Die Brücke zur Sonne. Regan Holdridge

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Название Die Brücke zur Sonne
Автор произведения Regan Holdridge
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754170441



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die dünnen Speichen der Räder. „Damit sollen wir fahren? Beim ersten Schlagloch sitzen wir in der Wiese oder auf was soll ich mich vorbereiten?“

      Inzwischen hatte Amy den Wagen mit dem Pferdegeschirr verbunden und kletterte auf den Sitzbock. „Ich habe nichts dagegen, wenn du deine Figur trainieren und nebenher rennen willst!“ Sie nahm die Zügel auf.

      „Schon gut, schon gut!“, lenkte Patty hastig ein. Jean kletterte dank ihrer Jeanshose ungehindert hinauf auf die Kutsche. Patty bemühte sich, eine besonders gute Figur zu machen beim Aufsteigen. Kaum, dass sie halb oben war, schnalzte Amy jedoch mit der Zunge und der Wallach zog an, woraufhin Patty unsanft auf den Sitz zurückgeworfen wurde.

      „Auch auf eine Kutsche steigen will gelernt sein“, gluckste die Rancherstochter jetzt und ihr war anzuhören, dass sie sich das Lachen kaum verkneifen konnte.

      „Es hat eben nicht jeder die Ehre, unter solch primitiven Bedingungen großzuwerden und sich in solchen Dingen zu üben!“, erwiderte Patty wütend und verschränkte die Arme trotzig vor der Brust.

      Amy lenkte den Dunkelbraunen den Feldweg entlang, hinaus in die Prärie. Am Waldrand bog sie nach links ab und sie folgten einem kaum erkennbaren Pfad über die grasbewachsene, grüne Ebene. Der Sulky gab bei jedem Stein und jeder Unebenheit wippend nach, was Patty dazu veranlasste, ängstlich auf den Boden rechts unter sich zu starren, der im Trabtempo des Rotbraunen an ihr vorbeizog. Ihre Schwester dagegen schien kein Unbehagen zu kennen. Sie strahlte über das ganze Gesicht und betrachtete nach allen Seiten wie hypnotisiert die Landschaft.

      „Sind durch dieses Gerüttel deine Gesichtsmuskeln schon gelähmt?“ Pattys schnippische Stimme riss Jean aus ihrer konzentrierten Observation der Umgebung. Ihr gefiel es hier.

      „Nein, warum?“

      „Dann solltest du deinen Mund wieder zumachen. Das sieht hässlich aus!“

      Amy rief ihnen zu: „Wir haben einen herrlichen Wald, mit sehr vielen verschiedenen Baumarten und dahinter liegt ein wunderschönes Felsental, wo wir prima reiten können!“

      „Danach habe ich mich schon immer gesehnt!“, entfuhr es Patty sarkastisch.

      Amy schwieg verletzt und lenkte den Wallach sicher nach links, in einen schmalen Weg zwischen den Büschen am Waldrand hinein; sie ließ ihn langsamer werden. Die hohen, großzügig verteilten Bäume des Mischwaldes sprossen im ersten Grün des Jahres und ein Schwarm Vögel zwitscherte munter in den Ästen. Plötzlich rutschte es Amy unbedacht heraus: „Warum musst du eigentlich so eingebildet und ekelhaft sein?“

      Zornig richtete Patty sich auf und löste ihre verkrampften Finger von der sicheren Lehne. „Ich bin weder das eine, noch das andere, verstanden?! Ich hasse ganz einfach dieses Land! Ich hasse die Leute hier, ich hasse eure Sitten und ich hasse es, dass ich hier sein muss! Begreifst du denn nicht, dass es auch Menschen gibt, die nichts von alternativen Lebensgewohnheiten, irgendwo im Urwald zwischen Rindviechern und stinkenden Gäulen halten? Das Leben findet woanders statt!“

      „Ach ja?“ Allmählich was das Ende von Amys Geduldsstrang erreicht. „Das ist immer noch Einstellungssache, wenn ich mich nicht täusche!“

      „Allerdings! Und meine Einstellung weiß, was sie will!“

      „Dann bin ich ja bloß gespannt, wie das zukünftig in der Schule wird! Vielleicht kannst du ja die anderen mit deinem Luxuswahn beeindrucken!“

      „Als eine van Haren brauche ich überhaupt niemanden zu beeindrucken! Es reicht völlig aus, diesen Namen zu tragen! Und im Übrigen tut es mir leid für dich, wenn du nicht weißt, was ein schönes Leben bedeutet!“

      Amy lachte spöttisch auf. „Pah! Der Ruf der berühmten Familie van Haren aus London ist bis in unsere Provinzschule doch noch gar nicht durchgedrungen! Damit kannst du hier niemanden für dich gewinnen!“

      Der Wald lichtete sich und ein breiter Sandweg schlängelte sich um unzählige, mannshohe Felsbrocken, zwischen denen hin und wieder Dornensträucher wucherten. Amy ließ den Rotbraunen jetzt nur noch Schritt gehen.

      „Was deine einfältigen Mitschüler wissen oder nicht, interessiert mich nicht die Bohne!“ Pattys Stimme überschlug sich beinahe, so trieben die Konter der Rancherstochter sie zur Weißglut. „Außerdem ist es doch kein Geheimnis, inwieweit ihr Amerikaner in solchen Dingen ungebildet seid! Also, woher soll das einer wissen?“

      „Du wagst es, dermaßen abfällig über mein Volk zu sprechen?!“

      „Was glaubst du, was ich nicht noch alles wage?“ Patty fühlte sich in ihrem Element und ihr fiel ein Ausspruch ihrer Mutter ein: „Bildung und Entwicklung sind das halbe Leben! Und was veranstaltet ihr hier? Anstatt eure Zeit in die Zukunft zu investieren, hinkt ihr euren Vorfahren und Traditionen hinterher! Fortschritt heißt das Zauberwort und du schaukelst uns hier mit einer Kutsche spazieren!“

      „Wie und womit wir unsere Zeit verbringen, bleibt immer noch uns selbst überlassen!“

      „Nicht, wenn es um das Wohl der gesamten Weltbevölkerung geht! Und nicht, wenn du von mir erwartest, ich soll den ganzen Quatsch auch noch mitmachen!“

      „Das habe ich nie behauptet!“

      „Oh doch! Du verstehst meine Einstellung nicht und ich habe nicht vor, mich jemals näher mit deinem Unsinn zu beschäftigen!“

      „Oh!!!“ Unbeherrscht kreischte Amy auf. „Was glaubst du eigentlich, ist an deiner Meinung so besonders? Dass dir nur oberflächliche Dinge wie Geld, Luxus und die neusten Modetrends wichtig sind?! Dass du deine freie Zeit auf Bällen und Empfängen verplemperst, wo vermutlich genau die gleichen, stumpfsinnigen, aufgetakelten Weiber unterwegs sind, wie du und deine Mutter?!“

      „Das war von dir ja nicht anders zu erwarten! Wenn man selbst aussieht wie eine entflohene Buschhexe, ist es nicht schwer, einen gepflegten Menschen zu beneiden!“ Angewidert zupfte Patty über Jean hinweg an Amys tannengrüner Strickjacke. „Mit viel Glück verwechselt dich irgendwann einer eurer billigen Kuhtreiber mit einem morschen Baum und fällt dich!“

      „Das sind keine billigen Kuhtreiber!“, verteidigte Amy die Angestellten ihres Vaters. „Sie sind Teil unserer Familie!“

      „Ach?“ Patty lachte herablassend auf. „Tatsächlich? Vielleicht verwandeln sie sich ja nachts in die Revolverhelden aus euren Westernfilmen und überfallen die Bank in der Holzbudenstadt, was?!“

      „Silvertown ist ein historisch vielbedeutender Ort!“ Amys Kopf hatte eine hochrote Farbe angenommen und Jean fragte sich, wann der Zeitpunkt gekommen wäre, da sie explodieren würde.

      „So einen Blödsinn habe ich mein Leben lang noch nicht gehört!“, ereiferte sich Amy weiter. „Wovon, glaubst du, leben wir eigentlich?“

      „Das ist mir so gleich, als ob du morgen von deinem Gaul fällst! Aber wenn ich dich so anschaue, frage ich mich das ehrlich gesagt auch!“

      „Nicht jeder legt Wert darauf, mit ein paar Dollarscheinen herumwedeln zu können! Du beweist wieder einmal, wie unglaublich schwachsinnig ihr reichen, verwöhnten, verweichlichten Sesselhocker doch alle miteinander seid! In erster Linie ernährt uns die Rinderzucht und dann der Tourismus, aber dafür müssen wir eben hart arbeiten! Eine Ranch zu betreiben ist nicht dasselbe, wie bei Papi auf den Schreibtisch zu klopfen und treue Augen zu machen, weil er dann schon mit dem Geld herausrückt!“

      „Ah! Ich verstehe!“ Zufrieden lehnte Patty sich zurück. „Du bist neidisch, weil dein Vater kein reicher, angesehener Arzt ist! Weil er selber auch nichts weiter ist, als ein stinkender, billiger Kuhhirte!“

      „Hoo!“ Amy ließ den Wallach anhalten, dessen Blick schon irritiert zu ihnen nach hinten gerichtet war. Er begriff nicht, was das laute Geschrei zu bedeuten hatte.

      „So redet keiner ungestraft über meinen Vater!“ Die Rancherstochter sprang so heftig auf, dass der Sulky gefährlich schaukelte.

      „Doch, ich!“, brüllte Patty zurück. „Ihr glaubt doch alle noch daran, dass die Maschinen euch nicht eines