Silber. Hans.Joachim Steigertahl

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Название Silber
Автор произведения Hans.Joachim Steigertahl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034127



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Wünsche. Wenn ihr erlaubt, möchte ich fragen, wer ihr seid und was euch hierherführt.“ Da Walter noch bei den Silberwäschern war, antwortete Bodo von Schwarzburg als der erhabenste der Anwesenden: „Wir sind eine Gruppe thüringischer Ritter aus der Gegend von Nordhausen, die diesen Knaben“, er wies auf Cuno, „als Kappen zu BoleslavPřemisl nach Iglau bringen.“ „Dann freue ich mich, dass ich sowohl Herren treffe, die dort herkommen, wo ich hin will, und gleichzeitig Herren, die meinen guten Geschäftspartner BoleslavPřemisl bald treffen werden. Wenn Ihr nichts anderes vorhabt, würde ich Euch gerne zum abendlichen Mahl einladen – ihr seht, dass meine Magd bereits reichlich Essen vorbereitet!“ Die Genannte erwachte aus ihrer Starre und begann, ein neben dem Feuer liegendes, schon gehäutetes Zicklein auf einen Spieß zu stecken um es zu grillen. Bodo schaute in den Kreis der Ritter, und da alle nickten, dankte er für die Einladung und sagte das Kommen bei Einbruch der Dunkelheit zu. Der Mann am anderen Ufer verbeugte sich und gab der Magd weitere Anweisungen, während zwei weitere Frauen und fünf oder sechs Knechte aus den Karren stiegen und begannen, eine Tafel vorzubereiten, gedeckt mit schwerem Tuch und metallenem Geschirr. Während die zwei Knechte begannen, für alle ein Zelt aufzubauen, denn es sah zum ersten Mal seit sie Kloster Himmelgarten in Nordhausen verlassen hatten aus, als ob es bald stark regnen würde, fragte Cuno seinen Bruder Gernot, was das für seltsame Menschen seien. „Das ist – wie du am Namen schon hörst – ein jüdischer Händler, einer von denen, die Silber aufkaufen und dafür Wein, Edelsteine und Gewürze liefern. Sie stehen eigentlich unter dem Schutz des Kaisers, aber wenn – wie nun schon viele Jahre – kein wirklicher Kaiser da ist, steht es um ihren Schutz nicht allzu gut. Und da sie mit ihrem Handel viel Geld verdienen, gibt es natürlich viele Neider, die sich gern holen würden, was ihnen nicht gehört. Wir hatten in Steigerthal mal einen jüdischen Viehhändler, der natürlich versucht hat, für sich so viel wie möglich herauszuholen, aber er hat nie betrogen und immer pünktlich bezahlt. Und dann hat er den Herren von Buchholz – du weißt, die Burg einen Tagesritt nördlich von Steigerthal – Geld geliehen, mit dem sie ihre Wehrmauern erneuert haben. Und auf dem Weg dorthin, um die verliehene Summe und die Zinsen wieder zu holen, verschwand er. Nie fand man ihn oder seinen Karren. Die Buchholzer haben allerdings ein „gutes Geschäft“ gemacht.“ „Ist der Herschel deshalb so freundlich, fast unterwürfig?“ „Klar! Wir sind Ritter, Edle; er ist Jude. Wenn er nicht auf seine Freundschaft zu Boleslav Přsymel oder Landgraf Friedrich bauen kann, ist sein Leben nichts wert und sein Besitz verloren!“ „Was ist eigentlich ein Jude?“

      Günter von Schwarzburg, der die Frage gehört hatte, lachte laut auf: „Gut, dass du uns fragst, und nicht Tasso! Der würde dir jetzt das lange Lied von den vertauschten Ringen singen, bis dir alles zu den Ohren rauskommt!“ Tasso von Weinbergen, der in Hörweite sein Lager vorbereitete, grinste schief. „Kommt schon noch, die Reise ist noch lang!“ „Also“ setze Alexander wieder an, „die Juden haben unseren Herren Jesus Christus hinrichten lassen, weil sie glauben, dass ihr Gott Jahwe der wahre Gott ist. Weil sie sich dann gegen die Römer aufzulehnen versuchten, wurden die Juden von den Legionen des römischen Kaisers aus Palästina- das ist da, wo alle Kreuzzüge hin wollen – verjagt, so dass sie jetzt überall als kleine Gemeinden zu finden sind. Sie dürfen kein ehrliches Gewerbe betreiben und kein Amt übernehmen. Deshalb bleibt ihnen nur der Handel als Broterwerb. Man sagt ihnen viele komische Dinge nach, aber mir geht es wie Gernot: die Juden, die ich kennengelernt habe, waren auch nicht schlechter als unsereins – ein bisschen eigen eben.“

      Als sich die Sonne den Hügelkuppen im Westen näherte, rief der alte Jude hinüber, dass das Mahl gerichtet sei. Die Ritter und Cuno überquerten den Bach auf ein paar über den Wasserspiegel hinausragenden Steinen und wurden zu Tisch gebeten.

      Die Tafel war so gestellt, dass alle auf den Bach schauen konnten; an der einen Seite saßen Walter und Bodo in der Mitte, links davon Alexander und Tasso, rechts Gernot und Cuno. Ihnen gegenüber der alte Jude in der Mitte, rechts und links zwei kräftige junge Männer, ebenfalls mit Schläfenlocken, am linken Ende eine schüchterne junge Frau und am rechten Ende, Cuno gegenüber, ein junges Mädchen, etwa in seinem Alter, mit langen schwarzen Locken und schwarzen Augen in einem blassen Gesicht. Im Gegensatz zu der jungen Frau schaute sie keck umher und betrachtete die Gäste ausführlich. Als Heinrich von Hohnstein sich und seine Freunde vorstellte, musterte sie besonders Cuno gründlich, dem dabei gar nicht wohl war!

      Dann stellte Salomon die Seinen vor: seine beiden Söhne Schmul und Jacob, Sara, die Frau von Jacob und seine Enkelin, die Tochter von Schmul und Eva, Rebecca. Seine Frau und Eva waren in Prag angeklagt worden, Hexen zu sein. Die Inquisition hatte die Gelegenheit genutzt, ihre Macht zu zeigen und Juden in die Schranken zu weisen, obwohl doch der Kaiser die Juden zu seinen Schützlingen erklärt hatte. Beide wurden verurteilt und öffentlich verbrannt, Rebecca entging nur knapp dem gleichen Schicksal, weil sie sich bei einem Vetter versteckt hielt.

      Da hatte Salomon Herschel die Flucht ergriffen, denn der Streit über die Herrschaft von Böhmen zwischen Jan von Luxemburg, dem Gatten Elisabeths, der letzten aus dem Hause Przemysl, und den Habsburgern als Grafen von Österreich hatte die Lage in Prag noch verschlechtert. Deshalb hatte Salomon alles Hab und Gut verkauft und sich mit seiner Familie auf den Weg nach Thüringen gemacht, wo er hoffte, unter dem Schutz des Hauses Wettin sicherer leben zu können, bewacht von 10 schwerbewaffneten jüdischen Knechten, die sich nun – weil christliche Ritter zu Gast waren - unbewaffnet rund um das Feuer auf Holzklötzen zur Magd gesetzt hatten.

      „Wir haben den Weg von Prag hierher fast ohne Pause zurückgelegt, deshalb sind wir froh, wieder einmal richtig zu essen. Lasst es euch als unsere Gäste schmecken.“ Mit diesen Worten winkte er der alten Magd, die für jeden eine irdene Schale brachte, in die sie von der Suppe geschöpft hatte, die sie seit Stunden kochte. Salomon sprach ein kurzes Gebet und alle griffen zu den Löffeln, denn auch die Thüringer hatten längst Hunger bekommen.

      Verblüfft schauten sie nach dem ersten Löffel auf. „Das ist keine Suppe, sondern ein paradiesisches Gericht“ sprach Heinrich von Hohnstein für alle. „Was ist das?“ Die ganze Händlerfamilie lächelte, auch Rebecca, und Sara antwortete für ihre Seite: „Es ist eine Suppe, die wir eigentlich immer am Schawuot, ihr Christen nennt es Pfingsten, kochen und deshalb waren wir wirklich froh, als ihr euer Lager gegenüber aufgeschlagen habt, denn zu Schawuot teilt man das Mahl mit Nachbarn und Freunden. Deshalb hat Marja, unsere alte treue Magd, auch eine solche Menge gekocht – man weiß ja nie, wieviele Gäste kommen! Was es ist, habt ihr gefragt“ und sie war so in ihrem Element, dass sie gar nicht mehr verschüchtert wirkte und Hohnstein offen anschaute, „Schawuot ist das Fest der Weizenernte, und deshalb ist Weizen das Wichtigste in der Suppe, Damit sie aber Geschmack bekommt, wird der Weizen vorher in Honig angeröstet und dann mit Brühe aufgefüllt, in der vorher lange Rinderhüften gekocht wurden. Dann kommen Lauch, Zwiebeln, türkischer Kümmel, Minze und Rosinen dazu, am Schluss feingeschnittenes Fleisch vom vorher in der Brühe gekochten Rind.“ Während sie noch erklärte, hatte Cuno seine Schale schon geleert und eine grinsende Rebecca ging ihm Nachschub holen. Er bedankte sich und ließ schnell den Kopf sinken, damit sie nicht sehen konnte, dass er rot geworden war – es ärgerte ihn immer, aber er wusste nicht, wie er es verhindern könnte.

      Als auch die anderen ihre Schalen geleert hatten, brachte die alte Marja das Zicklein, das sie vorher gegrillt hatte; Salomon verteilte das Fleisch, brach das ungesäuerte frisch gebackene Brot und lies den Korb herumgehen. Dann holte Schmul aus einem der Karren Becher und einen Weinschlauch, stellte Becher vor die Männer und goss dunkelroten Wein ein. „Zum Wohlsein! Und bevor ihr fragen müsst: Es ist Malvasier von der Insel Kreta…“ Der schwere, süße Wein passte hervorragend zum knusprigem Ziegenfleisch und es dauerte nicht lange, bis Schmul den nächsten Weinschlauch holen musste.

      Die Knechte und die alte Marja hatten ein zweites Zicklein gegessen. Der Wein blieb allerdings an der Tafel. Als das Feuer eigentlich nur noch Glut war, legte die Alte ein großes, rundes Blech darauf und verstrich einen dünnen Teig mit einem Holzlöffel; der Duft von Pfannkuchen war bald nicht mehr zu verkennen, Marja strich eine braune Masse auf den Pfannkuchen, nahm ihn aus der Glut, rollte ihn zusammen und schnitt dann Streifen ab, die sie allen auf ihre Schalen legte: Pfannkuchen-Roulade mit Feigencreme.

      Gesättigt, fingen beide Gruppen an zu berichten und zu diskutieren, über alles außer Religion! Cuno wurde es langweilig