Elisa. Jaqueline Merlin

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Название Elisa
Автор произведения Jaqueline Merlin
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753185071



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auf den Sprung Vorbeikommen“ von Anton, der sich sorgte.

      Der berührende, Tränen lose Mut meiner Mutter, der von Georgia mitgetragen wurde. Sie reiste kurzentschlossen zu uns mit einem Stapel von Prüfungsarbeiten, die von ihr zensiert und zurück

      gesendet werden mussten. Es war vor Ende des Schuljahres, während sich andere auf die Ferien

      freuten. Der Krankenhausgeruch, an den ich mich gewöhnt hatte, den ich mit nach Hause nahm.

      Stetig und ständig das Gefühl, dass wir in den Strom geraten sind, der uns immer weiter abtreibt

      und alles von uns wegträgt. Soweit, bis es kein Entrinnen mehr gibt, bis er über jenes Wehr zieht

      und wir gleich Borken im Strom vergehen, ohne zu wissen, wann für uns ein neues Ufer kommt.

      Woche für Woche verging, und mein Vater wurde weniger und weniger. Es war nicht der Mann,

      den wir einmal gekannt hatten. Es war wie das Grinsen einer Katze,- und das, verdammt, behielt

      er bei, bis er war wie der letzte Sonnenrand am Meereshorizont. Ehe sein endgültiges Ende kam,

      hatten wir genügend Zeit, uns an die Situation zu gewöhnen. Der Standesbeamte, Anton so gütig

      und verständig, der Bestattungsunternehmer, die Briefe entfernter Verwandter. – Ich war mit der

      Zeit auf sie alle gefasst. Am Morgen des Begräbnisses trat ich hinaus und schnitt die Dahlien ab,

      jede einzeln stehende Rose. Es geschah nicht in voller Absicht. Eher gehorchte ich einer inneren

      Eingebung. So etwa wie ein unbewusstes Echo auf die alten Griechen, die sich ihr Haar schoren.

      KERAMIK & ANTIQUITÄTENHANDEL - 3. KAPITEL -

      Der Verlust eines Elternteils katapultiert einen in die nächste Generation rein. Mich belastete zu

      wissen, dass es bald aufwärts gehen musste, wenn nicht das Ganze ins Rutschen kommen sollte.

      Ich meine, es war Einstein, der Arbeit als eine willkommene Schmerzlinderung bezeichnet hatte.

      Der König ist tot. Dem tröstlichen Prinzen täte es gut, sich zusammen zu raffen, bevor die Hölle

      los ist. Neue Anforderungen an mein Dasein bedeuteten, übrige Dinge nicht entgleiten zu lassen.

      Ich sortierte einen Stapel liegen gebliebener Rechnungen nach Faktura, die zu begleichen waren.

      Zuerst überwies ich eine beträchtliche Summe an das Bestattungsunternehmen dieser Gemeinde.

      Dann beantwortete ich die Beileidsbriefe. Erklärte Frau Riturn den Unterschied von Händlern zu

      Privatpersonen, die ein Kaffee-Service los werden wollten, weil es ihnen jemand geschenkt hatte,

      der ihren Geschmack nicht kannte oder dies Service an die Schwiegermutter erinnerte, die keiner

      leiden konnte. Ich lud meine Mutter zu einem Konzert ein und wollte mit Georgia zum Abschied

      von unserem Vater sein Lieblingsstück: „Die vier Jahreszeiten“ von Vivaldi noch einmal erleben.

      Ich grub die Astern aus, düngte das Beet neu und bereitete die Erde für winterharte Pflanzen vor.

      Es war harter Boden, den ich mit der Hacke auflockerte, bis ich den Spaten fest ansetzen konnte.

      Ich brachte Frau Jane das Buch zurück, das sie mir vor sechs Monaten geliehen hatte und dankte

      Sonntagsvormittag Anton für die Umsicht und Anteilnahme in dieser sehr langen, traurigen Zeit.

      Außerdem dankte ich für den schönen Blumenkranz der Gemeinde auf dem Grab meines Vaters.

      Es war ermüdend, ein Haufen Arbeit, der gleichzeitig die Nutzlosigkeit und Trivialität des Tuns,

      das nach einem Verstorbenen folgt, widerspiegelte. Ein Fortgang im Gedächtnis, der Erinnerung

      einer geliebten Person, der man noch einmal gerecht werden will und der bloßen Selbsterhaltung.

      Wer jemals damit zu tun hatte, weiß, was ich damit sagen will. Falls solches Verhalten jene tiefst

       empfundene Reaktion auf den Verlust des Vaters zu sein scheint, kann ich nur sagen, das war so.

      Ich habe Schlimmeres gehört, die Ehefrau seines Stammkunden hätte nach dem Tod ihres Vaters

      sein altes Auto, das sich 20 Jahre als solide Familien-Kutsche bewährt hatte, schrottreif gefahren.

      In dem Roover seien ihre beiden Kinder groß geworden. Ein Vorfahrt-Fehler, und es krachte nur

      so, dass einzig zerknautschtes Blech übriggeblieben wäre. Die Versicherung zahlte noch 1000,-€.

      In einem anderen Fall hätte die Mutter eines Auktionärs gänzlich drei Schachteln Schlaftabletten

      geschluckt mit einer Flasche Weißwein. Drei Tage später wachte sie auf, weil sie zwar schon im

      Koma, doch am Leben war, die Pillen erbrochen hätte, bevor sie wirkten. Sie vertrug diese nicht.

      Mein Vater war und bleibt der beste Mensch, den ich kennen gelernt habe. Wäre er zu einer Zeit

      gestorben, nicht zu dieser, wäre es in etwa anders gekommen. Die Uhren wurden zurückgestellt,

      bis zum nächsten Frühling konnten wir eine Stunde länger schlafen. Chrysanthemen verblühten.

      Die zielbewusste Natur kann weit kommen und Hindernisse überwinden mit dem Heiligen Geist.

      Langsam kehrte die Normalität wieder. So begriff ich, dass ich Nachfolger eines Geschäfts war,

      das mir mein Vater anvertraut hatte. Es war solvent mit jenem großen Lager und reichen Kapital.

      In Jahren hatte ich Zuversicht gewonnen, mit Investitionen, Gläubigern, Schuldnern umzugehen.

      Neu war für mich das Gefühl, ein Steuerrad und das Kommando überreicht bekommen zu haben.

      Mein Vater war ein vernünftiger und bewundernswerter Geschäftsführer gewesen. Ich zweifelte,

      ob ich genauso gut sein würde. Doch was war gut, fragte meine innere Stimme. Keramik ist eine

      Gabe des Menschen an Gott. Die Kunst, die wir ihm zurückgeben aus der uns anvertrauten Erde.

      MUTTERS ANGEBOT

      Ich war dafür verantwortlich, dass der Mensch das Beste bekam und lernte, was es überhaupt ist.

      Es dauerte bis zum nächsten Frühling, dass ich mein neues Projekt wagte, die Hälfte des Ladens,

      des Kapitals sowie Zeit in hochwertige Keramik und Antiquitäten zu investieren. Ich besprach es

      mit meiner Mutter, weil das auch ihren Lebensunterhalt bestritt. Ihr Glaube an mein Gelingen im

      Ganzen bestärkte mich. Sie erinnerte mich daran, den wichtigen Geschäftsteil nicht zu vergessen.

      Wir wussten beide, dass unser neues Vorhaben in der Umsetzung schwierig sein würde, einfache

      Steingut-Ware als Partien für den Einzelhandel und Antiquitäten, Rares auf Auktionen ersteigert.

      Das wäre die Verbindung eines Außendienstlers mit einem Einzelhändler in seinem Geschäft, ob

      das überhaupt ginge und nicht Überanstrengung sei mit der Azubi Maggi und der wirren Närrin?

      Meine Mutter setzte sich auf die Sessellehne und strich mir über den Kopf wie als kleiner Junge.

      „Ich wüsste da einen, der für den Laden geeignet wäre“, sagte sie. „Eine Witwe, die in Wahrheit

      nicht den ganzen Tag allein herum sitzen will. Sie hat schon einige Erfahrungen