ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR. Eberhard Weidner

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Название ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636366



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war ich auch schon. Ich war dort, um Nazischweine zu töten«, ahmte Silke den Tonfall des alten Mannes erstaunlich gut nach.

      Lachend wandten sie sich wieder den Dreharbeiten zu, doch die waren inzwischen beendet. Die Darsteller und der Regisseur waren längst verschwunden, nur ein paar Helfer waren noch da und bauten die Kameras und das übrige Equipment ab.

      »Dann lass uns mal den Wagen holen und im Hollywood Hilton einchecken, dem wahrscheinlich besten Hotel im Umkreis von fünfhundert Meilen, Rita«, schlug Günther vor und reichte seiner Frau die Hand.

      Silke lachte, wurde aber sofort wieder ernst. »Der gute Walt hat uns gar nicht gesagt, wo die Feier stattfindet«, gab sie zu bedenken.

      »Ich denke mal, dass wir es auch so finden werden«, sagte Günther. »Angeblich feiert ja die ganze Stadt. Wir fragen einfach Linda aus dem Hotel.«

      Es war schon deutlich nach Mitternacht, als sie nach einem anstrengenden Tag von der Feier in ihr Hotelzimmer zurückkehrten. Da sie der Empfangsdame Linda am Nachmittag erzählt hatten, dass sie auf ihrer Hochzeitsreise waren, hatten sie natürlich die Honeymoon Suite erhalten. Und das, wie von Walt versprochen, zu einem Sonderpreis, der ihren verbliebenen Reiseetat nur geringfügig belastete.

      Erschöpft ließ sich Silke auf das Kingsize-Bett fallen. »Das war doch eine ganz nette Feier, findest du nicht auch?«

      Günther nickte, während er wie ein Storch auf einem Bein balancierte, um den Schnürsenkel an seinem Schuh aufzubinden. Er traute sich nicht mehr, sich zu bücken, da er Angst hatte, er würde sonst umfallen. »Stimmt, schöne Feier. Auf den letzten Whisky hätte ich aber besser verzichten sollen. Ich glaube, der war irgendwie schlecht!«

      »Ich hab auch ein flaues Gefühl im Magen. Allerdings konnten wir den Drink schlecht ablehnen, weil Walt uns zum Abschied noch unbedingt einen ausgeben wollte. Aber du musst doch zugeben: Das waren alles sehr nette Leute.«

      Günther verlor nun doch das Gleichgewicht und fiel vornüber aufs Bett. »Stimmt«, sagte er dumpf ins Kissen und rollte sich dann auf den Rücken. »Aber ist dir eigentlich aufgefallen, dass alle Personen, die wir heute getroffen haben, also so ziemlich die gesamte Bevölkerung von Movietown, die Namen berühmter Hollywoodregisseure tragen?«

      »Nö. Aber ich kann mich auch kaum noch an die Namen erinnern«, gab Silke zu und gähnte.

      »Aber ich, weil ich mich mehr für Filme interessiere als du. Also pass auf! Da gab es die Spielbergs, die Dantes, die Romeros, die Cronenbergs, die Hoopers, die Carpenters …«

      »Ach was, Carpenters gibt’s doch überall«, warf Silke ein. »Haben die nicht auch mal Musik gemacht?«

      »Komisch ist das aber schon, oder?«, sagte Günther gähnend.

      »Was? Ich hab grad gar nichts verstanden.«

      »Komisch finde ich das schon«, wiederholte er und versuchte, Deutlichkeit durch erhöhte Lautstärke auszugleichen. »Die sind hier so was von fixiert auf Filme, dass sie alles darauf ausrichten und vermutlich sogar ihre Namen ändern. Typisch Amis, wenn du mich fragst.«

      »Hast du auch brav Fotos gemacht?«

      »Jawohl, Chef. Ich hab mindestens drei Filme verknipst. Wir haben bestimmt Fotos von jedem Spielberg und jeden Romero.«

      Silke gähnte erneut. »Ich bin todmüde und möchte am liebsten gar nicht mehr aufstehen. Wer zieht mich aus, putzt mir die Zähne und geht für mich aufs Klo?«

      »Ich bestimmt nicht. Ich würde selbst auch lieber liegen bleiben. Ist grade so schön bequem.«

      »Mist, dann muss ich wohl doch alles selber machen.« Mühsam stieg sie aus dem Bett. »Okay, wer zuletzt wieder im Bett ist, hat verloren.«

      Erst das knatternde Geräusch eines Autos mit defektem Auspuff, das auf der Straße vor dem Hotel vorbeifuhr, war am nächsten Morgen in der Lage, Günther zu wecken. Er reckte sich behaglich und gähnte. Als sein Blick dabei auf die andere Hälfte des Bettes fiel, sah er, dass diese leer war. Das Laken lag zerwühlt am Fußende des Bettes. Silke, der Morgenmensch, war also schon auf den Beinen.

      »Silke?«, rief er und schwang die Beine aus dem Bett. Leichter Schwindel überkam ihn dabei, ansonsten hatte er den Whiskykonsum der letzten Nacht jedoch wider Erwarten erstaunlich gut weggesteckt. Der befürchtete Kater blieb aus, und auch das Schwindelgefühl legte sich sogleich wieder. Nur im Magen hatte er weiterhin ein flaues Gefühl, aber das ließ sich vermutlich durch ein ausgiebiges Frühstück beheben. Er stand auf und stapfte barfuß ins Badezimmer. »Wo steckt denn mein Schatz?«

      Das Badezimmer war jedoch ebenso leer wie der Rest der Suite. Von seiner Frau fand er keine Spur. Wo steckte sie nur? War sie etwa ohne ihn frühstücken gegangen? Das sah ihr zwar gar nicht ähnlich, aber vielleicht hatte sie Schwierigkeiten gehabt, ihn wach zu bekommen, und deshalb beschlossen, allein zu frühstücken. Er erinnerte sich, dass sie in der Nacht ebenfalls über einen flauen Magen geklagt hatte. Er zuckte ratlos mit den Schultern. Nachdem er sich gewaschen und die Zähne geputzt hatte, zog er sich rasch an und eilte ins Erdgeschoss zur Rezeption.

      »Guten Morgen. Entschuldigen Sie, aber ich suche meine Frau. Sie wissen nicht zufällig, wo sie sich gerade auffällt?«

      »Tut mir leid, Mr Gerhards, aber ich habe Ihre Frau heute Morgen noch nicht gesehen«, teilte ihm Linda bedauernd mit. »Möchten Sie jetzt frühstücken?«

      Günther überlegte. Silke sah sich wahrscheinlich den Ort an, bevor die Hitze zu groß wurde, und machte dabei möglichst viele Fotos, die sie ihren Bekannten zu Hause zeigen konnte. Es ärgerte ihn ein wenig, dass sie nicht auf ihn gewartet hatte und stattdessen allein losgezogen war. Aber wenn er jetzt auch noch wegging, um sie zu suchen, brachte das auch nichts. Im Gegenteil, besser, er wartete hier, wo sie ihn finden konnte, auf ihre Rückkehr.

      »Frühstück klingt ganz ausgezeichnet«, sagte er deshalb und wurde von Linda in den Frühstücksraum geführt.

      Eine gute Stunde später hatte er ausgiebig gefrühstückt. Silke war allerdings noch immer nicht aufgetaucht. Er fragte erneut am Empfang nach, erhielt dort aber dieselbe Antwort wie zuvor. Also suchte er in ihre Suite auf, um nachzusehen, ob Silke vielleicht unbemerkt dorthin zurückgekehrt war. Doch auch dort war sie nicht, seine Ehefrau blieb spurlos verschwunden.

      Auf dem Nachttisch lag ihre Kamera, die er am Morgen nicht bemerkt hatte. Also war sie gar nicht weggegangen, um zu fotografieren. Aber wo steckte sie dann? Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich, einfach zu verschwinden, ohne ihm Bescheid zu sagen. Andererseits konnte ja wohl kaum jemand in der Nacht in ihre Suite gekommen sein und seine Frau geklaut haben. Es musste einen Grund für ihre Abwesenheit geben. Allerdings fiel ihm keiner ein, sosehr er sich auch den Kopf zerbrach.

      Günther begann sich nun doch ernsthaft Sorgen um Silke zu machen. Was sollte er jetzt tun? Für eine Vermisstenanzeige beim örtlichen Sheriff’s Office war es wahrscheinlich noch zu früh, schließlich vermisste er seine Frau erst seit dem Aufstehen, also gerade mal gute anderthalb Stunden. Außerdem wäre es ihm extrem peinlich, wenn er den Sheriff bat, nach seiner Frau zu suchen, und diese schon im nächsten Augenblick munter pfeifend um die Ecke marschiert kam. Nein, lieber wollte er erst einmal selbst nach ihr suchen. So groß war Movietown schließlich nicht.

      Also verließ er die Suite, eilte wieder nach unten und ging nach draußen. Nachdem es in der Nacht vergleichsweise kühl gewesen war, waren die Temperaturen schon wieder deutlich nach oben geklettert. Um diese Tageszeit war es allerdings noch zu ertragen, und man war nicht schon nach wenigen Schritten in Schweiß gebadet. Der Mietwagen stand vor dem Hotel, wo er ihn vor dem Einchecken abgestellt hatte. Er blickte suchend die Main Street rauf und runter, konnte jedoch keine Menschenseele entdecken, weder seine Frau noch einen der filmverrückten Einwohner von Movietown. Verdammt, ging denn hier niemand vormittags zum Einkaufen oder spazierte einfach mal die Straße entlang? Bei dem Gedanken kam ihm eine Idee: Vielleicht machte Silke einen Bummel durch die Geschäfte und kaufte Andenken ein.

      Günther wandte sich nach links und begann mit der systematischen