Das Mysterium der Wölfe. Anna Brocks

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Название Das Mysterium der Wölfe
Автор произведения Anna Brocks
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754954881



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erstreckt.

      Ich gehe näher ran und blicke hinein: „Glaubst du, dass sich dahinter ein Raum befindet? Das würde dann wohl bedeuten, dass sie uns beobachten.“ So etwas habe ich schon oft genug in Filmen gesehen. Dieser Raum gleicht einem Verhörzimmer. „Es würde mich brennend interessieren, wer hinter all dem steckt.“

      „Kein Problem, das haben wir gleich.“ Ohne weitere Worte geht Marlow direkt auf den Spiegel zu. Er ballt seine rechte Hand zu einer Faust und schlägt fest gegen das Glas. Es rührt sich keinen Millimeter. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Erneut holt er aus. Diesmal stelle ich mich aber zwischen ihn und die Spiegelwand. Sein entsetzter und zugleich wütender Blick trifft mich.

      Kopfschüttelnd schaue ich ihm in die Augen: „Das bringt nichts. Diese Menschen werden nicht so dumm sein und nur eine normale Glasscheibe zwischen sich selbst und sieben Schattenwölfe bringen. Das ist mit Sicherheit Panzerglas.“

      Knurrend tritt Marlow ein paar Schritte zurück: „Na gut, wenn du in Bezug auf die Menschen alles besser weißt, dann verrate mir eines. Wieso zum Teufel haben sie uns gefangen genommen und uns nicht gleich umgebracht, wenn sie wissen, wie gefährlich wir sind?“ Leider kenne ich den Grund nur allzu gut. Es fällt mir nur schwer, darüber zu sprechen. Marlow wird ungeduldig. „Hast du etwa keine Antwort darauf?“

      Ich senke den Kopf: „Leider doch. Als wir auf der Suche nach dem Portal waren, das uns zum letzten Amulett bringen sollte, habe ich eine schreckliche Entdeckung gemacht, die das alles hier erklären könnte.“

      Neugierig tritt Mara näher an mich heran: „Wovon sprichst du, Jessica? Raus mit der Sprache! Was hast du gesehen?“

      „Ich fand eine Art Forschungseinrichtung.“ Vor meinem inneren Auge sehe ich die Bilder der blutverschmierten Zellen ganz genau. „Die Menschen haben dort Versuche an Wölfen durchgeführt. Sie nahmen, wie es scheint, keine Rücksicht auf deren Alter oder Herkunft. Für sie waren diese Wölfe alles nur wilde Tiere, die sie studieren wollten.“ Ich bekomme Gänsehaut.

      Ian will noch mehr wissen: „Woher weißt du das? Das kann doch gar nicht sein!“

      „Leider doch.“ Meine Hände beginnen zu zittern. „Sie haben sie gefoltert. Immer wieder. Jeden Tag. Die Aufzeichnungen waren schrecklich.“ Ich spüre, wie sich eine Dunkelheit in mir aufbaut.

      „Jessica? Alles in Ordnung mit dir?“ Nathans Stimme höre ich kaum noch. In meinem Inneren stelle ich mir nur noch die Schreie der zahlreichen Opfer vor. Ich sehe sie alle vor mir. Die schrecklichen Bilder, die ich mir ausmale, werden immer schlimmer.

      Die enorme Wut steigt in mir hoch und ich spüre, wie sich die schwarze Aura auf meinem Körper ausbreitet: „Wie kann man nur so grausam sein? Warum nur?“ Ich kneife die Augen fest zusammen. „Diese Monster!“ Mit einem Mal entlädt sich all der Hass und ich schlage fest gegen die Spiegelwand. Das Klirren des Glases lässt mich erschrecken und ich öffne die Augen. Genauso schnell, wie sie gekommen ist, verschwindet die schwarze Aura wieder.

      Mara tritt mit entsetztem Blick zurück: „Das war unglaublich.“ Alle starren mich fassungslos an. Sogar Marlow fehlen die Worte.

      Beschämt schüttle ich den Kopf: „Es tut mir leid. Ich wollte das nicht. Hin und wieder verliere ich einfach die Kontrolle. Das ist so…“

      „Wunderbar.“ Überrascht über diese Bemerkung blicke ich zu Marlow. Sein Schrecken ist mit einem Mal in Begeisterung übergegangen. „In dir steckt noch viel mehr, als ich geglaubt habe. Du bist ein Meisterwerk unserer Rasse.“ Ich bin fassungslos. Bisher hatten alle immer nur Angst vor mir, wenn ich die Kontrolle verloren habe, aber hier wird das sogar anerkannt. All meine vorherigen Schwächen scheinen nun als Stärken gesehen zu werden.

      Jaden hat ein Lächeln im Gesicht: „Nun haben sich unsere Probleme wohl von selbst gelöst.“ Er deutet auf die zerbrochene Spiegelwand, hinter der sich tatsächlich ein Raum befunden hat. Darin befinden sich verschiedene Geräte und, was noch viel wichtiger ist, eine offene Tür. „Die Menschen haben wohl im Eifer ihrer Flucht vergessen, die Tür zu verriegeln. Schwerer Fehler.“

      Akeyla ändert plötzlich ihre Gestalt: „Na dann los! Wir müssen die Amulette zurückholen! Sie werden bestimmt nicht auf uns warten!“ Also tun wir es ihr gleich.

      Laut lachend läuft Mara voraus: „Die werden sich wünschen, niemals geboren worden zu sein!“ Wir folgen ihr. Ich bilde das Schlusslicht. Mara scheint ihrem Instinkt zu folgen, als sie durch die vielen Gänge des Gebäudes läuft. „Ich kann ihre Angst förmlich riechen! Es wird nicht schwer sein, sie auszumachen!“ Grausamkeit scheint wohl Maras besonderes Talent zu sein. Leider weiß ich noch nicht recht, was ich davon halten soll. Will sie tatsächlich alle Menschen, die uns über den Weg laufen, töten? Das ist ein riesiges Firmengebäude. Vielleicht sind auch Unschuldige hier.

      „Du darfst nicht zögern, Jessica.“ Nathan läuft plötzlich neben mir her und hat seine Stimme gesenkt. „Das ist deine Chance, um zu beweisen, dass du eine von den Schatten bist. Wenn du ihr Vertrauen gewinnen willst, darfst du kein Erbarmen zeigen. Also zögere nicht, auch wenn es wehtut.“ Ohne etwas dagegen einzuwenden, nicke ich. Nathan hat vollkommen recht. Mir bleibt keine andere Wahl.

      „Da vorne sind sie!“ Ians Stimme lässt mich wieder nach vorne blicken. Wenige Meter vor uns verschwinden die letzten Menschen hinter einer Stahltür, die der aus dem Verhörzimmer gleicht.

      Laut brüllend legt Marlow an Tempo zu: „Sie dürfen die Tür nicht schließen! Ian, hol sie dir!“ Sofort reagiert Ian und beschleunigt enorm. Im letzten Moment schleudert er seinen schweren Körper gegen die Tür, bevor diese einrastet. Nun haben die Menschen keine Chance mehr. Wie eine reißende Flut strömt das gesamte Rudel in den Raum und binnen Sekunden entsteht ein Blutbad.

      Mara schnappt sich einen nach dem anderen, während die Leute schreiend in alle Richtungen fliehen. Auch die übrigen machen kurzen Prozess mit den Menschen. Sie machen keinen Unterschied, wen sie zu fassen bekommen. Manche versuchen, sich unter den vielen Schreibtischen zu verstecken, aber umsonst. Der große Büroraum sieht wie ein Schlachtfeld aus. Umgeworfene Möbel, herumfliegende Zettel, Blut und leblose Körper überall. Dazu kommen noch die Todesschreie der Opfer.

      Ich selbst stehe nur da und bin völlig überfordert. Noch scheint keiner meiner Gefährten darauf aufmerksam geworden zu sein. Sie sind wohl alle viel zu sehr im Kampfesrausch. Hilflos schaue ich zu Nathan, der gerade einen jungen Mann vor sich liegen hat, welcher zitternd um sein Leben fleht. Vergeblich. Ein Schlag mit Nathans Pranke reicht, um ihm das Leben zu nehmen.

      Mit blutverschmiertem Gesicht sieht Nathan zu mir: „Los jetzt! Denk einfach daran, was sie alles getan haben!“ Sein Befehl reißt mich aus meiner Starre und ich laufe los. Ich darf kein Mitleid zeigen. Es muss so sein.

      Mit diesem Gedanken mache ich mein erstes Opfer aus. Innerhalb weniger Sekunden habe ich den älteren Mann eingeholt und stoße ihn um. Ich lasse ihm keine Zeit, sich zu wehren und schnappe nach seiner Gurgel. Ein Biss genügt und sein weißer Laborkittel färbt sich rot. Plötzlich höre ich ein ängstliches Wimmern unmittelbar neben mir. Unter einem Schreibtisch kauert eine junge Frau. Und erneut muss ich mir Nathans Anweisung ins Gedächtnis rufen. Kein Zögern. Also beiße ich in ihr Bein und ziehe sie aus ihrem Versteck hervor.

      „Nein, bitte nicht!“ Tränenüberströmt liegt sie vor mir und macht keine Anstalten zu fliehen oder sich zu wehren. Die Frau fleht lediglich um ihr Leben. „Bitte, bitte nicht! Lass mich gehen!“ Ich blicke nur kurz in ihr völlig verängstigtes Gesicht, dann wende ich mich ab und jage meine Klauen tief in ihren Brustkorb. Erst als sie nicht mehr zuckt, sehe ich sie wieder an. Schockiert weiche ich zurück. Die Frau trägt keinen Laborkittel, sondern ein ganz normales Business-Outfit. Wie es scheint, hat sie einfach hier in dem Büro gearbeitet. Vielleicht wusste sie nicht einmal, was ein paar Räume weiter geschieht. Sie war jung, zu jung. Ich muss mich abwenden.

      Plötzlich stupst mich jemand von der Seite an: „Wir müssen weiter. Akeyla hat die Amulette in einem anderen Raum ausgemacht. Komm mit.“ Es ist Nathan. Die anderen sind bereits weitergelaufen. Nun ist es völlig still. Ich kann mich nicht rühren. Noch immer entsetzt