Veggie-Burger mit Speck. Patrick Schnalzer

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Название Veggie-Burger mit Speck
Автор произведения Patrick Schnalzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742768599



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Geschmacks liegt nämlich keineswegs allein bei der korrekten Handhabung desselbigen über der Glut, sondern vor allem an der Herkunft und der Qualität. Mir war schon immer ein Rätsel, wie man der Meinung sein konnte, fünfhundert Gramm Schwein oder Rind zu einem Schnäppchenpreis im Discounter zu erwerben, ohne hierbei Kompromisse einzugehen. Wenn der Preis das wichtigste Kriterium ist, dann habe ich hierfür natürlich vollstes Verständnis, denn Geld wächst nach wie vor nicht auf den Bäumen. Richtig schlimm finde ich es hingegen, wenn sich ein sogenanntes Vier-Sterne-Restaurant in derselben Abteilung bedient, dafür aber den stolzen Preis eines kompletten, lebenden Tieres verlangt. Ich für meinen Teil setzte meinen guten Ruf nicht leichtfertig aufs Spiel und verwendete deshalb aus tiefster Überzeugung das Fleisch meines Vaters.

      Nur damit hier keine Missverständnisse entstehen, ich spreche hierbei nicht von Kannibalismus. Mein Vater befindet sich in guter und ganzheitlicher, körperlicher Verfassung, ich würde nicht im Traum daran denken, ihm ein Haar zu krümmen. Er hingegen hatte es sich zum Beruf gemacht, Tieren durchaus an den Kragen zu gehen und sie in Einzelteilen und verarbeitet zu verkaufen. Seine Metzgerei war schon über zwanzig Jahre gut im Geschäft, als ich nach meinem Abi in das Familienunternehmen einstieg. Der Erfolg war in erster Linie seinem leidenschaftlichen Einsatz und seinem handwerklichen Können geschuldet. Seine buchhalterischen Fähigkeiten hatten damit bestimmt nichts zu tun, denn diese waren schlichtweg nicht vorhanden gewesen, wie ich bald feststellte.

      Zwei Dinge lernte ich im Betrieb meines Vaters schnell. Erstens schien das Finanzamt bei Weitem nicht so streng zu sein wie sein Ruf, andernfalls hätte die Metzgerei schon längst zusperren müssen, was nicht am mangelhaften Umsatz, sondern an den nur sporadisch vorhandenen Belegen liegen würde. Zweitens arbeitete ich für mein Leben gerne mit Schweinekoteletts, Rindsmedaillons, Hähnchenkeulen und dergleichen, jedoch nur dann, wenn diese bereits ... sagen wir ... entsprechend vorbereitet waren. Hingegen schlägt mir der Prozess, wie aus einem grunzenden Schwein eine Vielzahl an Koteletts wird, gehörig auf den Magen. Es genügte deshalb auch, dass ich mir bei unserem ersten gemeinsamen Besuch im Schlachthof die Seele aus dem Leib kotzte, um mein zukünftiges Aufgabenfeld anders abzustecken.

      Ich war ohnehin besser im Büro oder hinter der Theke aufgehoben, in beiden Bereichen konnte ich glänzen. Im ersten Jahr, in welchem ich die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie die Belegsammlung übernahm, entdeckte ich genügend Sparpotential, um unseren Gewinn im darauffolgenden Jahr um zehn Prozent zu erhöhen. Zudem liebte ich den Kontakt mit den Kunden und es gelang mir fast immer, dass sie das Geschäft mit mehr Waren verließen, als sie eigentlich hatten kaufen wollen. Das hatte nichts mit ausgewieften Verkaufstaktiken zu tun und es lag mir auch fern, die Leute über den Tisch zu ziehen. Jedoch schien meine aufrichtige Begeisterung für alles, was mit Fleisch und Wurst zu tun hatte, bei den Menschen gut anzukommen und meine diesbezüglichen Empfehlungen wurden nur allzu gerne angenommen.

      Es wäre nicht gelogen, zu behaupten, dass ich mein Leben liebte. Man konnte natürlich nicht sagen, dass es perfekt war, denn dafür fehlte es dann doch an der einen oder anderen Kleinigkeit. Aber insgesamt war ich mehr als zufrieden, sowohl mit meiner Familie als auch mit meinen Freunden und mit meiner Arbeit in der Metzgerei. Dass diese mir so lieb gewonnene Harmonie an einem einzigen Tag aus den Fugen geraten konnte, hätte ich nie für möglich gehalten.

      Dennoch sollte es so kommen.

      Dieses einschneidende Datum fiel mit meinem sechsundzwanzigsten Geburtstag zusammen. Die Nacht zuvor schlief ich unruhig, wie ich es aus meiner Kindheit vor Weihnachten kannte. Doch auch dieses Mal hatte es nichts mit Geschenken oder dergleichen zu tun, vielmehr hatte ich mich wenige Wochen zuvor unsterblich verliebt. Mit Worten ließ sich dieses unstillbare Verlangen in mir nicht beschreiben, ich wusste lediglich, dass ich so etwas noch nie zuvor empfunden hatte.

      Ich hatte mir meinen Geburtstag als Ultimatum gesetzt, um endlich die Initiative zu ergreifen. Den Wecker schaltete ich an diesem Samstagmorgen bereits ab, ehe er die Möglichkeit hatte, sein nervendes Klingeln von sich zu geben. Frühstücken wollte ich erst später, ich gönnte mir lediglich einen Kaffee, putzte mir anschließend die Zähne und machte mich frisch, ehe ich mich in den Firmenwagen setzte. Dabei handelte es sich um einen kleinen Lieferwagen, auf dessen Seiten in großen Buchstaben »Metzgerei Schimmel« geschrieben stand. Zugegebenermaßen waren wir mit unserem Nachnamen nie prädestiniert gewesen, einen Betrieb zu führen, der auch nur ansatzweise etwas mit Lebensmitteln zu tun hatte, zum Glück funktionierte es trotzdem.

      Neben dem Firmennamen war ein Schweinekopf abgebildet, der fröhlich lächelte und mit einem Auge zwinkerte. Mit diesem gutgelaunten Schwein war ich aufgewachsen und auch als Erwachsener brachte es mich immer zum Schmunzeln, wenn ich einen flüchtigen Blick auf das Logo warf.

      Obwohl der Lieferwagen für viele durchaus ein Grund zur Belustigung sein mochte, hatte ich keine Probleme damit. Deshalb hatte ich es bisher auch noch nie für nötig erachtet, mir ein eigenes Auto zuzulegen, weshalb ich sämtliche privaten Wege ebenfalls mit dem »Schweinemobil« – wie ich den Lieferwagen gerne nannte – erledigte. Und so fuhr ich auch an diesem Morgen zum Baumarkt meines Vertrauens in die Nibelungenstraße, wo ich eine geschlagene Viertelstunde warten musste, bevor es neun Uhr war und die elektrische Schiebetür mir Zugang gewährte.

      In dieser riesigen Halle kannte ich mich bestens aus, denn ich hatte hier in der Vergangenheit schon für reichlich Umsatz gesorgt. Nicht, dass ich ein begnadeter Handwerker gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Tatsache war jedoch, dass man im Baumarkt selbst als gepeinigter Doppellinkshänder allerlei nützliches und unnützes Zeug erwerben konnte, wobei ich mich auf Letzteres spezialisiert hatte. Mein Glanzstück auf diesem Gebiet war ein Fahrrad-Kupplungsträger, den ich seinerzeit als besonderes Schnäppchen erachtete. Dabei hatte ich zum einen außer Acht gelassen, dass mein Rad zu diesem Zeitpunkt bereits seit über zwei Jahren mit platten Reifen im Keller vor sich hin staubte. Zum anderen hatte ich nicht bedacht, dass unser Schweinemobil überhaupt keine Anhängekupplung besaß. Die Nutzlosigkeit meiner Errungenschaft wurde mir freilich erst viel zu spät bewusst, und da ich nicht der Typ war, der Dinge im Geschäft umtauscht oder zurückgibt, verstaubt der Fahrrad-Kupplungsträger seither neben meinem Rad im Keller.

      Ein derartiger Fauxpas würde mir an besagtem Geburtstag jedoch nicht unterlaufen, davon war ich überzeugt.

      An diesem Morgen kam ich nämlich mit einer gänzlich anderen Absicht in den Baumarkt. Zielgenau lief ich durch die Gänge, bis ich letzten Endes doch von Ehrfurcht gepackt erstarrte. Wenige Meter vor mir stand eine junge Frau mit dem Rücken zu mir. Selbst die unvorteilhaft geschnittene Baumarktkleidung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine schlanke Taille und unendlich lange Beine besaß. Meine plötzlich verstummten Schritte mussten ihre Aufmerksamkeit erregt haben, denn sie drehte sich zu mir um und lächelte mich freundlich an.

      »Kann ich Ihnen helfen?«

      Ihre Stimme klang zuckersüß und ich musste schlucken, weil ich so etwas wie einen Kloß im Hals spürte. Ich wollte ihr antworten, aber es fiel mir mit einem Mal schwer, die richtigen Worte zu finden. Stattdessen starrte ich sie stumm an. Fragend zog sie ihre Augenbrauen ein wenig nach oben.

      »Ich ...«

      Mehr brachte ich nicht heraus. Schließlich konnte ich den Augenkontakt nicht mehr halten und mein Blick wanderte über ihre Nase, ihre Lippen und ihren Hals weiter und weiter nach unten, bis ich auf Höhe ihrer Hüften hängenblieb.

      »Wunderbar«, glitt mir nun wie von selbst über die Lippen.

      »Wie bitte?«

      »Einfach wunderbar«, erwiderte ich auf die Frage der Verkäuferin.

      Ich trat nun endlich näher und beugte mich nach unten, was sie wohl dazu veranlasste, einen kleinen Schritt zurückzutreten.

      »Auf dich habe ich mein Leben lang gewartet.«

      Mit einem Gefühl der Wonne starrte ich auf den blankpolierten, silbernen Rost vor mir.

      »Sie sprechen mit dem Grill, nicht wahr?«

      Die Stimme der Verkäuferin klang amüsiert.

      »Das ist nicht nur einfach ein Grill«, klärte ich sie auf, »das ist der Firemaster