Belladonnas Schweigen. Irene Dorfner

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Название Belladonnas Schweigen
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738044560



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schon als Retter in der Not aufgefallen ist. Der Fall wird ein Kinderspiel. Wir sind noch nicht mal am Tatort und haben schon einen Verdächtigen.“

      „Wie heißt der Verdächtige?“

      „Warum willst du das wissen? Du hast heute und morgen frei, genieß die Zeit. Nächste Woche bekommst du alle Einzelheiten, wenn wir den Fall bis dahin nicht schon gelöst haben.“ Viktoria lachte, aber Leo wurde immer schlechter.

      „Der Name, Viktoria. Gib mir bitte den Namen!“

      „Na gut, wie du willst. Der Verdächtige heißt Martin Mahnstein.“

      2.

      Leo wendete den Wagen und fuhr so schnell wie möglich zurück nach Altötting. Das konnte doch nicht wahr sein, das durfte einfach nicht sein. War Martin abermals ausgebüchst? Aber er war nicht gewalttätig. Und wie sollte er an ein Messer kommen?

      Viktoria staunte nicht schlecht, als ihr Kollege und Lebensgefährte Leo Schwartz vor dem Haus der Mahnsteins in der Trostberger Straße aus seinem Wagen stieg. Sie hatte ihm die Adresse nicht genannt. Sie ging auf ihn zu und erschrak, als sie sein Gesicht sah.

      „Was ist mit dir? Was hast du mit Martin Mahnstein zu tun?“

      Leo erzählte ausführlich die kleine Episode auf dem Kapellplatz, die sich erst vor wenigen Stunden zugetragen hatte. Viktoria hörte geduldig zu. Der 54-jährige Kollege Hans Hiebler, der letzten Sonntag seinen Geburtstag gefeiert hatte, gesellte sich zu ihnen und folgte aufmerksam Leos Ausführungen. Auch heute umgab den sportlichen, attraktiven, 1,80m großen Mann ein betörender Herrenduft, der Viktoria im Wageninneren fast den Atem geraubt hätte.

      „Wir haben zwei Zeugenaussagen, die sich mit deiner Aussage weitgehend decken. Allerdings beschreiben sie den verkleideten Mann als aggressiv und sehr gefährlich. Bei der Altöttinger Polizei ist er mehrfach aufgefallen, allerdings halten die Martin Mahnstein für harmlos.“

      „Das ist genau meine Rede. Martin ist nicht gewalttätig. Und nie im Leben hat der einen Menschen erstochen.“

      „Trotzdem müssen wir den Hinweisen nachgehen. Ob es dir nun passt, oder nicht.“

      Die 49-jährige, 1,65 m große und sehr attraktive Viktoria Untermaier war die Chefin der Kriminalpolizei und mochte es nicht, wenn man ihre Vorgehensweise kritisierte. Sie stemmte die Arme in die Hüften, wodurch sie signalisierte, dass sie sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen wollte. Leo wusste, dass sie den Hinweisen nachgehen musste, und gab schließlich nach.

      „Ich werde euch begleiten. Lasst mich mit dem Jungen sprechen, mir vertraut er.“

      „Du bist nicht im Dienst Leo,“ stöhnte Viktoria auf, die keine Lust darauf hatte, mit drei Mann zu einer Befragung zu erscheinen. Allerdings kannte sie Leos Hartnäckigkeit. Und sie zweifelte nicht an Leos Schilderungen. „Also gut, gehen wir.“

      Frau Mahnstein war erschrocken, dass gleich drei Polizisten mit ihr bzw. mit ihrem Sohn sprechen wollten. Vor allem die Tatsache, dass Leo Schwartz dabei war, irritierte sie. Hatte der Vorfall auf dem Kapellplatz doch noch ein Nachspiel?

      „Wo ist Martin?“

      „Er spielt im Garten.“

      Frau Mahnstein zeigte auf ein Fenster und die Polizisten blickten hinaus. Martin rannte in seinem Kostüm auf dem kleinen Grundstück auf und ab und hielt die neue Actionfigur in die Luft. Martin lachte und hatte Riesenspaß.

      „War er die ganze Zeit im Garten? Hatten Sie ihn ununterbrochen im Auge?“

      „Ich habe das Abendessen vorbereitet. Ich bin mir sicher, dass Martin die ganze Zeit im Garten war.“

      „Trotzdem könnte er weggelaufen sein, ohne dass Sie es mitbekommen haben. Ihr Sohn ist heute schließlich schon einmal abgehauen. Wie können Sie sich da sicher sein, dass Ihr Sohn immer hier war?“

      Leo sah Viktoria mit einem strengen Blick an. So hart musste man mit Frau Mahnstein nicht sprechen.

      „Ich bin mir ganz sicher und bleibe dabei: Martin war hier.“ Jetzt ging sie auf Leo zu. „Sagen Sie mir, was passiert ist. Diese Befragung und die Tatsache, dass gleich drei Polizisten hier sind, haben doch nichts mehr mit dem zu tun, was vorhin auf dem Kapellplatz passiert ist. Hier geht es doch um etwas ganz anderes.“ Frau Mahnstein sah ihn angsterfüllt an und er entschied, ihr die Wahrheit zu sagen.

      „Ein Mann wurde nahe des Kapellplatzes erstochen. Zeugen behaupten, dass es Martin gewesen ist. Wir kommen nicht umhin, ihn mitzunehmen. Wir werden seine Kleidung untersuchen und dabei wird sich schnell herausstellen, dass Martin nichts damit zu tun hat.“

      „Mein Martin ist kein Mörder! Sie haben ihn kennengelernt Herr Schwartz, er kann keiner Fliege etwas zuleide tun.“

      „Das weiß ich und die ganze Angelegenheit wird sich aufklären.“

      „Sie wollen meinen Sohn wirklich mitnehmen?“

      „Sie können ihn gerne begleiten, das ist kein Problem.“

      „Das geht nicht. Ich habe eine Putzstelle, zu der ich Martin mitnehmen kann. Ich kann es mir nicht leisten, auf das Geld zu verzichten und diesen Job aufs Spiel zu setzen.“ Frau Mahnstein war außer sich und zitterte.

      „Machen Sie sich keine Sorgen, ich kümmere mich um Martin.“

      „Bringen Sie ihn mir wieder zurück? Sehe ich ihn wieder? Bitte bringen sie ihn nicht in eine psychiatrische Anstalt, tun Sie das meinem Jungen nicht an.“ Frau Mahnstein war außer sich. Sie fürchtete sich schon lange vor solch einer Situation und hatte tatsächlich die Befürchtung, dass sie ihren Sohn nicht mehr wiederbekäme, wenn er erst einmal in die Fänge der Justiz gelangte. Erst gestern hatte sie wieder einen Bericht über einen ähnlichen Fall gelesen und wollte ihren Sohn auf keinen Fall dem ausliefern. Die Polizisten waren erschrocken über die Panik, die Frau Mahnstein im Gesicht abzulesen war.

      „Ich werde immer an Martins Seite bleiben. Und ich verspreche Ihnen, dass ich ihn wieder wohlbehalten nach Hause bringe. Es kann allerdings etwas dauern.“

      „Martin muss um 19.00 Uhr zu Abend essen. Es ist wichtig, dass er seinen Tagesablauf und seine Gewohnheiten wenigstens annähernd einhält. Alles andere verwirrt ihn. Warten Sie, ich werde eine Brotzeit herrichten.“

      „Lassen Sie nur Frau Mahnstein, ich kümmere mich darum. Er wird bei der Polizei nicht verhungern.“

      Martin freute sich, Leo zu sehen, und ging ohne weiteres mit ihm mit. Er fragte nicht einmal nach seiner Mutter, die am Fenster stand und sich so lange um ihren Sohn Sorgen machen würde, bis sie ihn wieder in die Arme schließen konnte. Sie glaubte keine Sekunde, dass ihr Sohn zu einem Mord fähig wäre, daran verschwendete sie keinen einzigen Gedanken. Sie machte sich die größten Sorgen darüber, dass sie ihren Martin verlieren würde.

      Leo fuhr mit Martin nach Mühldorf, während die Kollegen den Tatort in Augenschein nahmen, dafür hatte Leo jetzt noch kein Interesse. Er wollte sein Versprechen einhalten und mit Martin gemeinsam zur Spurensicherung, damit dort seine Kleidung überprüft werden konnte. Auf der Fahrt nach Mühldorf stellte Leo alle möglichen Fangfragen, die Martin mehr oder weniger beantwortete. Durch die Autofahrt war er sehr abgelenkt, er sah ständig etwas Neues. Frau Mahnstein hatte kein Auto und für Martin war eine Autofahrt fast so interessant wie seine Superhelden.

      „Das ist Martin Mahnstein.“ Friedrich Fuchs, Leiter der Spurensicherung, war bereits von Viktoria telefonisch informiert worden. Es war ihm egal, ob der Verdächtige krank oder gesund war, er machte nur seine Arbeit. Martin musste seine Hände herzeigen. Fuchs ging mit leichten Klebestreifen über die Haut, nahm mit verschiedenen Substanzen Proben, was alles sehr zu kitzeln schien, denn Martin lachte und jauchzte. Dann sollte er sein Superheldenkostüm ausziehen, aber er weigerte sich.

      „Wir leihen uns das Kostüm nur aus, du bekommst es so schnell wie möglich wieder. Inzwischen darfst du einen Jogginganzug der Polizei anziehen. Na? Was sagst du?“

      Martin