Veggie-Burger mit Speck. Patrick Schnalzer

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Название Veggie-Burger mit Speck
Автор произведения Patrick Schnalzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742768599



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um nach der Zeit zu sehen.

      »Überraschung!!!«, schallte es von links und rechts an meine Ohren, und ich fürchtete, dass es das Letzte war, was ich für eine lange Zeit gehört hatte.

      »Alles Gute zum Geburtstag!«

      Ich erkannte Silvies Stimme und wusste zugleich, dass mein Trommelfell den euphorischen Anschlag überlebt hatte und nicht geplatzt war, auch wenn ich ein leichtes Klingeln im Hintergrund wahrnahm, das mich an das Glöckchen in der Metzgerei erinnerte. Zudem konnte ich davon ausgehen, dass es Philipp gewesen war, der mir auf der anderen Seite ins Ohr gebrüllt hatte, denn die beiden waren seit einem halben Jahr zusammen und überall nur im Doppelpack anzutreffen. Tatsächlich tauchte Philipp nun auch als Erster in meinem Sichtfeld auf, fasste meine Hand und quetschte sie so sehr, dass ich mit mindestens einem gebrochenen Finger rechnete.

      »Gratuliere! Wieder ein Jahr älter, was?«

      »Sieht ganz danach aus.«

      »Und, wie fühlst du dich?«, wollte Silvie wissen.

      »Spitze. Wunderbar. Ich darf nicht klagen«, log ich, denn das Klingeln in meinen Ohren war noch nicht verschwunden und meine Hand schmerzte.

      »Wollt ihr ein Bier?«

      Kaum hatte ich die Frage gestellt, kamen auch schon weitere Gäste. Von nun an bestand mein Lebensinhalt in der nächsten Stunde aus Begrüßungen, Händeschütteln und Bierverteilen. Uwe und Peter unterstützten mich bei Letzterem, allerdings lag der Verdacht nahe, dass sie das nur taten, um an der Alkoholquelle zu bleiben.

      Als schließlich alle da waren, machte ich mich daran, die Kohle aufzulegen und den Grill anzuheizen. Es wäre womöglich etwas zu weit hergeholt, diesem Vorgang eine sexuelle Komponente zuzuschreiben, und dennoch war es auf gewisse Weise eine Art Defloration, die hier vonstattenging, während ich in dem bis dahin unschuldigen Grill zum ersten Mal ein Feuer entfachte. Eine leichte Erregung konnte ich zumindest nicht abstreiten.

      Die Harmonie zwischen uns war dann auch von Anfang an hergestellt. Noch nie hatten ein Mann und sein Grill eine so vollkommene Einheit demonstriert. Es war kaum zu sagen, wo meine Hand endete und sein Rost begann. Die glühenden Kohlen brachten das Fleisch perfekt temperiert zum Brutzeln, was für mich nicht weniger kunstvoll als Beethovens Neunte klang. Und schon bald stieg der Geruch der ersten Koteletts auf und entfaltete sich so betörend, wie es kein Parfüm jemals zustande bringen würde.

      »Langt nur ordentlich zu!«, forderte ich meine Gäste mehrmals auf, obwohl das nicht notwendig gewesen wäre.

      Es gab niemanden, der meinen Grillkünsten widerstehen konnte oder wollte, und so kam ich kaum damit nach, die nächste Ladung auf den Rost zu werfen. Dass ich mit dem Verlauf des Nachmittags und Abends mehr als zufrieden war, muss nicht extra erwähnt werden. Die glücklichen, ja fast schon entzückten Gesichter aller Anwesenden, die mit ihren gefüllten Mägen einhergingen, waren die größte Freude, die man mir machen konnte. Deshalb empfand ich auch meine Geburtstagsfeier insgesamt als riesigen Erfolg, wobei ich die kleinen Geschenke und die zahlreichen Glückwünsche als Sahnehäubchen wertete.

      Gegen zweiundzwanzig Uhr hielten Uwe und Peter eine Festrede, in der sie mich nach allen Regeln der Kunst durch den Kakao ziehen wollten. Die beiden waren zu dieser Zeit allerdings bereits so betrunken, dass sie die Hälfte ihrer Gags bereits vergessen hatten, und die andere Hälfte brachten sie so durcheinander, dass sie nicht mehr als gelegentliche Mitleidslacher ernteten. Ich bezweifelte allerdings, dass ihnen das auffiel, zumindest wirkten sie so, als hätten sie den Spaß ihres Lebens.

      Eine halbe Stunde später verlegten wir die Feier vom Hof ins Innere des Gebäudes, um die umliegende Nachbarschaft nicht zu verärgern. Hierbei handelte es sich immerhin um Stammkunden der Metzgerei und es lag auch in meinem Interesse, unnötige Animositäten zu vermeiden.

      Den Ortswechsel nutzten nicht weniger als zwei Drittel der Gesellschaft, um sich zu verabschieden. Das war keine große Überraschung, denn vor allem die Pärchen zog es um diese Zeit für gewöhnlich in die eigenen vier Wände, wie ich bereits von anderen Gelegenheiten wusste. Interessanterweise galt das an diesem Abend nicht für Philipp und Silvie, die zum kläglichen Rest der Party zählten, und die selbst nach Mitternacht noch blieben, als sonst nur noch Uwe, Peter und ich übriggeblieben waren.

      »Dass ihr noch hier seid!«, platzte es mir dann auch heraus, als wir fünf um den Küchentisch saßen und ein paar kalte Kotelett-Überbleibsel als nächtlichen Snack verputzten.

      Das Pärchen mir gegenüber tauschte schuldbewusste Blicke aus. Zumindest machte es auf mich diesen Anschein, aber nachdem ich bereits einige Bierchen im Kreislauf hatte, konnte ich mich ebenso irren. Fragend wandte ich mich an Uwe und Peter, scheiterte jedoch kläglich an dem Vorhaben, mit ihnen Augenkontakt herzustellen. Die beiden waren sturzbetrunken und hatten Mühe, das kalte Fleisch mit ihren bloßen Händen in den Mund zu befördern. Gerade als ich in die Hosentasche fassen wollte, um mit meinem Smartphone ein Video von diesem Schauspiel zu machen, das ich später auf YouTube hochladen würde, ging Silvie auf meine Bemerkung ein.

      »Um ehrlich zu sein«, begann sie zögerlich, »gehen wir heute Nacht noch in einen Club. Aber erst um eins.«

      »Ah, verstehe«, erwiderte ich und versuchte den Gedanken auszublenden, nur als Übergangslösung zu fungieren.

      »Die Feier war übrigens total klasse, nicht wahr, Philipp?«

      Silvie stieß ihm auffällig den Ellbogen in die kurzen Rippen.

      »Total klasse«, wiederholte er papageienhaft. »Und das Essen war ausgezeichnet. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal so viel Fleisch auf einmal gegessen zu haben.«

      Die beiden sahen mich reumütig an und für einen Moment fühlte ich mich tatsächlich ein wenig verletzt. Dieses Gefühl verflog jedoch sofort wieder, als Philipps letzte Worte in mein Bewusstsein sackten.

      »Freut mich, dass es geschmeckt hat«, sagte ich mit geschwellter Brust. »Das ist doch das Wichtigste.«

      So war es auch wirklich. Für mich zumindest. Ein Leben ohne schmackhaftes Essen war für mich unvorstellbar. Könnte ich dieser Leidenschaft nicht mehr nachgehen, hätte auch alles andere keinen Sinn mehr.

      Silvies Smartphone vibrierte plötzlich ein paar Millimeter über den Tisch.

      »Oh, das ist eine Freundin von mir«, teilte sie mir mit, als sie die Nachricht vom Display las. »Sie holt uns für den Club ab. Ich habe ihr deine Adresse gegeben, ich hoffe, das ist in Ordnung.«

      »Klar. Kein Problem.«

      Ich wusste nicht, ob sie mich hörte, denn sie tippte wie wild auf ihrem Touchscreen herum. Kaum hatte sie das Smartphone wieder aus der Hand gelegt, vibrierte es erneut. Scheinbar war ihre Freundin noch schneller im Tippen als sie selbst. Ehrlich gesagt bewunderte ich das, denn ich selbst hatte bereits Mühe, in fünf von zehn Fällen die richtigen Buchstaben zu erwischen.

      »Sie ist schon unten vor der Metzgerei.«

      Auffordernd blickte Silvie mich an, doch es vergingen einige Sekunden, bis ich kapierte, was sie von mir wollte.

      »Ich kümmere mich darum.«

      Mit Mühe quetschte ich mich am Tisch und an Uwe vorbei, dann ging ich zum Fenster, öffnete es und blickte auf die Straße hinunter. Die nächste Laterne war zu weit entfernt, als dass man etwas deutlich hätte sehen können, dennoch erkannte ich eine Gestalt, die sich hin und her bewegte.

      »Hey!«, rief ich hinunter. »Komm zum Seiteneingang, dann lass ich dich rein!«

      Unterstützend machte ich mit meiner Hand eine übertriebene Geste in jene Richtung, die Silvies Freundin einschlagen sollte. Das Fenster ließ ich gleich offen, denn die frische Nachtluft war merklich besser als der abgestandene Dampf, der sich in unserer Küche gesammelt hatte. Auf dem Weg nach unten stürzte ich beinahe zweimal über meine eigenen Füße, wobei ich erst merkte, wie betrunken ich tatsächlich war. Sitzend war mir das nicht so schlimm vorgekommen, aber jetzt schien das gesamte Haus unter einem extremen Wellengang zu leiden.