Das Mysterium der Wölfe. Anna Brocks

Читать онлайн.
Название Das Mysterium der Wölfe
Автор произведения Anna Brocks
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754954881



Скачать книгу

bedauerlicher Verlust

      Der Weg in die Stadt ist problemlos verlaufen. Es war nicht schwierig, unentdeckt zu bleiben unter all den Leuten. Zum Glück bin ich noch mitten in der Nacht angekommen und konnte mir so problemlos ein paar Klamotten besorgen. Ich bin einfach einem jungen Mädchen gefolgt, das ungefähr dieselbe Kleidergröße trug. So viel es mir leicht, über die Feuerwehrleiter in ihr Zimmer einzusteigen und mir ein neues Outfit zusammenzusuchen.

      Die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz dauerte dann schon länger. Ich hatte kein Geld bei mir und das Stehlen von Bargeld ist bekanntlich schwieriger als das von Klamotten. Vor allem, weil ich genug davon gebraucht hätte, um mir eine Nacht in irgendeinem Hotel zu finanzieren. Also habe ich beschlossen, nicht das Geld zu stehlen, sondern einfach ohne Bezahlung in ein Hotel einzuchecken. Es ist zwar nicht das allerschönste Zimmer, aber in so einer Absteige würde auch niemand vermuten, dass jemand einbrechen würde.

      Also habe ich mir wieder eine Feuerwehrleiter gesucht und bin erneut in ein Zimmer eingestiegen, nur diesmal mit dem Unterschied, dass ich hier eine Weile bleiben würde. Zur Sicherheit habe ich das Schloss mit meinen Klauen demoliert, sodass es sich nicht mehr aufschließen lässt. Zusätzlich habe ich noch einen schweren Stuhl unter die Türklinke geklemmt. Nun kann man die Tür gar nicht mehr öffnen.

      Da es schon fast wieder hell war, als ich eingeschlafen bin, bin ich am nächsten Morgen erst kurz nach Mittag aufgewacht. Danach habe ich mich in der näheren Umgebung noch etwas umgesehen und bin zum Hafen gegangen. Blake hatte recht, als er gesagt hat, dass hier jeden Tag viele Schiffe ein- und ausfahren. Nachdem ich mich mit der Stadt vertraut gemacht hatte, besorgte ich mir etwas zu essen und nun ist es draußen schon wieder dunkel.

      Ich liege gerade im Bett und starre an die Decke. Noch ist es zu früh, um mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Es muss dafür später in der Nacht sein, damit ich mir sicher bin, dass die Schattenwölfe bereits schlafen. Meine Fähigkeit ist sehr nützlich. Ohne sie würde ich meine Artgenossen vermutlich nie ausfindig machen können. Ich habe beschlossen, mich in Nathans Träume einzuschleichen. Mit ihm kann ich bestimmt am besten reden. Immerhin hat er mir das Angebot gemacht, bei ihnen zu bleiben und außerdem kenne ich die anderen Mitglieder des Rudels kaum. Mal abgesehen von Marlow, den ich aber eigentlich vorerst nicht von meinem Vorhaben, mich ihnen anzuschließen, unterrichten will.

      Ehrlich gesagt bin ich gespannt, wie Nathan reagieren wird. Vermutlich rechnet er nicht damit, dass ich sein Angebot doch noch annehme. Hoffentlich hat er das damals ernst gemeint, ansonsten weiß ich nicht, wohin ich noch gehen soll. Darüber nachzudenken bringt leider nichts. Ich muss es einfach herausfinden und das kann ich nur, wenn ich ihn in seinen Träumen zur Rede stelle.

      Es ist schon lange dunkel draußen und mittlerweile über eine Stunde her, dass ich es das letzte Mal probiert habe. Zuvor konnte ich mich nicht in seine Träume einschleusen. Ich habe mich konzentriert, ausschließlich an Nathan gedacht und dann meinen Geist aus meinem Körper entlassen. Leider bin ich nur im Nichts herumgeirrt und konnte nichts entdecken. Schwer zu beschreiben, aber ich bin mir sicher, dass das daran gelegen hat, dass Nathan noch wach war.

      Gut, es wird Zeit sich erneut zu konzentrieren. Diesmal muss es funktionieren. Ich will endlich wissen, wo die Schattenwölfe sind. Vorher habe ich keine ruhige Minute. Also schließe ich die Augen und löse meinen Geist vom Körper. Es fühlt sich angenehm an. Fast so, als würde ich auf Kommando einschlafen. Ich gleite langsam in die Welt der Träume.

      Es hat funktioniert. Ich befinde mich eindeutig nicht mehr in der realen Welt. Dennoch ist diesmal etwas anders. Die Welt der Träume hat wohl endlos viele Möglichkeiten, was ihr Aussehen angeht. Das hängt dann wohl von der Person ab, die träumt. Gerade bin ich in einem Waldgebiet. Es ist Nacht. Die Sterne scheinen vom Himmel und alles ist ganz ruhig. Es scheint fast so, als wäre ich wirklich hier. Aber ich spüre, dass das alles nur ein Konstrukt von Nathans Gedanken ist.

      Ich kann ihn nirgends sehen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass das alles von ihm auf die Beine gestellt wurde. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich kann seine Anwesenheit wahrnehmen. Seine Ausstrahlung ist unverwechselbar.

      Nun muss ich mich aber auf mein eigentliches Vorhaben konzentrieren. Eigentlich hatte ich mir alles anders vorgestellt. Mein Plan war es, Nathan in seinem Traum zu fragen, wo sich das Rudel der Schattenwölfe gerade aufhält. Leider funktioniert das nicht, wenn er nicht da ist. Ich werde mich nun selbst auf die Suche nach Antworten machen müssen.

      Also durchstreife ich vorerst den Wald. Es ist schwer zu sagen, ob dieser Wald eine Erinnerung von ihm darstellt oder einfach nur frei erfunden ist. Wenn ich von ersterem ausgehe, könnte das ein wichtiger Anhaltspunkt sein. Moment mal, ich höre Stimmen.

      „Wir müssen endlich weiterkommen, Marlow.“ War das Mara? Das klang ganz nach ihrer schrillen, bösartigen Stimme. „Ich habe es satt zu warten! Lass uns das andere Rudel endlich finden und umbringen!“ Ja, nun bin ich mir absolut sicher.

      Während ich den Stimmen folge, höre ich Marlow: „Hüte deine Zunge, Mara! Vergiss nicht, mit wem du sprichst! Mir ist klar, dass wir uns die anderen Amulette von diesem verdammten Lichtwolf und seinen kleinen Freunden holen müssen. Glaubst du etwa, dass ich nicht genau das vorhabe?“ Endlich erkenne ich etwas. Ich verstecke mich hinter einem Busch und blicke durch das Gestrüpp. Wenige Meter vor mir stehen sechs Personen. Es sind eindeutig die Schattenwölfe. Sie haben ihre menschliche Gestalt angenommen. Alle sind beisammen, auch Nathan ist hier.

      Jaden ergreift das Wort: „Genau, Mara. Hör endlich auf zu jammern. Du bist nicht die Einzige, die unsere Feinde tot sehen will. Leider vergisst du dabei, dass wir keine Ahnung haben, wo sie sich befinden. Also bevor du dich das nächste Mal beschwerst, überleg dir besser vorher, wie du sie ausfindig machen willst.“ Mara murrt kurz und verschränkt die Arme.

      Dann schüttelt Nathan den Kopf: „So kommen wir jedenfalls nicht weiter.“ Keiner schaut in meine Richtung. Sie scheinen nicht einmal zu merken, dass ich da bin. Nicht einmal Nathan selbst, obwohl das sein eigener Traum ist. Da kommt mir ein Gedanke. Mal sehen, ob sie einfach nur unaufmerksam sind, oder ob sie mich wirklich nicht wahrnehmen können.

      „Hey ihr!“ Ich stehe auf und zeige mich. Keine Reaktion. „Hallo? Nathan! Marlow! Könnt ihr mich hören?“ Offensichtlich nicht. Sie rühren sich kein bisschen. Alle stehen noch immer da und scheinen nachzudenken.

      Ian bricht die Stille: „Und du kannst die Amulette wirklich nicht ausmachen, Akeyla? Sie müssen doch bei den Wölfen sein.“

      Schuldbewusst blickt Akeyla zu Boden: „Nein, leider nicht. Du weißt doch, dass ich die Amulette nicht orten kann, wenn derjenige, der sie bei sich trägt, seine Wolfsgestalt angenommen hat. Tut mir wirklich leid.“

      Mara zischt sie an: „Das würde nicht so sein, wenn du deine Fähigkeiten besser trainiert hättest! Dann hätten wir dieses Problem jetzt nicht!“ Akeyla zuckt zusammen und senkt den Kopf.

      Plötzlich mischt sich Nathan ein: „Sei bloß still, Mara! Sie kann genauso wenig etwas dafür, wie wir anderen. Ohne Akeyla hätten wir vermutlich kein einziges Amulett gefunden, also sei gefälligst etwas dankbarer. Du selbst hast keine Fähigkeiten, die dem Rudel irgendwie nützen. Zeig ein wenig Respekt!“ Man spürt sofort, dass Nathan und Akeyla ein sehr enges Verhältnis zueinander haben. Er nimmt sie in Schutz, was bei ihr vermutlich öfter nötig ist. Sie wehrt sich kein bisschen gegen die Anschuldigungen und hört nur still zu.

      Doch Mara lässt sich so schnell nicht einschüchtern: „Das kommt gerade von dir! Deine Fähigkeit ist auch nicht gerade sinnvoll. Wofür braucht man schon einen Schattenwolf, der Gefühle erspüren kann? Ist doch total unnötig.“

      Mit einem Grinsen im Gesicht antwortet Nathan: „Es ist ganz nützlich, um seine Gegner einzuschüchtern oder ihnen mental zu schaden. Und du weißt, dass ich recht habe, sonst wärst du jetzt nicht so unsicher.“ Sie sieht ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Sei doch nicht gleich so wütend. Du explodierst fast, meine Liebe.“ Er weiß genau, was sie empfindet. Ich muss schmunzeln.

      „Genug jetzt!“ Marlow spricht ein Machtwort. „Nathan, ich habe dir doch verboten, deine Fähigkeit