Der Gott des Zwielichts. Joachim Kurtz

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Название Der Gott des Zwielichts
Автор произведения Joachim Kurtz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187104



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Sie tastete sich an seinen muskulösen Armen hinauf, und die Kälte reichte bis an die Schultern, die breit und kantig aus dem fellenen, ärmellosen Wams ragten. Bei alledem stand Schweiß auf seiner wächsernen Stirn. Sie begann ihm das Wams aufzuschnüren, schob ihre Hände über seinen harten, jugendlichen Leib, und noch ehe sie unter seine Achseln greifen konnte, waren ihre Handinnenflächen naß vom herabströmenden Schweiß.

      „Du bist kalt“, hörte sie sich stammeln, „so kalt.“

      Und doch konnte sie nicht mehr an sich halten. Es wäre womöglich nicht geschehen, hätte ihr nicht die Angst im Nacken gesessen, die sie um jeden Preis abschütteln oder wenigstens für eine Weile vergessen wollte; mit einer plötzlichen Bewegung warf sie sich auf ihn, schlang ihre Beine um seine Hüften und küßte ihn. Leidenschaftlich preßte sie ihren Mund auf den seinen und schob ihre Zunge hinein. Hadhuin wußte offensichtlich nicht, wie ihm geschah und war starrer als zuvor, wenn er unter ihrem Ansturm auch mählich den Kopf in den Nacken beugte. Heftig rieb sie ihren Unterleib an ihm, und als sie von ihm abließ, dann nur um aufzustehen und ihn zum Schlaflager zu ziehen.

      Sie fand es unglaublich, wie gleichgültig er alles mit sich geschehen ließ. Seine Augen waren wie die eines Kindes, als sie ihn auf die Felle niederstieß und ihm weinend die Kleidung vom Leib zu reißen begann. Nackt und keuchend lag er unter ihr und schaute sie an, aus einer Unschuldsmiene wie sie ihr bis vor wenigen Augenblicken noch unmöglich erschienen wäre. Sie hockte mit gespreizten Beinen auf ihm und wartete, daß er etwas unternehme. Aber nichts geschah.

      Und dann begann sie auf ihn einzuschlagen. Mit flachen Händen schlug sie ihn ins Gesicht, links, rechts, links, rechts, ohne Unterlaß.

      „Du verdammter, nichtsnutziger Auswurf einer Sklavenmutter!“, brüllte sie ihn an. „Du beschissenes, davongelaufenes Aas!! Ihr Hurenböcke seid doch alle gleich! Was willst du überhaupt hier? Wer hat dich gerufen? Ich hasse dich! Hörst du?? Ich hasse dich!!! Was beim....“

      Und da, endlich, kam eine Reaktion. Zunächst griff er nach ihren frenetisch auf ihn einschlagenden Armen und hielt sie fest, während sie ihm, erstickt vom Schluchzen, die letzten Verwünschungen ins Gesicht spie. Mit gewandten Bewegungen machte er sich unter ihr frei, warf sie auf den Rücken und schob ihr das wollene Kleid hinauf, bis über die Hüften. Sie lag jetzt unter ihm, die Beine auseinandergerissen, und erwartete ihn zornig.

      Aber es nützte alles nichts. Er fand sie nicht, sie mußte ihm helfen. Leise stöhnte er auf, als sie mit sicherer Hand sein pralles Glied packte, es anfeuchtete und ihm die Richtung wies. Bis es seinen Weg alleine fand.

      Als er endlich in sie drang und dabei unerbittlich ihr Fleisch auseinandertrieb, mit heftigen Stößen, groß und gewaltig wie ein Rammbock, fühlte sie sich halbwegs versöhnt. Nun war es an ihr, zu stöhnen und sich zu winden. Doch sobald der erste Schmerz vorbei war, glätteten sich ihre Wangen. Sie lächelte.

      Alle Häßlichkeit fiel von ihr ab wie das Fadengespinst um einen flugbereiten Schmetterling.

      Lange hatte sie dieses Gefühl vermißt!

      Sie lag auf ihrer linken Körperseite, angenehm in die Decke vermummt. Unter sich spürte sie den Fellbelag des Lagers an ihrer nackten Haut. Ohne die Augen zu öffnen wußte sie, daß es Nacht geworden war. Dennoch konnte sie nicht lange geschlafen haben. Sie war höchstens kurz weggedämmert, davongetragen und gewiegt wie auf einem Floß von dieser wohligen Schläfrigkeit, die einen nur nach dem wilden, begehrenden Ansturm des eigenen Körpers mit dem eines anderen befällt.

      Leise ächzend reckte sie ihr rechtes Bein nach vorne, gefolgt von ihren Arm, um ihn zu suchen, jenen Lust und Wärme spendenden Leib, und sich an ihn zu schmiegen. Aber der Platz neben ihr schien leer. Träge und widerwillig öffnete sie die Augen; sie nahm vom Fußende des Lagers her ein Flackern war, sah den rötlich–gelben, tanzenden Abglanz des Herdfeuers an der Wand gegenüber und fand ihn durch das vertraute Knacken bestätigt.

      Dann vernahm sie seine leise Stimme:

      „Und wann genau gedenkst du aufzubrechen?“

      Hellwach geworden richtete sie sich auf und krallte vor ihrer Brust die Finger in die Decke.

      „Morgen, in aller Frühe.“

      Letztere war die Stimme Faghnars, der mit dem Rücken zur Tür saß, also mit dem Gesicht zu ihr. Aber er schien ihr keine Beachtung zu schenken. Er hielt die breite Kapuze über den Kopf geschlagen. Der Schein des niedrigen Feuers beleuchtete von unten her den großzügig geschwungenen Mund, den der dichte, wallende Bart wie ein Wasserfall umflutete.

      „Wann werde ich dich wiedersehen?“

      „Wenn deine Zeit gekommen ist.“

      Sie stahl sich von ihrem Lager und zog ihr wollenes, bis zu den Knöcheln reichendes Kleid über. Barfüßig trippelte sie am Herd vorbei, kniete vor Faghnar nieder und griff nach seiner breiten Hand.

      „Bitte, bleib! Wenigstens noch für ein paar Tage.“

      Faghnar machte seine Hand frei, um die Kapuze zurückzuschlagen. Sie erschrak, als sie in seine eisig erstarrte Mine blickte.

      „Nichts lieber als das. Aber ich habe schon zu viel Zeit verloren. Mein Trost ist, daß ich eine schreckliche Bedrohung von euch abwenden konnte. Nur diese eine Nacht gewähre mir also noch zur Ruhe an deinem Herd. Ich werde sie brauchen, bevor ich mich anderen Angelegenheiten zuwende.“

      Faghnars menschliche Züge, so wie sie sie kannte und für unveränderlich hielt, waren die eines Mannes im fortgeschrittenen Alter. Aber jetzt hätte sie schwören mögen, daß er seit ihrer letzten Begegnung – seit dem Vorabend also! – eine Spur ergrauter aussah. Der Anblick machte sie schaudern. Was für Zeiten kündigten sich wohl an, wenn schon die Götter zu altern begannen?

      Der Gedanke war noch nicht recht zu Ende gedacht, da war sie bereits sicher, sich getäuscht zu haben. Ihr gegenüber saß ein Unsterblicher: so wie er vor Äonen einer war, so wie er es immer sein würde. Er breitete in einladender Geste die Arme aus, faßte seine beiden Schützlinge um die Schultern und sprach:

      „Aber laßt uns zum Abschied ein würdiges Mahl genießen. Hadhuin, hol das erlegte Reh herein, das draußen im Schnee liegt. Ich werde dir zeigen, wie man es ausweidet und häutet, und dann wollen wir es gemeinsam zubereiten.“

      Faghnars Blick funkelte im Widerschein des Feuers wieder mit solcher Lebendigkeit, daß man darüber seine Entstellung vergaß.

      So saßen sie wenig später um den Röstbraten herum, den Faghnar auf einen langen Ast gespießt hatte und geduldig wendete. Die an den Vorder- und Hinterläufen herausragenden Enden ruhten in den aufwärts ragenden Vergabelungen zweier weiterer Äste, die er geschickt zwischen den Bohlen des Hüttenbodens und der gemauerten Feuerstelle verkeilt hatte. Hin und wieder hieß er Hadhuin mit einem angespitzten Wacholderzweig in das garende Fleisch stechen, während die Hausherrin behutsam Met darüberträufelte. Nachdem sie den Braten kurz vom Feuer genommen und die Einstichstellen mit Zweigen getrockneten Thymians gespickt hatten, zog ein unvergleichlicher Duft durch die Hütte.

      Als sie den ersten Bissen kostete, wußte sie eines sicher: keine Fürstin oder Königin hatte je solch ein Mahl genossen! Denn Faghnar, wiewohl er sich auch in Burgen und Palästen bewirten ließ, machte dort niemals einem Truchsessen oder Küchenmeister das Amt streitig.

      Ihr Blick fiel auf das gewendete Rehfell, das zum Abtrocknen neben dem Herdfeuer hing. Die Innereien dagegen hatte Hadhuin in den Schnee hinausgeworfen. Nur Leber, Nieren und Herz hatte er auf Faghnars Geheiß zurückbehalten und zum Rösten gesondert auf die Wacholderzweige gespießt, die der Gott ebenfalls aus dem Wald mitgebracht hatte.

      Sie ahnte, für wen das restliche Gekröse wie auch die abgenagten Knochen bestimmt waren. An Hadhuin gewandt fragte sie:

      „Der Wolf hat sich dir also auf deinem Weg hierher angeschlossen?“

      Und ehe er etwas entgegnen konnte, ließ Faghnar verlauten:

      „Von Yskeard weiß ich, daß du ihm in der alten Festung von Ghwil Dwyrna begegnet bist.“

      Hadhuin