Das Mysterium der Wölfe. Anna Brocks

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Название Das Mysterium der Wölfe
Автор произведения Anna Brocks
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754954881



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die eigentlich sehr gutherzig ist, konnte man tiefen Hass und immense Trauer verspüren, als wir über die vielen Todesfälle sprachen. Die Schatten wurden regelrecht ausgerottet, sowohl von Wölfen als auch von Menschen, die von ihrer Existenz wussten. Nathan erklärte mir später, dass sie Rache genommen hatten. Das Rudel verbrachte eine lange Zeit damit, die Verantwortlichen zu suchen und zu töten, bevor sie sich auf die Suche nach den Amuletten gemacht haben. Je länger wir darüber sprachen, desto besser konnte ich sie verstehen.

      „Komm schon! Ein wenig schneller, wenn ich bitten darf!“ Marlows Worte weisen mich darauf hin, dass die anderen schon ein gutes Stück weiter vorne sind. Ich war wohl etwas in Gedanken versunken.

      Sofort schließe ich auf: „Ja, sofort!“ Nun kann ich es mir nicht mehr erlauben, abwesend zu sein. Wir gehen immerhin jagen. Endlich bekomme ich eine Möglichkeit, um zu zeigen, was ich kann. Ich darf die Chance nicht verstreichen lassen.

      Der Tag war enorm anstrengend. Zuerst das viele Laufen, danach die Suche nach Beute und dann auch noch die Jagd. Wenigstens können wir uns nun alle ausruhen, nachdem wir gut gegessen haben. Die Beute war mehr als ausreichend für das gesamte Rudel. Der riesige Keiler hat sich zwar gar nicht erst auf einen Kampf eingelassen und sofort die Flucht ergriffen, aber als ich ihn hatte, war die Sache schnell vorüber. Die anderen staunten nicht schlecht, als ich das Biest mit einem Biss niedergestreckt habe.

      „Das heute war wirklich gute Arbeit, Jessica.“ Kam das Lob gerade von Marlow? Auch das restliche Rudel horcht auf. „Du warst eine große Hilfe bei der Jagd.“

      Ehe ich etwas darauf sagen kann, setzt Ian fort: „Ja, das stimmt. Ein derartig großes Tier nach einer Verfolgungsjagd so einfach auszuschalten, ist schon eine Leistung. In dir steckt offensichtlich eine wahre Schattenwölfin.“ Er lacht kurz auf.

      Ich fühle mich ehrlich gesagt geschmeichelt und grinse vor mich hin: „Danke, aber das war keine allzu große Besonderheit. Immerhin musste ich in den letzten Wochen lernen, allein zu jagen.“

      Nathan lächelt: „Das merkt man dir an. Du kommst allein wohl besser zurecht als die meisten von uns.“

      „Ja, das war wirklich nicht übel, Jessica.“ Überrascht blicke ich zu Mara, die gerade das erste Mal meinen Namen in den Mund genommen hat. „Ich muss zugeben, dass ich das nicht erwartet habe. Du scheinst vielleicht doch eine Kämpfernatur zu sein. Sowas kann man immer brauchen.“ Hat sie mir gerade tatsächlich ein Kompliment gemacht? Ich denke schon.

      Mit einem Lächeln im Gesicht zucke ich mit den Schultern: „Kann schon sein.“ Es ehrt mich auf gewisse Weise, dass das eben sogar von Mara kam. Wenn ich mich weiterhin bemühe, akzeptiert sie mich vielleicht auch endlich als Mitglied des Rudels.

      „Und das ist nicht ihre einzige Stärke, wenn ich mich recht erinnere.“ Mein Blick haftet nun wieder auf Marlow. Meine Miene ist nun genauso ernst wie seine. Jetzt ist es wohl soweit. Ich wusste schon, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis er mich darauf ansprechen würde. Dieses Gespräch könnte nun unangenehm werden.

      Dennoch bleibe ich vorerst gelassen: „Da hast du recht. Du kennst meine Fähigkeit schon sehr gut, nicht wahr?“

      Marlow verschränkt die Arme: „Erzähl uns doch ein wenig davon. Beschreibe mir, wie deine Gabe genau funktioniert. Vor allem wie du sie einsetzen kannst, würde mich brennend interessieren.“ Er stellt sich eindeutig dumm. Schließlich weiß er über diese Sache mindestens genauso viel wie ich. Marlow will auf etwas Bestimmtes hinaus und ich kann mir schon denken, worauf.

      Erneut antworte ich kühl: „Ich kann das Unterbewusstsein auf verschiedene Weisen kontrollieren. Das kann ich bei mir selbst und auch bei anderen anwenden.“ Offensichtlich wartet er auf eine genauere Ausführung. Also setze ich fort. „Es ist mir möglich, meine Seele für kurze Zeit von meinem Körper zu lösen. Außerdem kann ich in die Träume anderer eindringen. Beides dient hauptsächlich dazu, um an nützliche Informationen zu gelangen oder Einblick in die Gedanken und Gefühle anderer zu bekommen.“

      „Klingt echt nützlich, wenn ihr mich fragt.“ Jaden hat plötzlich ein hämisches Grinsen im Gesicht. „Denkt ihr dasselbe, was ich denke? Mit Jessicas Fähigkeit haben wir endlich die Lösung unseres Problems gefunden.“

      Mara schüttelt den Kopf: „Ich habe keine Ahnung, worauf du hinauswillst.“

      Als Jaden seine Idee näher ausführen will, kommt ihm Nathan zuvor: „Es ist doch völlig offensichtlich, woran er denkt. Seit Wochen sind wir auf der Suche nach einem Anhaltspunkt, um die übrigen Amulette zu finden. Bisher waren wir erfolglos, aber das könnte sich nun ändern.“

      Marlow ergreift wieder das Wort: „Akeylas Fähigkeit ist mittlerweile nutzlos für uns geworden.“ Sie blickt beschämt zu Boden. „Das andere Rudel ist schlau genug, um die Amulette versteckt zu halten. Der Lichtwolf trägt sie bei sich und hat sich bisher nicht mehr in einen Menschen verwandelt, was wiederum bedeutet, dass sich unsere Ziele in der Raum-Zeit-Lücke befinden.“

      Ich führe seinen Gedanken zu Ende: „Was heißt, dass Akeyla nicht mehr in der Lage ist, sie zu orten.“

      Nickend erklärt Ian weiter: „Für unser Vorhaben, die Herren der Finsternis zu befreien, brauchen wir leider alle Amulette. Sie müssen zur selben Zeit am selben Ort sein, am Schattenberg. Dort wurden unsere Vorfahren einst in die Steine der Amulette gesperrt und nur dort können sie auch wieder aus ihren Gefängnissen ausbrechen.“

      „Und da kommst du ins Spiel.“ Marlows Augen funkeln regelrecht. „Du wirst dich in die Gedanken deiner früheren Kameraden einschleichen und ihren Aufenthaltsort in Erfahrung bringen. Dann statten wir ihnen einen Besuch ab und bringen die restlichen Amulette in unseren Besitz.“

      Plötzlich lacht Mara laut auf: „Das ist brillant! Ich kann es kaum erwarten, diesen miesen Nervensägen endlich zu geben, was sie verdienen! Den Tod!“ Ich erstarre. Ein grausames Bild spielt sich vor meinem inneren Auge ab. Pures Entsetzen überkommt mich. Ohne jegliche Gefühlsregung starre ich ins Leere.

      „Was ist denn, Jessica?“ Marlow sieht mich skeptisch an. „Diese Aufgabe wird doch wohl hoffentlich kein Problem für dich darstellen?“

      Es ist mir nicht möglich, einen vollständigen Satz zu formulieren: „Ich weiß nicht, ob...“ Ich stocke. „Es kann sein, dass ich…“ Alle Augen sind auf mich gerichtet. Völlig sprachlos schaue ich einen nach dem anderen an. Sie warten auf eine Antwort. Lediglich Nathan wirkt zutiefst besorgt und deutet mit einer unauffälligen Handbewegung an, dass ich endlich etwas sagen soll.

      Nun ist Marlows Geduld zu Ende: „Vergiss nicht, auf welcher Seite du stehst! Du hast dich für die Schatten entschieden! Jeder, der nicht zu uns gehört, ist ein Feind und wir zeigen unseren Feinden gegenüber keine Gnade!“

      Augenblicklich finde ich meine Konzentration wieder und antworte Marlow mit ernstem, aber gleichzeitig bedauerndem Tonfall: „Es tut mir aufrichtig leid, aber es ist mir nicht möglich, in die Gedanken meines früheren Rudels einzudringen.“

      Mit schriller Stimme platzt Mara heraus: „Wieso nicht? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Erklär uns das!“

      Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen: „Den genauen Grund kenne ich selbst nicht. Meine Vermutung ist, dass Jakes Anwesenheit meine Fähigkeit blockiert. Er ist ein Lichtwolf und scheint das gesamte Rudel vor meinem Eindringen in deren Unterbewusstsein zu schützen. Ich habe es bereits mehrmals versucht und es war bisher immer nur dasselbe. Vor mir erscheint ein weißes Licht, das mich blendet. So sehr ich mich auch anstrenge, da komme ich nicht durch. Es ist unmöglich, eine Verbindung herzustellen.“

      Sie schreit noch lauter: „Das darf doch nicht wahr sein!“ Noch immer schauen alle nur mich an. Ich bemühe mich, so gelassen und ernst wie möglich zu wirken. Sie dürfen nicht merken, dass alles, was ich eben gesagt habe, eine einzige Lüge war.

      Ian schüttelt enttäuscht den Kopf: „Das ist äußerst bedauerlich. Jetzt sind wir also nicht schlauer als zuvor. So kommen wir nicht weiter.“ Ich weiß nicht, warum ich gelogen habe. Mich hat plötzlich eine solche Panik gepackt, dass mir gar nichts