Bobdan, den Cuno mit allem Notwendigen versorgte. Während sich ein kleiner Trupp der Siedler mit den Gefangenen auf den Weg nach Nepomuk machte, richteten die Frauen den Rittern und Knechten ein Nachtlager, denn die waren viel zu müde und aufgeregt, um noch den fehlenden Halbtagesritt bis Pisek hinter sich zu bringen. So blieben sie in dem Weiler und verschoben die Weiterreise auf den nächsten Tag.

      Der brach unerbittlich an, mit Sturm, Regen und Nebel. „Ihr müsst aufpassen, wenn Ihr gegen Mittag nach Pisek kommt – die Stadt liegt in einem Kessel, rundum von Bergen umgeben, und man hat das Gefühl, als würde man in diesen Kessel wie in einen Schlund gezogen“, hatte der Zisterzienser die Ritter noch am Abend ermahnt, „aber es ist nicht einfach, auch für mich als Mann der Kirche nicht, die Stadt zu betreten. König Ottokar hat Pisek befestigen lassen, um den Übergang über die Otava mit einer Brücke abzusichern. Pisek ist eine Königsstadt, das heißt, alle Rechte, die eine Stadt haben kann – auch das Gerichtsrecht – hat Pisek. Die Wachen sind unerbittlich. Das Schreiben von Boleslav Přemysl wird Euch allerdings helfen. Wenn Ihr Herberge sucht, wendet Euch nach dem Putimská-Tor nach Sonnenaufgang, dann kommt Ihr zur Burg. Graf Heinrich, der Statthalter, ist ein Neffe König Johanns, also aus dem Hause Luxemburg. Wenn Ihr Hilfe braucht: das Dominikaner - Kloster liegt direkt neben der Pfarrkirche zur Heiligen Elisabeth am Marktplatz. Pisek ist wichtig, denn hier kontrolliert der Herrscher Böhmens den „Goldenen Steig“-die Leute hier nennen das den Zlatá stezka:im Sand der Otava findet sich viel Gold, das dort herausgewaschen und dann über die Vitava – oder wie Ihr Deutschen sagt, die Moldau –nach Prag weitertransportiert wird.“

      Als sie sich, an einem Nebenfluss der Otava entlangreitend, Pisek näherten, war alles anders als vom Mönch beschrieben: der Bergkessel, in dem Pisek liegen sollte, war in Regen und Nebel verborgen, das Stadttor stand weit offen, die Wachen ließen sie ohne Kontrolle passieren und wiesen ihnen sogar den Weg zur Burg. Die Straßen waren voller Menschen, die unter lautem Jubeln die Straßen auf- und abzogen. Als sie sich schließlich durch die Massen einen Weg gebahnt hatten und vor der Burg standen, erfuhren sie auch den Grund: König Johann hatte an eben diesem Tag der Stadt das Salzrecht gegeben; nun mussten alle, die in Südböhmen Salz brauchten, dieses in Pisek kaufen – es war ein reiches Geschenk. Der Wohlstand würde weiter wachsen und die Bürger noch treuer zum König stehen als bisher schon. Die Ratsherren der Stadt hatten sich schon zum königlichen Statthalter in die Burg begeben, um die Urkunde in Empfang zu nehmen. Als der Erste Magistrat aus dem Tor trat, die gesiegelte Urkunde über den Kopf schwenkend, brandete noch lauteres Rufen auf. „Heute Abend wird aus den Brunnen der Stadt Bier fließen – lasst uns diese Gabe feiern!“ Dann wandte er sich etwas erstaunt den nassen und schmutzigen Reisenden vor ihm zu, deren Kleidung aber doch noch erkennen lies, dass es sich um höheren Besuch handelte: „Meine Herren – was ist euer Begehr?“ „Wir wollen Graf Heinrich sprechen!“ Der Magistrat schickte einen Knappen zurück in die Burg und machte sich mit seinen Begleitern auf zum Marktplatz, wo weiter gejubelt