Ein Herz zu viel. Irene Dorfner

Читать онлайн.
Название Ein Herz zu viel
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738044577



Скачать книгу

Haar? Besser als nichts. Wie sieht es mit der DNA aus?“

      „Es handelt sich um kein menschliches Haar. Es ist ein Katzenhaar einer Siamkatze mit hellem Fell.“

      „Das ist alles? Mehr haben Sie nicht? Nur ein Katzenhaar?“ Krohmer war enttäuscht. Er hatte sich mehr davon versprochen.

      „Leider ja.“

      „Ich sehe keinen Ermittlungsansatz. Wir wissen weder, wem das Herz gehörte oder wann derjenige verstorben ist. Wie sollen wir bei den dürftigen Angaben den Körper zu dem Herz finden?“

      „Das ist völlig aussichtslos. Gehen wir davon aus, dass wir es mit einer Einzeltat von einem Spinner zu tun haben. Legen wir den Fall zu den Akten. Und kein Wort an die Presse! Ich habe keine Lust, dass die Geschichte aufgebauscht wird und wir damit einen dummen Menschen auf dumme Ideen bringen. Wie gesagt: Der Herzfund ist ein Einzelfall.“

      Dass Krohmer damit falsch lag, wusste er noch nicht.

      2.

       Zwei Wochen später: Mittwoch 19. August

      „Bitte ganz ruhig. Atmen Sie tief durch. Wer sind Sie? Wie ist Ihr Name?“ Viktoria versuchte, die Anruferin zu beruhigen, die so schnell sprach, dass sie sie kaum verstand.

      „Kerbel, Sabine Kerbel. Ich bin Putzfrau in der St.Nikolaus-Kirche in Mühldorf. Ich habe eine Blechdose gefunden. Und darin ist etwas Blutverschmiertes. Es sieht aus wie eine Leber oder ähnliches. Ich kenne mich da nicht aus, aber es ist furchtbar ekelhaft. Bitte kommen Sie schnell.“

      Viktoria wurde übel. Sie hatte den Herzfund in der Altöttinger Gnadenkapelle schon fast vergessen. Jetzt erinnerte sie sich sofort an jede Kleinigkeit.

      „Bleiben Sie wo Sie sind. Fassen Sie nichts an und lassen Sie keine anderen Personen in die Kirche. Wir sind in wenigen Minuten bei Ihnen.“

      Viktoria unterrichtete ihre Kollegen, die ebenso geschockt waren, wie sie selbst. Auch sie hatten das Herz der Gnadenkapelle schon vergessen. Sie fuhren sofort los. Was würde sie heute erwarten? Trieb sich ein Irrer herum, der in Kirchen Innereien verteilte?

      Die St.Nikolaus-Kirche befand sich am Kirchplatz in der Nähe des Mühldorfer Stadtplatzes. Als sie sich der Kirche näherten, kam ihnen eine aufgeregte Frau Ende fünfzig entgegen.

      „Kommen Sie mit, schnell!“ Sie lief voraus und die anderen hatten Mühe, ihr zu folgen. „Da hinten liegt es, gleich neben den Altarstufen. Ich gehe nicht weiter, ich will mir das nicht nochmal ansehen.“

      Die Kripo-Beamten gingen zum Altar und starrten auf den Boden.

      „Das ist ein Herz,“ sagte Hans. „Und wieder ein silberfarbenes Behältnis, wie in Altötting. Allerdings ist das Blut noch recht frisch, womit wir zumindest den Todeszeitpunkt des Besitzers eingrenzen können.“

      Das war das zweite Herz in zwei Wochen. Viktoria hatte angenommen, dass es sich mit dem aufgefundenen Herz in der Altöttinger Gnadenkapelle um eine einmalige Sache handelte. Und jetzt das! Sie rief umgehend Friedrich Fuchs an, der nach wenigen Minuten mit seinen Leuten vor Ort war.

      „Wo genau haben Sie dieses silberne Behältnis gefunden?“, fragte Hans Frau Kerbel, die kreidebleich war.

      „Dort hinten. Sehen Sie die Nische neben dem Altar? Dort war das Ding deponiert. Es war gut versteckt. Das hätte Wochen dauern können, bis das jemandem aufgefallen wäre.“

      „Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden?“

      „Im Augenwinkel habe ich etwas glitzern sehen. Ich putze hier schon seit Jahren zu jeder möglichen Tageszeit. In dem Eck hat noch nie etwas geglitzert. Also habe ich nachgesehen. Ich nahm diese Dose aus der Nische und muss zugeben, dass ich diese aus Neugier geöffnet habe. Als ich den Inhalt sah, ließ ich alles fallen und habe sofort die Polizei angerufen. Was ist das für ein ekliges Ding? Eine Leber?“

      „Es ist ein Herz,“ sagte Hans, worauf Frau Kerbel kreidebleich wurde und damit zu kämpfen hatte, sich nicht übergeben zu müssen. Sie setzte - sich so weit weg wie möglich - in eine Bankreihe.

      Hans ging zu der beschriebenen Stelle; er reichte aus dem Stand problemlos an die Nische. Hier konnte man ohne Hilfe hingelangen. Fuchs beobachtete ihn bei dieser Aktion und warf ihm einen strengen Blick zu.

      „Keine Sorge Kollege, ich fasse nichts an.“

      „Was können Sie mir sagen Herr Fuchs?“, drängelte Viktoria, die die Kollegen der Spurensicherung nicht aus den Augen ließ und dadurch mächtig Druck aufbaute. „Kann man aufgrund des Zustands des Herzens den Todeszeitpunkt eingrenzen?“

      „Das kann man und das wissen Sie auch. Trotzdem werde ich keine groben Schätzungen abgeben, das müssten Sie doch wissen. Die Vorgehensweise ist wie bei dem Altöttinger Herz,“ schnauzte Fuchs zurück.

      „Gut. Aber beeilen Sie sich.“

      „Es dauert nun mal so lange, wie es dauert. Oder denken Sie, dass ich mit meiner Arbeit trödle?“ Wieder diese unverschämte Art und Weise von Frau Untermaier. Sie ist zwar die Chefin der Mordkommission, aber noch lange nicht sein Chef. Was bildet sich die Frau eigentlich ein? Um einer weiteren Konfrontation aus dem Weg zu gehen, ließ Fuchs Frau Untermaier stehen. So, wie er sie kannte, würde sie vor einer ausführ-lichen Diskussion nicht zurückschrecken.

      „Dort hinten im Gebüsch ist jemand,“ sagte Hans zu Leo, als sie die Kirche verließen. Die Spurensicherung war bereits unterwegs, Viktoria und Werner waren vor einer halben Stunde gegangen. Hans hatte die beiden weggeschickt. Auch, weil er einen Streit zwischen Viktoria und Fuchs vermeiden wollte; er hatte keine Lust auf den Mist.

      „Du hast Recht. Auf drei. Eins, zwei, drei!“ Hans und Leo rannten los, woraufhin zwei Jungs aus dem Gebüsch auftauchten und versuchten, zu verschwinden. Die Polizisten waren schneller und bekamen sie nach wenigen Minuten zu fassen.

      „Was macht ihr hier?“

      „Die Frage kannst du dir sparen Leo. Meiner riecht nach frischem Zigarettenrauch und Bier. Schnupper mal an deinem,“ sagte Hans.

      „Ihr habt hier geraucht und Bier getrunken? Wie alt seid ihr? Und warum seid ihr nicht in der Schule?“

      Als beide Namen, Geburtsdaten und Adressen angaben, begann der, den Leo festhielt, zu weinen.

      „So harte Jungs seid ihr also,“ sagte Leo und lockerte den Griff. Sie hatten den beiden einen gehörigen Schreck eingejagt.

      „Wie lange seid ihr schon hier?“

      „Seit halb 8,“ flüsterte der, den Hans festhielt. Leo und Hans erkannten sofort ihre Chance.

      „Machen wir einen Deal. Ihr erzählt uns, was ihr gesehen habt. Dafür versprecht ihr uns, dass ihr nicht mehr raucht und keinen Alkohol mehr trinkt, bis ihr 16 seid. Die Schule nicht mehr zu schwänzen versteht sich von selbst. Und wenn wir mit den Informationen zufrieden sind, werden wir euch nicht an eure Eltern ausliefern. Deal?“

      Die beiden Jungs sahen sich an und konnten ihr Glück kaum fassen.

      „Deal,“ sagten sie beide. „Ich habe nicht viel gesehen. Hier ist morgens nicht viel los, deshalb kommen wir hierher. Ich schwöre, dass wir nur selten hier sind. Heute kam uns von der Kirche eine Nonne entgegen.“

      „Das stimmt, ich habe sie auch gesehen.“

      „Wie sah sie aus? Könnt ihr sie beschreiben?“

      „Wie Nonnen halt so aussehen. Schwarz von oben bis unten. Um den Hals hatte sie eine Kette mit einem großen Holzkreuz. Wir haben sie gegrüßt, aber sie hat den Kopf weggedreht.“

      „Wie alt war sie?“

      „Keine Ahnung. Bestimmt alt, junge Frauen werden heute doch nicht mehr freiwillig Nonnen.“

      „Die ganz hässlichen vielleicht,“ sagte der andere und