Das Mysterium der Wölfe. Anna Brocks

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Название Das Mysterium der Wölfe
Автор произведения Anna Brocks
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754954881



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dass wir das auf die sanfte Tour regeln können.“ Ich wusste es. Blake führt etwas im Schilde, vermutlich schon die ganze Zeit.

      Meine Freundlichkeit ihm gegenüber ist mit einem Schlag wie weggeblasen: „Jetzt sag mir endlich, was du von mir willst. Rede oder ich hole mir meine Informationen selbst!“ Ich weiß mittlerweile, wie ich meine Fähigkeiten zu meinem Vorteil nutzen kann. Wenn er nicht bald mit der Antwort rausrückt, statte ich ihm einen Besuch in seinem Unterbewusstsein ab.

      Überraschenderweise beginnt er aber gleich zu erzählen: „Gut, warum eigentlich nicht? Du hast schließlich das Recht zu erfahren, warum ich dich jetzt mitnehmen werde.“ Das soll er mal versuchen. „Beginnen wir am besten nochmal von Anfang an. Ich habe dir doch erzählt, dass ich Leader aus gutem Grund verfolge. Die Geschichte mit meinem Rudel, meiner Familie und so weiter.“

      Seine gleichgültige Stimme veranlasst mich, Verdacht zu schöpfen: „Das war alles eine Lüge, nicht wahr?“ Er nickt stolz. „Wirklich beeindruckend. Normalerweise täuscht man mich nicht so leicht. Du hast die Geschichte sehr glaubwürdig verkauft, das muss man dir lassen.“

      „Vielen Dank. Nun willst du bestimmt wissen, was es tatsächlich damit auf sich hat, dass ich in der Stadt war. Ganz einfach gesagt, es hat etwas mit meiner Berufung zu tun. Ich bin Kopfgeldjäger, musst du wissen.“

      Nun wird mir so einiges klar: „Deshalb hast du so viele Dinge über Leader gewusst. Es war dein Job, ihn so gut es nur geht auszuspionieren und dir dann seinen Kopf zu holen, nicht wahr?“

      „Stimmt.“ Er deutet auf Leaders Leiche. „Dieser Kerl hat mir ein paar Wochen intensive Arbeit gekostet. Ich habe all seine Bewegungen studiert, immer darauf gewartet, dass ich ihn allein erwische, aber es war aussichtslos. Das Kopfgeld ist sehr hoch, deshalb habe ich mich darauf eingestellt, dass das eine langwierige Sache wird, aber dass es so lange dauern würde? Ich war kurz davor, doch wieder aufzugeben.“

      Die Geschichte nimmt langsam Gestalt an und ich denke noch einen Schritt weiter: „Dann bin ich dir in die Quere gekommen.“

      Nickend stimmt Blake zu: „Ja, das ist vollkommen richtig. Ich habe sofort bemerkt, dass du dich der Stadt näherst. Seit du den ersten Schritt in Leaders Territorium gesetzt hast, beobachte ich dich. Anfangs dachte ich, du wärst wieder nur ein weiteres Opfer von ihm, das durch einen unglücklichen Zufall in die Stadt gekommen ist, aber dem war nicht so.“

      Neugierig frage ich nach: „Du hast also das Gespräch zwischen mir und Leader von Anfang an verfolgt? Und auch als der Kampf begonnen hat, warst du da?“ Er nickt. So viel zu dem Thema, dass er mir geholfen hat. Was für eine Heuchelei.

      Dann setzt er fort: „Und genau dieser Kampf hat mich zum Nachdenken veranlasst. Wie du in deiner menschlichen Gestalt einen Wolf nach dem anderen zu Fall gebracht hast, einfach unglaublich. Von diesem Zeitpunkt an begann eine Idee in meinem Kopf Gestalt anzunehmen.“ Er hält kurz inne. „Du bist eine Schattenwölfin und ich musste Leader irgendwie zu fassen kriegen. Warum also nicht dich zu meinem Vorteil nutzen?“

      Ich lache bitter: „Du bist verdammt gerissen, das muss man dir lassen. Nachdem ich in eine missliche Lage gekommen war, hast du den großen Retter gespielt. Anfangs war ich noch misstrauisch, aber dann hast du mir die Geschichte mit deiner Schwester aufgetischt. Ich habe dir sofort geglaubt. Oft genug habe ich nun selbst schon jemanden verloren, der mir wichtig war und wusste, wie man sich dabei fühlt.“

      Auf einmal wird Blake ernst: „Eines war nicht gelogen. Ich hatte enormen Hass auf Leader. Er entführt kleine Wölfe aus den Rudeln, nur um sich selbst eine unterwürfige Horde völlig verzweifelter Lakaien zu schaffen. Glaub mir, er ist ein Scheusal gewesen.“ Dann atmet er tief durch. „Ich hatte keine andere Wahl, als dich anzulügen. Anders wärst du mir bestimmt nicht gefolgt oder hättest mir misstraut.“

      „Das macht schon alles Sinn, aber eines verstehe ich nicht.“ Fragend sehe ich ihm in die Augen. „Was hat das damit zu tun, dass du mich nicht gehen lassen willst? Du hast mich für deine Zwecke missbraucht. Jetzt hast du doch, was du von Anfang an wolltest. Hättest du mich zuvor einfach gehen lassen, wäre ich nie dahintergekommen. Warum also?“

      Blake macht einen Schritt zurück: „Das ist eigentlich ganz einfach.“ Er hält Abstand. Ganz klar, immerhin weiß er genau, wie stark ich bin und genauso gut wird er wissen, was passiert, wenn man eine Schattenwölfin wütend macht. „Du bist eine der wenigen Schatten, die es noch gibt. Den Kopf von einem von euch zu bringen, macht mich einerseits unermesslich reich und bringt mir Ruhm und Ehre. Davon werden noch Generationen sprechen.“ Ich wurde hintergangen. Wie konnte ich nur glauben, dass mich jemand akzeptieren könnte, so wie ich bin? Sie sind doch alle gleich. Menschen und Wölfe, alle wollen sie mir schaden.

      Eigentlich sollte ich jetzt schockiert sein, aber ich bleibe dennoch ganz ruhig: „Es trifft mich, dass du mich von Anfang an nur für deine eigenen Zwecke missbraucht hast. Die ganze Sache hat aber auch seine guten Seiten.“ Er reagiert überrascht. „Du hast mir etwas Wichtiges gezeigt und mir eine Entscheidung abgenommen. Es gibt niemanden, der mich als Schattenwölfin jemals schätzen wird, außer die Schatten selbst. Ich weiß nun, wo ich hingehöre.“

      „Wenn du das sagst.“ Meine Worte scheinen Blake zu verwirren. „Freut mich, dass ich dir helfen konnte. Leider wird dir das nicht mehr viel bringen, denn du wirst wohl oder übel mit mir kommen müssen.“

      Nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, folgt meine Antwort: „Schade eigentlich. Du bist bestimmt kein schlechter Kerl, Blake. Tut mir leid für dich, dass du diesen Weg gewählt hast.“ Ich gehe in Kampfposition. „Du kannst dich noch anders entscheiden und wir beide gehen einfach getrennte Wege. Solltest du mich aber angreifen, erwarte keine Rücksicht von mir.“

      Er beginnt zu lachen: „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich dich jetzt noch gehen lasse? Ich bin viel zu weit gekommen!“

      Enttäuscht blicke ich zu Boden: „Dann sei es so.“ Im selben Moment verwandelt sich Blake und stürmt mit gefletschten Zähnen auf mich zu. Als er kurz vor mir ist und mit dem aufgerissenen Maul nach mir schnappt, mache ich einen schnellen Schritt zur Seite, hole gleichzeitig mit den Armen aus, lege die rechte Hand in die linke und verpasse ihm einen gezielten Schlag auf den großen Wolfskopf. Blake sinkt augenblicklich zu Boden und nimmt seine menschliche Gestalt an. Er hat das Bewusstsein verloren.

      Ich bleibe noch einen Moment bei ihm stehen und blicke auf ihn herab. Mir kommt ein Gedanke. Es gibt da noch etwas, das ich wissen möchte, bevor ich gehe. Wie hat mich Blake gesehen? Waren es nur leere Worte, die er mir im Laufe unserer gemeinsamen Zeit gesagt hat? Das muss ich noch erfahren. Es wird Zeit, wieder einmal Gebrauch von meinen Fähigkeiten als Schattenwölfin zu machen. Blake schläft tief und fest. Ich werde ihm einen Besuch in seinen Träumen abstatten.

      Es war sehr leicht, an die Informationen zu gelangen, die ich haben wollte. Als Blake alles aufgeklärt hat, hat er mir tatsächlich die ganze Wahrheit gesagt. Es war alles nur ein riesengroßer Schwindel. Eigentlich sollte mir das egal sein, aber es trifft mich dennoch irgendwie. Einen Trost habe ich trotzdem. Ich weiß nun, wo ich hingehöre. Endlich habe ich einen Plan. Mein neues Ziel ist es, die Schattenwölfe ausfindig zu machen und zu ihnen zu gehen. Nathan hat mir damals gesagt, dass dort immer ein Platz für einen Artgenossen ist.

      Was Blake angeht, um ihn habe ich mich entsprechend gekümmert. Seine Taten durften nicht ungestraft bleiben. Nebenbei konnte ich nicht riskieren, dass er mir folgt. Also habe ich ihm beide Beine gebrochen und ihn bewusstlos liegen lassen. Der Wald hier draußen ist nicht ungefährlich. Außerdem wird es bald dunkel. Die Tiere werden somit den Rest erledigen.

      Erstaunlich, wie sehr er sich selbst überschätzt hat. Er war doch tatsächlich fest davon überzeugt, in einem Kampf gegen mich bestehen zu können. Und das, obwohl er genau wusste, wie stark ich war. Er muss blind gewesen sein vor Gier und Habsucht. Das hat er nun davon.

      Ich mache mich nun auf den Weg in die große Hafenstadt. Von dort aus dürfte es leicht sein, an Informationen zu gelangen. Wenn ich dann ein fixes Ziel habe, werde ich das nächste Schiff nehmen. So gehe ich nun dem Sonnenuntergang entgegen und weiß endlich, was ich tun muss. Es wird Zeit, meiner wahren Bestimmung