Silber. Hans.Joachim Steigertahl

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Название Silber
Автор произведения Hans.Joachim Steigertahl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034127



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jetzt für einen sooo guten Menschen! Aber da ich dich kenne: bitte die Alte um etwas Suppe und zieh ab, um Wolf damit zu füttern.“ Cuno sprang auf und ging mit seiner Schale zu den Bediensteten ans Feuer. Noch bevor er um Suppe bitten konnte, war Rebecca neben ihm und fragte völlig verwundert: „Bist Du etwa immer noch nicht satt?“ „Nein, doch, es ist halt so …“ unwohl drehte er sich zu ihr und flüsterte: „Ich habe vor einer Woche ein ganz kleines Wolfsjunges gefunden und es ist schwierig, für es etwas zu essen zu bekommen, da es noch nicht kauen kann, und da dachte ich, die Suppe wäre gut.“ Sie nahm ihm die Schale ab, füllte sie zum dritten Mal, drückte sie ihm in die Hände und befahl: „Geh du voran, du weißt, wo die Trittsteine liegen“, und schob ihn an das Ufer des Baches. Cuno hüpfte hinüber und wurde sofort von dem mauzenden Fellbündel begrüßt, das ihn mit der Schnauze ans Bein stupste, um Zuwendung bettelnd. Cuno schickte die beiden Knechte hinüber und sagte, dass er die Wache übernähme. Als er die Schale auf den Boden stellte, war er für Wolf allerdings nicht mehr von Bedeutung. Der Kleine stand da und schlabberte die Suppe in sich hinein, so schnell er konnte, „Ist der aber putzig!“ „Ja, das fand ich auch, und viel zu schade zum gleich Sterben“, und er erzählte ihr, wie er zu Wolf gekommen war. Während sie zusahen, wie er fraß, hörte man plötzlich von der anderen Seite zum ersten Mal die erhobene Stimme von Tasso von Weinbergen: „Gut, ich werde etwas singen, aber es ist nicht von mir, sondern von Süßkind von Trimberg, einem Glaubensbruder von euch.“ Er hatte vorher schon einen der Knechte zurückgechickt, um die Laute zu holen und fing nun nach einem kurzen Vorspiel mit seiner vollen, für einen Mann relativ hellen Stimme zu singen an:

      „ Ich habe immer von Mannheit, der Tapferkeit, gesungen,

      von maßvollem Leben,

      von Treue und Freigiebigkeit der Ritter und Herren.

      Der Zucht stand ich im Dienste,

      viel mehr als der Minne und dem Schöntun.

      Anstand und Wohlerzogenheit,

      dem Knappen schon beigebracht mit festen Regeln.

      Doch was war mein Lohn?

      Ich bin wahrlich auf einer Narrenfahrt

      mit meiner Dichtkunst.

      Da mich die Herren nicht entlohnen wollen,

      werde ich ihre Höfe meiden

      und werde mir einen langen Bart

      aus grauen Haaren wachsen lassen:

      Nach der Art alter Juden

      werde ich fortan davonziehen.

      Mein Mantel soll bis auf den Boden reichen,

      das Gesicht unter einem Hut verborgen.

      Demütig wird mein Gang sein.

      Und niemals mehr singe ich am Hof,

      da mir die Herren ihre Belohnung vorenthalten.“

      Der Beifall war lauter, als man es von so einer kleinen Runde hätte erwarten können. Tasso dankte, Heinrich von Hohnstein dankte Salomon für seine Gastfreundschaft, versprach ihm für den Morgen ein Schreiben an Eginhard v. Weimar-Orlamünde, den Zeugmeister in Weimar, und ging etwas unsicher auf den Beinen zum Bach hinunter, noch mehr verunsichert durch einen huschenden Schatte, der seinen Weg kreuzte – Rebecca, die schnell noch auf ihre Bachseite zurückgekehrt war, bevor ihre Abwesenheit auffallen konnte.

      Am Morgen brachte Walter den versprochenen Brief hinüber und verabschiedete sich. Die anderen taten es ihm gleich, Das Mädchen steckte Cuno noch einen der leeren Weinschläuche zu. „Ich habe den Rest der Suppe hineingefüllt“, flüsterte sie und drückte seine Hand. Diesmal war sie es, die errötete, bevor sie in einem der Karren verschwand.

      Sie ritten den Bach in seiner Fließrichtung entlang und überquerten ihn dann Richtung Sonnenaufgang, bevor andere Bäche ihn anschwellen ließen. „So“, sagte Walter, „nun sind wir über die Eger und damit raus aus Thüringen. Die ganze Herrschaft Böhmen liegt vor uns, an deren anderen Ende Mähren beginnt; dort, an der Grenze, liegt unser Ziel- ich hoffe, dass wir es in zwei Wochen erreicht haben. Und ich hoffe, dass sich mein Vater richtig erinnert hat, denn auch er war erst einmal bei Boleslav Přemysl.“

      Ausgeruht und gestärkt wie sie waren, stellten sie sich auf lange Tagesetappen ein. Entlang eines anderen Bachbetts stiegen sie bis zur Höhe hinauf, dann an der anderen Seite wieder hinab, durch Wälder, über Wiesen. Das Land menschenarm. Nur hin und wieder ein kleiner Weiler, in dem es Cuno zunehmend schwerer wurde, Milch für Wolf zu bekommen, nicht, weil die Bauern nichts hatten, sondern weil er Schwierigkeiten hatte, sich mit ihnen zu verständigen. Ihr Deutsch war hart und seltsam betont, ihre eigene Sprache, die die Dörfler als „Česka“ bezeichneten, verstand Cuno nicht. Das machte ihm sehr zu schaffen, denn wenn er schon so weit weg seine Knappenjahre abdienen sollte, dann wäre eine andere Sprache, die so seltsam klang, nicht auch noch vonnöten gewesen.

      Zwei Nächte lagerten sie im Freien, am dritten Abend rief sie Walter auf einem Hügelrücken zusammen. Selbst er hatte einen Teil seiner guten Laune verloren: der Weg war lang, und das Wetter wurde zunehmend schlechter. Regenschauer und Sturmböen deuteten auf eine weitere feuchte Nacht hin. Aber als er sie zusammenrief, zeigte er nach Süden und fragte: “Was seht ihr dort auf dem Hügel? Das ist doch eine Burg mit einem Bergfried, der von einer Kuppel gekrönt ist, oder? Und wenn es so ist, dann sind wir endlich in Nepomuk – Vater hat von Küche und Keller dort geschwärmt, und trockene Schlafstellen gibt es allemal in der großen Halle!“ Er drückte seinem Pferd die Hacken in die Seite und preschte den Hügel hinunter, um an der anderen Seite wieder den Aufstieg zu machen. Die anderen folgten ihm, angesteckt von der Hoffnung auf eine gute Nacht.

      In Sichtweite des Burgtores lies sich Walter von einem der Knechte seine Lanze mit dem wappengeschmückten Wimpel reichen und ritt vor die verschlossene Zugbrücke. „Heinrich von Hohnstein, Sohn des Cuonrad von Hohnstein, erbittet für sich und seine Begleiter ein Quartier für die Nacht.“ „Wo kommt ihr her und wo wollt ihr hin?“ fragte eine deutsche, aber brummige Stimme aus der Wachstube. „Wir sind vor drei Tagen über die Eger und wollen zu BoleslavPřemisl – gib deinem Herrn, dem Grafen von Weißensee Bescheid!“

      Es dauerte einige Minuten, bis die Zugbrücke sich senkte, das eiserne Gatter hochgezogen wurde und ein älterer Ritter unter dem Torbogen sichtbar wurde. „Willkommen auf Nepomuk“ rief dieser und begrüßte Walter mit „Ganz der Vater!“. Walter stieg mit seinen Gefährten von den Pferden, stellte sie dem Grafen vor und dankte für die Gastfreundschaft. Weißensee geleitete sie zur Halle und trug zwei Stallburschen auf, die herbeigelaufen waren, als sich die Zugbrücke quietschend senkte, die Pferde in den Stall zu bringen, abzusatteln, abzureiben und zu füttern.

      Nachdem sie die Stufen zur Halle hinaufgestiegen waren, krumm und lahm vom langen Ritt, begrüßte sie der Sitte gemäß die Hausherrin mit Brot und Wein und bat sie, Platz zu nehmen. Die fünf Männer setzten sich zum Grafen an die erhöhte Tafel, Cuno suchte sich eine Ecke, in der er Wolf absetzten konnte, ohne dass es allzu sehr auffiel. Der Kleine war in der kurzen Zeit seit der Attacke durch das Wolfsrudel sichtbar gewachsen und zeigte deutlich, dass er ein Wolf war. Die Schnauze spitz mit ersten kleinen Zähnen, der Körper gedrungen, wie es bei Welpen üblich war, nur die Rute war ganz ungewöhnlich buschig. „Ist der putzig!“ hörte Cuno eine Frauenstimme neben sich. Als er aufschaute, sah er die Gräfin, die, den leeren Weinkrug in der Hand, auf dem Weg zur Küche war. „Lass ihn hier in der Ecke, ich bringe ihm eine Schale Milch. Setz‘ du dich zu den Männern, für dich gibt es gleich einen Krug Wasser.“

      Als Cuno an die Tafel trat, begann Weißensee gerade zu berichten: „Ihr wisst, dass der letzte böhmische König aus der Familie der Přemisliden, König Wenzel, vor einer Generation in Olmütz ermordet wurde. Immer wieder hatte er wie seine Väter vor ihm versucht, Böhmen auszudehnen und als unabhängiges Reichsland zu erhalten. Nach seinem Tod wollten sowohl die polnischen Könige als auch die österreichischen Habsburger Böhmen in ihre Ländereien eingliedern. Da heiratete Wenzels Schwester Elisabeth Graf Johann von Luxemburg, der ja auch schon Friedrich von Thüringen geholfen hatte, sein Land frei zu halten, wie ihr“ – und er schaute Gernot und Cuno an „ mit eurer Familie selbst erfahren habt. Seit einigen Jahren