Adda Fried. Angelika Nickel

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Название Adda Fried
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847680901



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da, wo sie sich ihrer entledigt hatte.

      Aus der Reisetasche zog sie sich saubere Wäsche und schlappte zum Bad.

      Von der Küche roch es hoch bis zu ihr. Der Geruch von gebratenem Speck stieg ihr in die Nase. Noch wusste sie nicht, ob sie sich darüber freuen, oder sich davor, angesichts ihres miserablen Zustands, ekeln sollte. Wie auch immer. Dennoch freute sie sich, dass Kolasa schon jetzt an ihre Mägen dachte, und zu solch früher Stunde, damit beschäftigt war, für seine Gäste Frühstück herzurichten.

      Nach dem gemeinsamen Frühstück hatten sie vor, aufzubrechen.

      Das Frühstück war reichlich, und Adda hatte sich nicht zurückhalten können und stattdessen, entgegen ihrem eigentlichen Vorsatz, mit gutem Appetit zugeschlagen, trotz ihrer Zahnschmerzen. Allerdings hatte sie es vorgezogen, auf der linken Seite zu kauen, und die andere zu schonen.

      In Kolasas rotem Fiat Polski fuhren sie zur Leichenhalle. Dorthin, wo das Mordopfer hinter einer der Kühltüren lag, wie Adda sich vorstellte, die Tote vorzufinden.

      »Sag, Kolasa, bist du sicher, dass wir die richtige Strecke fahren?«, fragte Braun verwundert, da sie sich, seiner Meinung nach, immer mehr von der Zivilisation entfernten. Um sie herum gab’s nur noch dichtes Baumgehölz, und auch die Straße erwies sich als immer holpriger, und verdiente Brauns Meinung nach, auch bei Weitem nicht mehr, mit Straße bezeichnet zu werden.

      Der Major warf einen belustigten Blick zum Kommissar. »Vertrau‘ mir, Kollege deutscher Kommissar. Ich weiß schon, wohin wir müssen.«

      »Also, wenn du mich fragst, Kollege Major, teile ich Edgars Meinung. Du fährst uns ja ins hinterste Nirgendwo«, meldete sich Adda zu Wort, die immer noch unter ihren Zahn- und Rückenschmerzen litt. Wenigstens hatte das Kopfweh nachgelassen.

      »Ihr zwei habt gar keine Ahnung, was es bei uns im hintersten Nirgendwo, alles zu finden gibt«, lachte Kolasa und drehte das Radio an, um auch gleich beim erstbesten Song mitzusingen.

      »All zu dolle wird’s schon nicht sein«, murmelte Adda und schaute wieder zum Fenster hinaus. Nur mehr, als Bäume über Bäume, und eine unasphaltierte Straße vor ihnen, gab das Bild nicht her.

      Nach weiteren geschätzten dreißig Minuten, die Braun und Adda wie eine kleine Ewigkeit vorkamen, hatten sie ihr Ziel endlich erreicht.

      Kolasa steuerte seinen Fiat auf eine große, kalt wirkende Halle zu, um auch gleich darauf, vor ihr anzuhalten. »Wir sind da«, rief er laut und löste seinen Sicherheitsgurt.

      Vor dem Auto schauten die deutschen Kommissare sich verwundert um.

      »Hier an diesem verlassenen Ort, habt ihr eure Leichenhalle?«, wunderte Braun sich.

      »Warum nicht? Wer hat’s schon gerne mit Toten zu tun. Von daher hat es sich angeboten, das Leichenschauhaus nach hierher zu verlegen.« Dankend nahm er den angebotenen Zahnstocher an. »Vor einigen Jahren war’s noch mitten in der Stadt gewesen. Doch da haben sich die Leute beschwert, weil sie die Toten nicht in ihrem nahen Umfeld haben wollten. Hatten sogar eine Petition an den Bürgermeister geschrieben; und aus war’s mit den Toten in der Stadt. Der Bürgermeister schlug dieses, seinerzeit leerstehende Fabrikgebäude vor«, er zeigte auf die Halle vor ihnen, »und die Bevölkerung war zufrieden. Als er auch noch die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte, um das Gebäude zur Leichenhalle, und allem, was es dazu brauchte, herzurichten und umzubauen, war das Ding unterm Hammer, und die Toten bekamen hier ihre letzte Anlaufstelle«, erklärte Kolasa ihnen. Wieder schlich sich ein breites Grinsen zu seinen Mundwinkeln hin. »Somit war jeder zufrieden, und den Toten kann es ohnehin gleich sein, wo man sie am Ende seziert, sofern dies vonnöten sein sollte. Ansonsten«, er winkte ab, »ist alles so, wie es sein muss, um dass auch jeder einigermaßen zufriedengestellt ist.« Mit einem Blick auf seinen Fiat, ergänzte er: »Was mich betrifft, mir ist es auf diese Art ohnehin lieber. An diesem Ort habe ich wenigstens keinen Stress mit dieser verdammten Parkplatzsucherei.«

      Jetzt vergrub sich auch in Brauns Gesicht ein Lächeln, und er nickte Kolasa verständnisvoll zu. Ja, das mit dem Parkplatzsuchen, das kannte er nur zu gut. Auch ihm war es ein Graus, immer dann, wenn er zu einem neuen Tatort gerufen wurde. Nur weil er sein Kommissar im Einsatz Schild hinter die Frontscheibe klemmen konnte, garantierte dies ihm trotz allem keinen sicheren Parkplatz.

      10 – Leichenschauhaus via Jahrmarkt

      Auf Stille, maximal durch das Kreischen einer Knochensäge unterbrochen, gefasst, betraten die Drei das Leichenschauhaus.

      Gemurmelte Wortfetzen streiften ihre Ohren, während Menschen wie aufgescheuchte Hummeln, hin und her huschten.

      Verwundert drehte Adda den Kopf in Richtung des Majors. Fragend war ihr Blick, und skeptisch obendrein. »Bist du sicher, Herr Major, dass wir hier richtig sind? Mich erinnert das eher an einen Jahrmarkt, als an eine Leichenhalle.«

      Doch Kolasa ging es nicht anders, als den anderen beiden Kommissaren. Auch er blieb verwundert stehen. Suchend schickte er seinen Blick über die Köpfe der Menschen hinweg, die aufgeregt durch die Halle eilten. Als er ihn endlich unter all den Menschen ausmachte, hob er die Hand und schrie aus vollen Lungen: »Karel, hier bin ich. Ich, Kolasa!«

      Der Mann jedoch bemerkte den Major nicht, noch, dass er ihn hörte.

      Kolasa machte den beiden Kommissaren Zeichen, und sie folgten ihm, hin zu dem Pathologen, den Kolasa, nachdem er ihn in der Menschenmenge erspäht hatte, auch nicht mehr aus den Augen ließ.

      Hinter einem hageren Mann, Ende vierzig, mit schütterem Haar, schulterlang und strohblond, blieben sie stehen.

      Adda schickte ihren Blick auf das Haar des Mannes. Ausgedünnt wirkte es. Auch entging ihr nicht der Anflug einer lichten Stelle, die sich kreisförmig auf dessen Hinterkopf ausbreitete.

      Kolasa schlug dem Mann leicht auf die Schulter.

      Erschrocken drehte er sich um. Als er in das Gesicht des Majors blickte, nahm seine Miene einen beinahe verzweifelten Ausdruck an. Er wusste, für Kolasa brauchte er Zeit. Punkt genau wollte der immer alles wissen. Und Zeit zum Reden, schien er überdies noch im Überfluss zu haben. Nicht aber der Gerichtsmediziner. Und heute schon gar nicht, bei all der Arbeit, die, sogar bis auf den Boden hin ausgebreitet, noch vor ihm lag.

      »Karel, was ist denn hier los?«, wollte Kolasa von Karel Bobrowski wissen. Den Gerichtsmediziner kannte er noch von der Schulbank her.

      Der ältere Mann winkte ab. »Hör‘ mir bloß auf, Kolasa. Du hast dir heute den ungeschicktesten Zeitpunkt überhaupt, ausgesucht.«

      »Womit du mir immer noch nicht gesagt hast, was heute hier los ist. Dermaßen voll war es bei dir doch noch nie. Zumindest nicht bisher.«

      »Nerv‘ mich nicht, Major. Ich hab echt keine Zeit für dich und deine Plaudereien.« Bobrowski wollte sich abwenden, doch der Major hielt ihn an der Schulter fest. »Ich bin auch nicht gekommen, um mit dir Smalltalk zu halten, sondern um den beiden«, er deutete auf Adda und Braun, »das deutsche Mordopfer zu zeigen.«

      Erst in diesem Augenblick fiel dem Gerichtsmediziner auf, dass der Major nicht alleine gekommen war. »Bist dienstlich hier, heute.« Ein trauriges Grinsen umflog seine Mundwinkel. »Das ist etwas anderes. Da muss ich mir ja wohl Zeit für euch nehmen, auch wenn ich eigentlich gar keine hab‘.« Der Mann hielt zuerst der Frau, anschließend dem Mann die Hand zum Gruß hin.

      Nach kurzem Vorstellen bat er sie, ihm zu folgen.

      Adda und Braun mussten auf dem Weg dorthin, über schwarze Leichensäcke steigen, mit denen der Boden der Leichenhalle übersät war.

      »Eine Massenkarambolage auf der Autobahn«, erklärte Karel ihnen, auf ihre fragenden Blicke hin. »Und jeden Augenblick kommen neue Opfer hinzu.« Er strich sich mit fahrigen Fingern über die Stirn. »Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll. Jeden von ihnen muss ich mir ansehen. Nur wann, frage ich dich, Kolasa, wann?«

      »Wie ich dich kenne, Karel, machst du