Anne und die Horde. Ines Langel

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Название Anne und die Horde
Автор произведения Ines Langel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738051940



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flüsterte das Wesen. „Glänzeding. Feines Glänzeding.“

      Anne schluckte. Das Wesen konnte sprechen. Seine Stimme klang hell und ein bisschen näselnd. Das machte Anne noch ein bisschen mutiger. Wenn das Wesen sprechen konnte, war es auch möglich, sich mit ihm zu verständigen. Aber dazu musste verhindert werden, dass es weglaufen konnte. Gerade streckte das Wesen die Pfote nach dem Glöckchen aus, da nahm Anne sich ein Herz, schoss hoch, riss die Decke von sich und warf sie über den Eindringling. Dann sprang sie aus dem Bett und warf sich selber über ihn. Das Wesen unter ihr gab panische Laute von sich. Fast hatte Anne Mitleid mit ihm, doch diese Regung verging schnell, als ihr bewusst wurde, dass sie den Kompassdieb vor sich hatte. Jetzt zog sie die Decke noch fester zu. Als sie sicher war, dass der Eindringling nicht entkommen konnte, tastete sie nach dem Schalter der Nachttischlampe. Ihre Augen mussten sich erst an das Licht gewöhnen. Blinzelnd betrachtete sie den Haufen. Das Wesen rührte sich nicht. Nichts deutete darauf hin, dass unter der Bettdecke etwas Lebendiges lag.

      „Hallo“, sagte Anne.

      Keine Antwort.

      „Hallo“, sagte sie noch mal.

      Immer noch keine Antwort.

      „Ich weiß, du bist da drinnen, und ich weiß, du kannst sprechen.“

      „Uijuijuijui“, sprach es unter der Bettdecke. „Uijuijui, das geht doch nicht, nein, nein, wirklich nicht.

      Das Wesen klang verzweifelt.

      „Ich will meine Sachen wieder haben, klar? Vor allem meinen Kompass“. Anne bemühte sich, streng zu klingen, war sich aber nicht sicher, ob ihr das gelang. Das Wesen antwortete nicht, schien gar nicht zuzuhören, sondern fing an, mit sich selber zu sprechen.

      „Hohlkopf. Zankintos Hohlkopf. So dumm, so dumm. Uijuijui, schlimme Sache. Viel zu warm hier. Zankintos keine Luft kriegen. Uijuijui.“

      Anne lauschte der dumpfen Stimme. Dann begriff sie.

      „Zankintos? Heißt du Zankintos?“

      Der Gefragte antwortete nicht. Anne wartete ungeduldig.

      „Zankintos. Das ist doch dein Name?“

      Zuerst blieb es weiter still. Dann fragte das Wesen schüchtern:

      „Woher du wissen?“

      „Du hast mit dir selber geredet.“

      „Ach“, kam es aus der Decke. „Zankintos Hohlkopf.“

      „Nein, bist du nicht“, sagte Anne, die gerne etwas Nettes sagen wollte. Irgendwie rührte sie ihr Gefangener. „Aber du bist ein Dieb.“

      „Stimmt nicht“, kam die Antwort.

      „Du hast meinen Kompass geklaut“, sagte Anne streng.

      „Ich bezahlt haben, immer Erdnüsse dagelassen.“

      „Das ist doch keine richtige Bezahlung. Mein Kompass ist viel mehr wert als deine drei Nüsse. Außerdem ist es nur dann kein Diebstahl, wenn ich einverstanden bin. Aber du hast ja nicht mal gefragt.“

      Darf Zankintos doch nicht“, sagte Zankintos beleidigt, „Darf nicht sprechen mit Menschen, nie, nie, nie.“

      „Tja“, meinte Anne, „gerade sprichst du mit einem Menschen.“

      „Uijuijuijui.“

      „Ach hör doch auf. Sag mir lieber, wo mein Kompass ist.“

      „Geht nicht“, sagte Zankintos zerknirscht.

      „Klar geht das.“

      „Nein, geht nicht“, kam prompt die Antwort. Und dann: „Zankintos Hohlkopf. Saudummer Heinzel.“

      „Hör zu“, sagte Anne, die langsam die Geduld verlor, „du sagst mir jetzt, wo mein Kompass ist oder ich tu dir weh, klar?“

      „Geht nicht, geht nicht.“

      Anne zog die Bettdecke enger um ihren Gefangenen und drückte zu. Dabei sagte sie immer wieder:

      „Wo ist der Kompass, wo ist der Kompass, wo ist der Kompass?“

      Zu Anfang hatte das Wesen noch gestrampelt. Doch nun lag es ganz still. Anne erschrak. Sie horchte.

      „Was ist mit dir?“, fragte sie.

      „Luft“, kam die Antwort.

      „Was?“, fragte Anne.

      „Krieg keine Luft.“

      Wie zur Bestätigung hustete der Gefangene.

      Anne erschrak. Was sollte sie tun? Sie hatte nicht vor, das Wesen zu ersticken oder ihm wirklich weh zu tun.

      „Also gut“, sagte sie. „Ich werde dich raus lassen – unter einer Bedingung: Ich kriege meinen Kompass zurück.

      „Uijuijui. Geht doch nicht. Na gut. Muss gehen. Versprochen“, sagte Zankintos mit trauriger Stimme.

      Anne zog die Bettdecke vorsichtig zur Seite und erstarrte. Zakintos hatte Ähnlichkeit mit einem Affen, war aber kein Affe. Auf seinen großen runden Kopf saßen die Ohren wie bei den Katzen obenauf. Noch eindrucksvoller als die kleine runde Nase und der weiche Mund waren die großen, meerblauen Augen mit langen Wimpern. Zankintos war kaum größer als 50 Zentimeter. Sein ganzer Körper war mit dunkelbraunem Fell bedeckt. Es sah so weich aus, dass Anne ohne zu überlegen die Hand ausstreckte, um es zu streicheln. Zankintos sah sie mit großen Augen an.

      „Du bist so weich“, sagte Anne.

      Zankintos entspannte sich. Er zog dabei seinen langen, schwarz-weiß geringelten Schwanz nach vorn. Mit der linken Hand – er hatte wirklich Hände und keine Pfoten - hielt er ihn umklammert, während die Finger der rechten mit der Schwanzspitze spielten.

      „Bist du sehr böse auf mich?“

      Anne nickte und versuchte ein grimmiges Gesicht aufzusetzen. Zankintos Augen füllten sich augenblicklich mit Tränen.

      „Uijuijuijui, Oh jemine, uijuijui“, heulte er.

      Anne sah ihn verständnislos an.

      „Was hast du denn gedacht? Du brichst in unsere Wohnung ein und klaust unsere Sachen. Ist doch klar, dass ich nicht glücklich darüber bin.“

      „Hab doch bezahlt.“

      „Mit Erdnüssen, die nichts wert sind. Und ich habe dir auch erklärt, dass man fragen muss, wenn man etwas haben will.“

      Zankintos wischte mit der Schwanzspitze über die Augen.

      „Kann aber doch niemanden fragen.“

      „Warum nicht?“

      „Darf nicht reden mit Menschen.“

      „Sagt wer?“

      „Zucker.“

      „Wer?“, fragte Anne.

      „Oberster Bruder.

      „Dein ältester Bruder heißt Zucker?“

      „Ist nicht mein Bruder, ist ältestes Hordenmitglied. Kennt sich

      aus mit den Menschen. War dabei, als Schneidersfrau Erbsen

      ausstreute, um Heinzel zu fangen.“

      „Die Schneidersfrau?“, Anne verstand kein Wort.

      „Wie in altem Gedicht“, meinte Zankintos, zog einen Zettel aus dem Beutel, der um seinen Hals hing und gab ihn Anne. In schnörkeliger Schrift stand da geschrieben:

      Neugierig war des Schneiders WeibUnd macht` sich diesen Zeitvertreib:Streut Erbsen hin die andre Nacht.Die Heinzelmännchen kommen sacht;Eins fährt nun aus, schlägt hin im Haus,Die gleiten von Stufen und plumpsen in Kufen,Die fallen mit Schallen,Die lärmen und schreienUnd vermaledeien.Sie springt hinunter auf den SchallMit Licht: husch, husch,verschwinden all. Anne erinnerte sich, das Gedicht schon mal