Adda Fried. Angelika Nickel

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Название Adda Fried
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847680901



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es sich Kolasa bereits gedacht hatte, schüttelte sein Untergebener auch dieses Mal nur mit dem Kopf.

      »Wie hätt’s auch anders sein können.« Er stand auf. »Ist die Leiche noch am Tatort, oder muss ich in die Gerichtsmedizin?«

      »Gerichtsmedizin«, antwortete der Mann knapp.

      »Gut, fahre ich eben zu den Leichenaufschneidern. Und Sie, Leutnant, sehen zu, ob es nicht doch noch jemanden gibt, der etwas beobachtet hat, womit wir auch etwas anfangen können.«

      »Chef, Major, es war Wochenende, was, wenn es ein Ausländer war, der die Tote bei uns abgelegt hat?«

      »Sie deuten an, dass der Tatort wo ganz anders gewesen sein könnte«, brummte der Major. »Das zeigte den Fall in einem völlig anderen Licht.«

      Damir Groskow krauste die Stirn. »Was wollen Sie damit sagen, Major Kolasa?«

      »Dass es durchaus sein kann, dass wir mit der Polizei aus einem anderen Land zusammenarbeiten müssen. Doch das muss sich erst noch herausstellen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege. Ich will der Gerichtsmedizin nicht vorgreifen, von daher, vertagen wir weitere Mutmaßungen darüber auf später.« Ohne ein weiteres Wort rauschte er an Groskow vorbei. Im Hinausgehen schnappte er nach seiner Jacke, und hoffte, dass seine alte Karre ihm diesmal gnädig gesonnen war und auch anstandslos ansprang. Er hatte das Auto noch nicht sehr lange, dafür umso mehr Ärger, seit er es hatte.

      Wie oft schon hatte er später kommen oder früher gehen müssen, nur weil diese Schrottlaube einfach machte, was sie wollte. Einen Mercedes hätte ich mir kaufen sollen, damit wäre ich sicherlich besser gefahren, überlegte er, während er zu seinem roten Polski Fiat eilte.

      Dass er über den neuerlichen Frauenmord vergessen hatte, sein zuvor geführtes Telefonat zu beenden, kam ihm nicht in den Sinn.

      3 – Hedwig Hahnbügels Angst

      Ohne Brauns Herein abzuwarten, stürmte Alfred Krämer ins Büro seines Vorgesetzten. »Edgar, sei so gut und komm einmal rüber in mein Büro.«

      Braun, der am Telefonieren war, sah unwirsch auf, während er in den Telefonhörer sagte: »Traudel, wart‘ mal bitte einen Augenblick. Krämer will etwas von mir.« Er schaute recht ungehalten zu Krämer hin. »Alfred, siehst du nicht, dass ich telefoniere!«

      »Es ist aber wichtig, Chef.«

      »Dann komm doch auch endlich zur Sache.« In den Hörer hinein, wiederholte er nochmals »Einen Augenblick.«

      »Du musst rüberkommen. Bei mir sitzt eine Frau, die meldet ihre Tochter als vermisst.«

      »Ich bitte dich, Alfred, was willst du da von mir? Schick sie in die Abteilung für Vermisste. Mit uns hat das nichts zu tun.« Braun wollte sich wieder seinem Telefonat zuwenden, als er erneut durch Alfred Krämer unterbrochen wurde. »Nein, du verstehst nicht. Die Frau bei mir, das Alter der Vermissten, es passt alles auf unseren Frauenmörder. Auf die Opfer von dem Kerl.« Nervös stand er da und trommelte mit den Fingern gegen seine Brust.

      Kommissar Edgar Braun stutzte. »Bist du dir sicher?«

      »Ziemlich sicher, sogar.«

      »Traudel, ich muss Schluss machen. Es kann sein, dass wir im Fall unseres Serienkillers eventuell eine Spur haben.« Der Kommissar legte auf und ging mit Krämer hinüber in dessen Büro. Als er die niedergeschlagene ältere Frau an Krämers Tisch sitzen sah, stellte er sich vor: »Guten Tag, Kommissar Edgar Braun. Leiter der hiesigen Mordkommission. Wie mir mein Kollege sagte, vermissen Sie Ihre Tochter.« Er reichte der Frau die Hand zum Gruß.

      »Ach, Herr Kommissar, es ist alles dermaßen schrecklich. Hilde und ich, wir waren vor ein paar Tagen zum Essen verabredet, aber sie ist nicht gekommen; und seit der Zeit habe ich auch nichts mehr von ihr gehört.«

      Braun betrachtete die Frau auf dem Stuhl genau. Auf Mitte sechzig, schätzte er sie. Er überlegte kurz, wie alt ihre Tochter wohl sein könnte, und kam zu dem Schluss, dass Krämer womöglich Recht haben, und die Vermisste tatsächlich ins bisherige Opferprofil passen könnte.

      Braun zog sich einen Stuhl herbei und setzte sich neben die Frau. »Wenn ich Sie bitten dürfte, uns etwas mehr über Ihre Tochter zu erzählen. Wie alt sie ist, wie sie aussieht, was sie beruflich tut, und all das, was für uns vonnöten ist, und, was wir über sie wissen müssten«, forderte er die Frau auf.

      Die ältere Frau zupfte nervös an ihrem Taschentuch herum. »Meine Hilde, ich glaube, sie hat einen Mann kennen gelernt.« Sie schüttelte den Kopf. »Das passt gar nicht zu ihr.« Ihre Augen wurden glasig; Braun bemerkte die Tränen, die sich darin bildeten.

      Krämer räusperte sich. »Wie alt ist, Ihre Tochter genau, Frau …?«

      »Frau Hahnbügel. Hedwig mit Vornamen«, stellte die Frau sich erst jetzt den beiden Männern vor. »Meine Hilde, kurz vor fünfzig ist sie.«

      »Nun ja, meiner Meinung nach ist das schon ein Alter, in dem man einen Mann haben darf.« Krämer verkniff sich sein Grinsen.

      Die Frau schüttelte den Kopf. »Nicht meine Hilde«, wehrte sie ab. »Hilde und ich … Seit mein Mann uns verlassen hat«, sie wischte sich mit dem Taschentuch über die Augen, »seit der Zeit hat sich Hilde immer um mich gekümmert. Sie müssen wissen, ich leide an MS, Multiple Sklerose. Und es gibt Tage, da kann ich mich fast gar nicht bewegen, so dass ich auf Hildes Hilfe angewiesen bin.«

      »Sollten Sie da nicht besser eine Pflegerin haben, und Ihre Tochter ihr eigenes Leben leben lassen?«, wunderte Braun sich.

      »Nein. Eine Pflegerin können wir uns nicht leisten, und meine Hilde macht das gerne.«

      »Was aber, ist mit dem Recht Ihrer Tochter, auf ein eigenes Leben?«, fragte auch Krämer.

      »Sie wollen es nicht verstehen, nicht wahr!« Auf den Wangen der Frau bildeten sich rote Flecken, dermaßen empörte sie die Andeutung des Mannes. »Meine Hilde, sie ist glücklich mit ihrem Leben, so, wie es ist und sie es lebt.«

      Kommissar Braun stand auf. »Frau Hahnbügel, wenn Sie bitte so gut wären und alles Weitere meinem Kollegen Krämer erzählen würden. Ich werde mich unterdessen bei der Vermisstenstelle erkundigen, und auch in den umliegenden Krankenhäusern nachfragen, ob sie von jemandem wissen, auf den die Beschreibung Ihrer Hilde passt. Es könnte ja auch sein, dass sie einen Unfall gehabt hatte, und sich nur deswegen nicht bei Ihnen meldet.« Er wandte sich an Krämer. »Kannst du, bitte, einmal kurz mit rauskommen.« Braun reichte der älteren Frau die Hand und verließ, zusammen mit Krämer dessen Büro.

      »Ich glaube, wir haben den Zusammenhang gefunden«, legte er los, kaum dass Krämer die Tür hinter sich geschlossen hatte.

      Verwundert schaute Alfred Krämer ihn an. »Was hast du denn gehört, das ich nicht verstanden habe?«

      »Diese Frau, Hilde, sie hat kein eigenes Leben.« Braun lehnte sich an der Wand an. »Was, wenn die Frauen ausbrechen wollten, aus der Monotonie ihres Alltags und sind bei der Suche, nach etwas Abwechslung, ihrem Mörder in die Hände gelaufen?« Er zog einen Zahnstocher aus der Packung und schob ihn zwischen die Lippen. Darauf herumkauend, stellte er fest: »Diese Frauen, sie wären leichte Fänge für unseren Mörder gewesen. Alfred, hak‘ nach, was diese Hilde Hahnbügel betrifft und schau, dass du noch soviel als möglich, von ihrer Mutter erfährst.«

      »Und was machst du unterdessen?«

      »Ich?« Braun grinste. »Ich werde mich wieder einmal bei unserer Adda Fried melden. Bin sicher, dass sie uns gerne wieder unter die Arme greift.«

      Krämer nickte und ging zurück in sein Zimmer. Als wenn wir auf die Hilfe von der Fried angewiesen wären, dachte er mürrisch, und zwang sich zu einem zuversichtlichen Lächeln, als er sich wieder Frau Hahnbügel gegenübersetzte.

      4 – Erfreulicher Anruf

      Adda