Die Erzählerin von Arden. Carola Schierz

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Название Die Erzählerin von Arden
Автор произведения Carola Schierz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738019827



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er sich ihr näherte. „Sind die Turteltauben fort?“ Er grinste süffisant und blickte in die Richtung in die das Paar eben verschwunden war. „Beneidenswert!“ Dann blieben seine Augen flackernd an Lillian hängen. „Deine Geschichte war wieder sehr spannend. Und der Held hat doch noch erwartungsgemäß seine Auserwählte bekommen. Aber was hältst du davon? Wollen wir es deinen Freunden gleichtun und einen kleinen Nachtspaziergang machen?“

      Lillian bekam es mit der Angst zu tun, als sie das lüsterne Glitzern in seinen kalten Augen sah. „Oh, nein danke! Ich wollte eh gerade zu Bett gehen.“ Schnell drehte sie sich um. „Gute Nacht!“

      Doch er verstellte ihr den Weg. „Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich habe gerade gehört, wie du deiner Freundin gesagt hast, du würdest auf sie warten. Die stellt sich bestimmt nicht so zimperlich an! John wird seinen Spaß haben. Und ich werde meinen auch noch bekommen!“

      Er riss sie an sich und begann mit seinen Lippen ihren Ausschnitt abzutasten. Sie trat ihm mit voller Wucht in seine vor Lüsternheit pulsierenden Weichteile. Mit einem erstickten Schrei sank er zu Boden. Lillian nutzte die Gelegenheit und rannte ins Haus.

      „Dafür wirst du mir bezahlen, du kleine Schlampe. Such dir schon immer eine neue Stellung, denn lange wirst du hier nicht mehr bleiben!“

      Raven hatte die ganze Szene beobachtet. Es war alles so schnell gegangen. Gerade als er dem Mädchen zur Hilfe eilen wollte, hatte sie sich schon selbst befreit. Er nahm sich vor, diesen frisch kastrierten Balzhahn im Auge zu behalten …

      Lillian war völlig verstört zu Bett gegangen. Als Helen heimkam, stellte sie sich schlafend. Sie nahm sich vor, keinem etwas von dem Übergriff zu sagen. Sie fühlte sich auch so schon schmutzig genug, ohne ihre Fragen und besorgten Blicke ertragen zu müssen.

      Die Arbeit ging ihr am nächsten Tag nur schwer von der Hand und sie war auch nicht sehr gesprächig.

      Als Lillian dann gleich nach Dienstschluss ins Bett wollte, wurde Helen misstrauisch. „Was ist los mit dir? Du sagst den ganzen Tag kein Wort. Bist du jetzt doch böse wegen gestern Abend? Du hast doch gesagt, es macht dir nichts aus.“

      „Nein, es ist nichts. Ich habe nur Kopfschmerzen.“

      Die Freundin schaute sie misstrauisch an. „Hm, du würdest es mir doch sagen, oder?“

      Lillian rang sich ein Lächeln ab. „Natürlich!“ Sie streichelte Helen beruhigend den Arm.

      „Würdest du mich bei den anderen entschuldigen?“

      Helen nickte und ließ sie allein. Lillian wusste nicht, wann sie wieder in der Lage sein würde, entspannt mit den anderen am Feuer zu sitzen. Im Moment hätte sie immer das Gefühl, die kalten Augen dieses Mistkerls würden in der Dunkelheit lauern.

      Lillian war froh darüber, dass die Freunde sie nicht zu sehr bedrängten und ihre Ausreden an den folgenden Abenden akzeptierten.

      Weniger froh darüber war Raven. Er konnte sich denken, warum sie sich zurückgezogen hatte, aber er wollte wieder ihre Stimme hören. Sie war wie eine Medizin, die ihm Linderung, vielleicht sogar Heilung verhieß, von der er aber nur eine kleine Dosis probieren durfte. Es musste doch einen Weg geben.

      Die nächsten Tage verliefen ohne besondere Vorkommnisse und langsam fühlte Lillian sich wieder besser. Sie versuchte Clark aus dem Weg zu gehen, so gut es ging. Als sie wieder einmal mit Helen das Geschirr abholen wollte, bemerkte diese, dass ein Henkel ihres Korbes locker war. „Warte kurz hier und stapele schon mal alles. Ich hole schnell einen neuen!“, sagte sie und war schon verschwunden.

      Als Lillian alles vorbereitet hatte und die Freundin noch nicht zurückgekehrt war, beschloss sie, sich ein wenig umzusehen. Neugierig ließ sie ihren Blick schweifen.

      Völlig unerwartet wurde sie von der bekannten kalten Stimme Clarks aufgeschreckt: „Hab ich dich also auf frischer Tat ertappt!“, rief er lauter als nötig.

      Lillian wusste nicht, wovon er sprach und sah ihn verständnislos an.

      Vom Lärm angelockt kamen zwei Zofen hinzu.

      Im selben Moment öffnete sich eine Tür und Raven stand da, den Blick kritisch auf die Szene gerichtet. „Was ist hier los?“, fragte er und sah den Diener misstrauisch an.

      Dieser hob einen Silberleuchter, den er schon die ganze Zeit in der Hand hielt, in die Höhe. „Ich habe diese Küchenmagd erwischt, wie sie hier herumschlich. Diesen Leuchter habe ich zwischen ihren Röcken gefunden. Sie ist eine Diebin!“

      Lillian brachte kaum einen Ton heraus, so schockiert war sie von der Unverfrorenheit dieses Mistkerls. „Das ist nicht wahr, ich …“

      Raven gebot ihr zu schweigen. Er wandte sich an Clark. „Du bist ein wenig zu eifrig, mein Lieber! Ich selbst habe ihr diesen Leuchter gegeben, damit er mal ordentlich poliert wird. Es ist eine Schande, wie schludrig hier einige ihren Dienst ausüben. Soweit ich weiß, gehört es zu deinen Pflichten, so etwas zu sehen. Also kümmere dich in Zukunft besser um deine eigenen Aufgaben, bevor du über unschuldige Küchenmädchen herfällst. Es könnte sein, dass wir sonst deinen Platz hier neu besetzen müssen.“ Bei den letzten Worten ging er ganz nah an das Gesicht des Dieners heran und setzte eine unmissverständliche Miene auf.

      Clark durchfuhr es wie ein Blitz. Der Prinz musste irgendwie von der Sache am Feuer erfahren haben. Wieso setzte er sich aber so für das kleine Miststück ein? Wahrscheinlich wollte er sie selber in sein Bett holen. Aber er war der Prinz. Warum so ein Theater? Soviel Clark wusste, waren Ravens ritterliche Ambitionen bei dessen anderen Gespielinnen auch nicht nötig gewesen. Er zog sich mit einer Verbeugung zurück und beschloss, seine Rachepläne auf später zu verschieben. Auch die Zofen waren an ihre Arbeit zurückgekehrt und Lillian und Raven standen sich nun allein gegenüber.

      „Ich habe wirklich nichts Unrechtes getan, Herr, das müsst Ihr mir glauben“, stammelte sie.

      „Davon gehe ich aus“, entgegnete er mit ironischem Unterton.

      Lillian war verunsichert. „Tausend Dank! Ich stehe in Eurer Schuld“, brachte sie heraus.

      Raven wollte das Mädchen nicht ausnutzen, aber er konnte der Versuchung nicht widerstehen. „Du hast recht. Und deshalb erwarte ich dich heute Abend zur achten Stunde in meinen Privatgemächern. Dort werde ich dir sagen, wie du dich revanchieren kannst.“

      Als er Lillians entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte, erschrak er selbst und räusperte sich. „Keine Angst, es wird dir nicht das Geringste geschehen, solange du nur erscheinst.“

      Etwas bestimmter fügte er hinzu: „Ich erwarte dich pünktlich! Mein Diener wird dich am Dienstboteneingang abholen und dann ungesehen zu mir bringen. Und bewahre Stillschweigen!“

      Gerade als er sich von ihr abwandte, tauchte Helen wieder auf. Fragend blickte sie ihre völlig aufgelöste Freundin an. „Was war das denn?“

      Lillian fasste nach dem Korb. „Lass uns nur schnell von hier verschwinden! Ich erzähle dir später alles.“

      Zum Feierabend ließ Helen sich nicht länger vertrösten.

      „Also gut“, sagte Lillian. „Aber lass uns einen Ort aufsuchen, an dem uns niemand belauschen kann.“

      Als sie einen geeigneten Platz gefunden hatten, forderte sie von Helen einen Eid, dass jedes Wort, das sie ihr jetzt sagte, geheim blieb. Diese runzelte die Stirn, tat aber was von ihr verlangt wurde. Dann erzählte Lillian ihr alles. Angefangen von Clarks Angriff am Lagerfeuer bis hin zu den neuesten Ereignissen.

      Helen stieß die Luft aus, die sie vor Aufregung angehalten hatte. „Nun wird mir einiges klar. Aber willst du wirklich heute Abend zu ihm gehen? Du kennst seinen Ruf!“

      „Ja, ich weiß. Aber was bleibt mir übrig? Er ist schließlich der Prinz und ich habe ihm zu gehorchen. Außerdem habe ich wirklich nicht das Gefühl, dass er mir etwas tun will.“ Helen holte tief Luft. „Dann hoffen wir, dass dich dein Gefühl nicht im Stich lässt.“

      Geheime