Das Mysterium der Wölfe. Anna Brocks

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Название Das Mysterium der Wölfe
Автор произведения Anna Brocks
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754954881



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noch eher an Informationen kommen als in diesem Wald.“

      Jaden fragt nach: „Du meinst doch nicht etwa diese stinkende Hafenstadt, oder? Muss das denn wirklich sein?“ Wie war das? Hat er gerade das gesagt, was ich glaube gehört zu haben?

      Langsam strapaziert die Situation Marlows Nerven: „Wenn ich sage, dass wir dort hingehen sollen, dann machen wir das auch, verstanden? Keine weitere Diskussion! Wir brechen morgen früh auf.“ Er entfernt sich von der Gruppe.

      Bevor er außer Sichtweite ist, ruft ihm Ian noch nach: „Wieso denn erst morgen? Wir können doch genauso gut heute noch losziehen!“

      Es folgt eine kurze Antwort: „Weil ich euch heute keine Sekunde länger ertrage!“ Und weg ist er. Marlow sucht sich wohl ein Plätzchen, um allein zu sein.

      Die anderen schauen sich verdutzt an, als Nathan mit den Schultern zuckt: „Soll mir auch recht sein. Ich lege mich hin. Ihr solltet das Gleiche tun. Marlow will morgen bestimmt früh aufbrechen.“ Er geht wortlos zu einem Baum, setzt sich und lehnt seinen Rücken an den Stamm.

      Plötzlich wird mein Körper schwerer. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Es fühlt sich so an, als würde mich irgendeine Kraft erdrücken. Mir wird schwindlig. Es fällt mir immer schwerer, die Augen offen zu halten. Ich denke, dass ich jeden Moment das Bewusstsein verliere.

      Da bin ich wieder. Im Bett des Hotelzimmers. Der Traum ist vorbei. Es scheint so, als wäre Nathan wieder aufgewacht. Immerhin habe ich die Informationen, die ich wollte. Nun muss ich mich nur noch genau an das erinnern, was ich gehört habe.

      Eines steht fest, ich konnte mich auf keine Weise bemerkbar machen. Nicht einmal Nathan selbst scheint bemerkt zu haben, dass ich in seine Träume eingedrungen war. Ich fühlte mich wie ein stiller Beobachter und das weist auf eine bestimmte Tatsache hin. Das war eine Erinnerung. Nathan hat sich im Traum an ein vergangenes Ereignis erinnert. Aber wie weit liegt diese Erinnerung zurück? Wenn es mehrere Tage oder Wochen sind, bringt mich das nicht weiter. Liegt es jedoch erst einen Tag oder wenige Stunden zurück, wären die Schattenwölfe ganz in der Nähe.

      Ich muss zugeben, dass ich aber sehr optimistisch bin. Immerhin haben sie von einer Hafenstadt gesprochen. Sie müssen ebenfalls ein Portal benutzt haben, um die Wüste verlassen zu können. Es kann sein, dass sie nahe der Stelle rausgekommen sind, wo auch ich vor einiger Zeit gelandet bin. Das heißt, der Ort ist schon mal der gleiche. Fehlt nur noch die Zeit.

      Auch hier habe ich ein gutes Gefühl. Nathan hat sich sehr detailliert an das Gespräch erinnert, das heißt, es kann noch nicht so weit zurückliegen. Außerdem hätte ich es bei meinem Rundgang heute sofort gespürt, wenn sich Schattenwölfe in der Stadt befinden würden oder diese erst vor ein paar Tagen durchquert hätten. Ich vermute also, dass dieses Ereignis erst heute Nacht stattfand, vielleicht ist es sogar erst eine Stunde oder ein paar Minuten her. Das würde heißen, dass sie sich morgen auf den Weg hierher machen. Was für ein Glück! Ich hätte nie gedacht, dass ich sie so schnell finden würde oder besser gesagt, dass sie mich finden würden. Nun brauche ich also nichts mehr zu tun, außer zu warten. Die Schattenwölfe kommen von selbst zu mir.

      Nun bin ich endlich erleichtert. Das Problem hat sich von selbst gelöst. Heute Nacht kann ich beruhigt schlafen. Morgen muss ich völlig fit und ausgeschlafen sein, wenn ich meinen Artgenossen entgegentrete. Es dauert nicht mehr lange. Bald werde ich wieder in einem Rudel leben.

      Es ist soweit. In diesem Moment haben die Schattenwölfe die Stadt betreten. Ich konnte es genau spüren. Mein Herz hat für einen kurzen Moment ausgesetzt, dadurch bin ich aufgewacht.

      Dieses enorm starke Gefühl, wenn sie in der Nähe sind, wirft natürlich eine sehr wichtige Frage auf. Können sie mich auch wahrnehmen? Wenn sie sich auf mich konzentrieren und damit rechnen, dass ich in der Nähe bin, vermutlich schon, aber nun? Meine Aura dürfte sich von der der anderen Schattenwölfe kaum unterscheiden. Marlow und sein Rudel könnten also gar nicht wissen, dass ich da bin, weil ihre eigene Aura die meine überdeckt. Lediglich die Lichtwölfin in mir würde mich verraten, aber da diese nun nicht mehr existiert, können sie auch diese nicht mehr wahrnehmen.

      Darüber nachzudenken bringt mir nur leider auch nichts. Außerdem macht es keinen Unterschied, ob sie es wissen oder nicht. Ich werde ihnen so oder so begegnen. Dazu muss ich mich aber langsam fertig machen. Also stehe ich auf und gehe ins Badezimmer. Die letzte Dusche vor meinem Aufbruch lasse ich mir nicht nehmen. Danach werde ich mich auf den Weg machen.

      Es war nicht schwer, den Ort auszumachen, an dem sie sich befinden. Also bin ich direkt zum Hafen gelaufen und stehe nun vor einem großen Frachtschiff. Es macht durchaus Sinn, dass die Schattenwölfe dort sind, immerhin wollen sie bestimmt nicht allzu lange in der Stadt bleiben und eventuell mit dem Schiff weiterreisen. Jetzt, wo ich so vor dem Aufgang zum Frachter stehe, werde ich etwas nervös. Bald begegne ich meinen Artgenossen, die früher meine schlimmsten Feinde waren. Wie werden sie wohl reagieren? Es gibt nur eine Möglichkeit, um das herauszufinden.

      Ich gehe an Bord des Schiffes. Zum Glück ist es noch sehr früh am Morgen und es befinden sich keine Leute hier. Ich spüre ihre Anwesenheit immer stärker, je mehr ich mich der großen Ladefläche des Schiffes nähere. Dann stehe ich vor einer Luke, die in das Innere des Frachters führt. Sie ist offen. Es besteht kein Zweifel. Darin müssen sie sein, ich bin mir ganz sicher. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich atme noch einmal tief durch und trete in die Dunkelheit.

      Stufe für Stufe steige ich die Eisentreppe hinab. Jeder meiner Schritte hallt durch den riesigen Frachtraum. Als ich ganz unten ankomme, sehe ich mich um. Der Frachtraum ist voller großer Container. Einzelne Holzkisten sind mit schweren Ketten am Boden befestigt. Einen Überblick zu bekommen, ist schier unmöglich. Wenn also jemand einen Überraschungsangriff starten wollen würde, wäre das der perfekte Ort dafür.

      Mit diesem weniger erfreulichen Gedanken gehe ich weiter. Obwohl ich im Dunkeln sehen kann, spüre ich genau, wie finster es hier unten ist. Ich bin sehr aufmerksam. Meine Augen schweifen durch den Raum. Die Anwesenheit der Schatten ist mit jedem Schritt noch mehr spürbar.

      Dann bleibe ich stehen. Ich stehe auf einer großen, leeren Fläche. Rundum mich sind Kisten und Container aller Art. Genau hier sind sie. Es fühlt sich fast so an, als würden die Schattenwölfe bereits neben mir stehen. Also bewege ich mich nicht mehr. Sie müssen mittlerweile ohnehin längst wissen, dass jemand den Frachtraum betreten hat. Mit Sicherheit beobachten sie mich. Nun überlasse ich es ihnen, den ersten Schritt zu tun.

      Als ich plötzlich eine Bewegung unmittelbar vor mir ausmache, bleibt mein Blick starr auf den großen Containerstapel gerichtet. Dann erkenne ich sie, die roten Augen. Nach und nach kommen sie aus der Dunkelheit hervor. Es wirkt fast so, als ob sie durch den Raum schweben würden. Bald zähle ich sechs Augenpaare, die sich mir langsam nähern. Wenige Sekunden später, sind die dazugehörigen Körper zu erkennen.

      Geschmeidig wie Raubkatzen gleiten die Schattenwölfe über den Boden und kommen in meine Richtung. Sie haben ihre Wolfsgestalt angenommen. Offensichtlich wissen sie nicht ganz, was sie von meinem Erscheinen halten sollen. Wenige Schritte vor mir bleiben sie dann in einer Reihe stehen. Wortlos starren sie mich an. Die Augen eines jeden einzelnen mustern mich von Kopf bis Fuß. Nur der Wolf ganz rechts sieht mir direkt ins Gesicht. Seine Miene verändert sich kein bisschen, aber seine strahlenden Augen scheinen ein Lächeln auszudrücken. Kein Zweifel, das ist Nathan.

      Plötzlich tritt einer der Wölfe hervor: „Ich habe dich schon erwartet, meine liebe Jessica. Deine Anwesenheit war schon beim Betreten der Stadt stark spürbar.“ Auch Marlow erkenne ich auf einen Blick. Nicht nur aufgrund seiner Stimme oder dem zerfetzten Ohr, sondern auch aufgrund seiner Ausstrahlung. Er ist den anderen in jeder Hinsicht überlegen und hat das typische Auftreten eines Anführers.

      Mit einem Lächeln im Gesicht nicke ich ihm zu: „Ja, auch ich konnte euch deutlich spüren. Es war nicht sehr schwer für mich, euch ausfindig zu machen.“

      Nun grinst er: „Es ist eine Seltenheit, dich so offen gegenüber mir und meinem Rudel zu erleben. Du kommst nicht mit negativen Absichten zu uns, oder?“

      Kopfschüttelnd