Название | Die Brücke zur Sonne |
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Автор произведения | Regan Holdridge |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754170441 |
„Wir sollten vielleicht wieder zurückgehen“, murmelte Jean betrübt und trat eilig an ihm vorbei, in die Nacht hinaus.
Der Vormann starrte ihr nach. Er hob den Hut an und fuhr sich mit der Hand durch das stachelige, widerspenstige Haar.
„Habe ich was Falsches gesagt?“
„Hmm.“ Amy schob die Unterlippe vor. „Keine Ahnung! Sie sind beide etwas komisch, diese Engländerinnen…“
„Ach, es sind gleich zwei?!“
Amy stieß einen verächtlichen Laut aus. „Oh ja! Die hier geht ja noch, aber die andere! Eine echte Prinzessin ist das, sag ich dir! Wart’s nur ab, bis du sie erlebst!“
Gegen halb acht Uhr trafen die letzten Gäste ein und das Begrüßungsfest konnte offiziell beginnen. Die vierköpfige Musikgruppe sorgte für ununterbrochene Beschallung, was auf der kleinen Tanzfläche im überfüllten, dichtgedrängten Wohnraum zu dauernden Rempeleien führte. Die etwa sechzig Gäste amüsierten sich großartig und weil die meisten von ihnen abgeschieden auf ihren Ranches lebten, nahmen sie jede Feierlichkeit, zu der sie sich mit den Nachbarn und Freunden treffen konnten, begeistert wahr.
Rachel fand kaum eine Minute, die sie nicht auf der Tanzfläche zubrachte. Wie bei jeder Veranstaltung zog ihr schönes, makelloses Gesicht die Männer geradezu magisch an und nachdem es ihr gelungen war, Matt mit einigen Seitenhieben, die nur er verstehen konnte, in Verlegenheit zu bringen, befand sich ihre Stimmung auf dem Höhepunkt. Das war ihr Fest und sie würde den Anwohnern dieser Holzbudenstadt schon beweisen, wen sie hier vor sich hatten!
Matthew hingegen zog es vor, sich mit Ben Arkin und einem Glas gutem Whiskey in ein ruhigeres Eck zurückzuziehen. Die beiden Männer unterhielten sich schon den ganzen Abend angeregt und verstanden sich ausgesprochen gut. Beiden war die heimliche Leidenschaft für das Kino und das neue Medium Fernsehen gemein und ihre Unterhaltung glitt von einem Thema ins nächste, sodass sie kaum merkten, wie schnell der Abend voranschritt. Hin und wieder wurden sie durch andere Gäste gestört, die sich zu ihnen gesellten, doch sie fanden immer wieder einen Moment, in dem sie ihr Gespräch in Ruhe fortsetzen konnten.
„Sie werden sich bestimmt noch ein paar Tage erholen können, bevor die beruflichen Pflichten Sie rufen“, meinte der Ranchbesitzer jetzt.
„Oh nein“, musste Matt ihn belehren. „Nächsten Montag ist mein erster Arbeitstag. In der Klinik gibt es jede Menge für mich zu tun.“
Ben Arkin nickte in stummem Respekt. „Sie sind ja noch keine zwei Tage hier! Aber Ihr Ärzte scheint diese eiserne Disziplin alle in euch zu haben.“ Und mit einem Seitenblick auf Rachel bemerkte er: „Im Gegensatz zu den eher ländlich inspirierten Damen in unserer Gegend, ist Ihre Frau eine absolute Ausnahmeerscheinung. Verstehen Sie mich bitte um Himmels Willen nicht falsch!“, fügte er hastig hinzu. „Das war jetzt keineswegs negativ gemeint!“
„Ja, ja“, machte Matt, durchaus begreifend und lächelte gezwungen. „Rachel ist eben eine ganz andere Umgebung gewöhnt.“ Einen winzigen Moment gaben die tanzenden Paare den Blick auf Jean frei, die bei Amy neben der Türe an der Tanzfläche stand und zusah.
„Dann werden Ihre Töchter wohl auch nach Summersdale in die Schule gehen?“ Und ehe Matt etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: „Sie sind beide ganz typische Engländerinnen – so, wie wir sie uns hier immer vorstellen, aber vermutlich haben Sie Zuhause auch Ihren Prototypen eines Amerikaners!“
Der Arzt seufzte, ein wenig nachdenklich. „Patty hat einen sehr eigenwilligen Kopf. Ich weiß nicht, ob ich das als typisch Englisch bezeichnen würde.“
„Ich denke, sie wird doch begeistert gewesen sein, ein Jahr im Ausland verbringen zu dürfen! Wenn ich von Amy ausgehe, träumen heutzutage alle jungen Leute davon, in der Weltgeschichte umher zu reisen!“
„Nun – sagen wir, sie benötigt eine gewisse Gewöhnungsphase“, erwiderte Matt ausweichend.
„Ach, dafür hat sie doch meine Tochter!“, warf der Ranchbesitzer zuversichtlich ein und deutete zu den beiden Mädchen hinüber, die noch immer den Tanzpaaren zuschauten. „Wie Sie sehen können, verstehen sich Jean und Amy schon recht gut!“
„Na, bei Jean sehe ich da weniger Probleme. Sie ist umgänglich und eher zurückhaltend, aber Patty…“ Zweifelnd runzelte Matt die Stirn. Die kleine, so unschuldig und kindlich wirkende Rancherstochter tat ihm bei dem Gedanken, ihr seine jüngste Tochter anzuvertrauen, jetzt schon leid. Ganz von selbst suchten seine Augen nach Rachel, die eben am Arm des Bürgermeisters an ihnen vorbeischwebte. Sie strahlte noch immer, als sei sie der glücklichste Mensch auf Erden und so sehr er sich auch den Kopf zerbrach, er kam nicht dahinter, was sie damit bezwecken wollte.
„Was halten Sie von Sonntag?“, schlug Ben Arkin in dieser Sekunde vor. „Wie ich mitbekommen habe, sind Sie nachmittags bei Stevie Bentley zu einer persönlichen Stadtführung eingeladen worden. Amy könnte Ihren Töchtern währenddessen ja ein wenig die Gegend zeigen.“
Matthew zögerte. Er gab seine Mädchen nur ungern in die Obhut anderer, doch allmählich musste er begreifen, dass sie sich von abhängigen Kindern zu selbständigen Jugendlichen entwickelt hatten, insbesondere Patty und dass Jean mit ihren sechzehn Jahren allmählich lernen musste, selbst Verantwortung für sich zu übernehmen. Beide mussten sich aus seiner und Rachels Abhängigkeit freimachen, auch, wenn er es verhindern, wenn er sie noch nicht gehenlassen wollte, sondern noch bei sich behalten. Er nickte.
„Einverstanden!“
Seit über einer halben Stunde standen Jean und Amy nun schon am Rande der Tanzfläche, in der Mitte des großen Wohnraums und beobachteten die Paare. Die Musik kam kaum noch gegen das Gemurmel, Lachen und Stimmengewirr der Unterhaltungen an, während Amy fröhlich immer wieder den Takt der Lieder mitklatschte.
Jean mühte sich eine freundliche Miene ab, doch in ihrem Inneren nagte die Unsicherheit, die ihr schon die Kälte in die Hände trieb. Oh Gott, warum konnte sie nicht ein bisschen so sein wie Patty? Diese war, ebenso wie ihre Mutter, von jungen Männern und anderen Mädchen umlagert, die sie alle anzuhimmeln schienen. Jedenfalls konnte Patty zur Genüge unter Beweis stellen, welch hervorragende Tänzerin sie war. Sie lachte ununterbrochen und ließ sich von einem Tanzpartner zum nächsten übers Parkett schwingen. Dabei gab sie ein unwerfendes Bild ab und die Schönheit, die von ihrem Gesicht ausging, sprach Bände darüber, wie sie sich noch entwickeln sollte. Jean seufzte. Sie war eben bloß das fünfte Rad am Wagen und daran würde sich heute Abend auch nichts ändern.
Vor ein paar Minuten war Amy in ein Gespräch mit einer älteren Frau aus Silvertown verwickelt worden und beachtete Jean nicht mehr, was dieser auch nicht unrecht kam. Seit dem Besuch im Stall hatte sich ihre nur schleppend aufrechterhaltene Kommunikation nicht verbessert. Jean fiel nichts ein, worüber sie sich mit dem fremden Mädchen hätte unterhalten können. Sie waren so verschieden und sie wollte sie auch nicht permanent irgendwelche Dinge fragen, die ihr neu und unbekannt waren. Am Ende hielt Amy sie noch für dumm.
Eben schien die Band ein ganz besonders bekanntes Lied zu spielen, denn unter Pfiffen und Johlen einiger männlicher Gäste, wurde die Melodie immer schneller und die schweren, glänzend-polierten Stiefel erzeugten auf den Holzboden ein lautes, rhythmisches Poltern. Plötzlich spürte Jean, wie jemand ihr auf die Schulter tippte. Erschrocken fuhr sie herum. Hinter ihr stand Dan, der Vormann, der ihr vorhin im Stall schon begegnet war.
„Hey, ihr beiden!“ Er drängte sich zwischen sie und die Rancherstochter. In der linken Hand balancierte er zwei Gläser mit Bowle. „Ich dachte mir, ihr steht hier so verlassen herum, darum bekommt ihr jetzt etwas besonders Feines von mir! Hauseigenes Rezept! Sehr empfehlenswert! Ist nur ein kleiner Schuss drin – das verzeihen euch eure Väter!“
„Als echter Gentleman gehört sich das wohl auch, dass man sich um die Damen kümmert!“, bemerkte Amy lachend, mit treuherzigem Blick und nahm ihm eines der Gläser ab.
Dan