Veggie-Burger mit Speck. Patrick Schnalzer

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Название Veggie-Burger mit Speck
Автор произведения Patrick Schnalzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742768599



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      »Was ist denn das für ein Ungetüm?«

      Meine Mutter machte übertrieben große Augen, wie sie es stets zu tun pflegte, wenn sie der Meinung war, dass ich eine Dummheit begangen hatte.

      »Das ist mein neues Schmuckstück«, antwortete ich und hievte den Firemaster 2000 an die rückseitige Kante des Schweinemobils. »Mit dem werde ich dir heute das beste Kotelett grillen, das du jemals gegessen hast.«

      Ich konnte nicht sagen, ob meine Worte die Skepsis aus ihrem Gesicht vertrieben hatten, denn ich betrachtete konzentriert meine neue Errungenschaft und überlegte, wie ich das riesige Teil aus dem Wagen bekommen sollte. Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, den netten Mitarbeiter vom Baumarkt zu holen, der mir dabei geholfen hatte, den Grill hineinzuheben.

      »Soll ich deinen Vater rufen?«

      Wie so oft war ich für meine Mutter ein leicht lösbares Rätsel, vergleichbar mit einem Sudoku, in welches man nur noch drei fehlende Zahlen einfügen musste.

      »Ist schon in Ordnung«, erwiderte ich.

      »Bist du sicher?«

      »Ja.«

      Das Rascheln von Plastiktüten riss mich aus meinen Überlegungen und ich wandte mich meiner Mutter zu.

      »Du warst schon einkaufen?«

      »Ein paar Kleinigkeiten für deine Feier.«

      Die sogenannten Kleinigkeiten waren in vier bis zum Bersten vollgepackten Plastiktüten verstaut, die meine Mutter nun auf den Boden stellte. Ich wagte nicht einmal zu schätzen, welches Gewicht die Tüten auf die Waage bringen würden, ich wusste lediglich, dass ich sie nicht mit einer solchen Leichtigkeit hätte tragen können. Tatsache war nun einmal, dass meine Mutter die Stärkste in der Familie war, auch wenn sie uns Männern stets das Gefühl vermittelte, dass dem nicht so war. Insofern war ich auch überzeugt davon, dass sie den Grill ohne Probleme hätte herausheben können, aber mein Stolz ließ mich nicht danach fragen. Es gab schließlich Grenzen bezüglich der Dinge, um die man als Sohn seine Mutter bitten konnte. Und so wie ich sie als Junge auch nicht darum hatte bitten können, mir zu erklären, wie genau man ein Kondom handhabt, so war es mir auch jetzt unmöglich, sie zu fragen, ob sie ihrem Jungen den schweren Grill auf den Bordstein befördern könnte.

      »Alles Gute zu deinem Geburtstag!«

      Ansatzlos trat meine Mutter an mich heran und umfasste mein Gesicht mit ihren großen Händen. Ehe ich mich versah, hatte sie mir auch bereits zwei dicke Küsse auf meine Wangen gepresst, woraufhin sie mich stolz anblickte. Mühselig versuchte ich zu lächeln, allerdings fiel es mir schwer, meine Gesichtsmuskeln entsprechend zu bewegen. Zu kraftvoll war mein Kopf von ihren Händen umschlossen.

      »Daaaan...keeee«, presste ich umständlich zwischen meinen Lippen hervor.

      »Ich kann kaum glauben, wie alt du schon bist.«

      Das war ein Satz, den man bis zum neunzehnten Lebensjahr mit höchster Verzückung hört, immerhin suggerierte er, dass man nun zur Welt der Erwachsenen gehört. Ab Mitte zwanzig hatte sich das – zumindest bei mir – schlagartig geändert. Jetzt hörte es sich vielmehr so an, als hätte ich bereits einen Großteil meiner Existenz mit Nichtigkeiten vertan und nicht einmal die Hälfte von dem erreicht, was möglich gewesen wäre.

      »Sind das Würstchen?«

      Meine Aufmerksamkeit richtete sich unweigerlich auf jene Plastikverpackung, die aus einer der Einkaufstüten ragte. Wie auf frischer Tat ertappt zuckte meine Mutter zusammen. Infolgedessen entließ sie mein Gesicht in die Freiheit und machte einen Schritt zurück, um besagte Tüte von meinem Blick abzuschirmen.

      »Ach, das ...«, begann sie in unschuldigem Tonfall, »das ist nur, weil ...«

      Auf der Suche nach einer plausiblen Ausrede wurde sie offensichtlich nicht fündig.

      »Wenn Papa das sieht«, sagte ich und zog meine Augenbrauen bedeutungsschwanger nach oben.

      Meine mahnenden Worte verfehlten die Wirkung nicht, denn wir beide wussten, dass mein Vater fuchsteufelswild werden würde, wenn er erfahren sollte, dass meine Mutter sich ihre Würstchen woanders besorgte. Da hätte er es höchstwahrscheinlich noch eher ertragen, wenn er sie beim Fremdknutschen erwischte.

      »Aber die sind nun einmal so lecker. Es ist doch nur einmal.«

      Ich blickte sie forschend an.

      »Im Monat«, ergänzte sie.

      Es fiel mir schwer, nicht zu lächeln.

      »Höchstens alle vierzehn Tage«, gestand sie letzten Endes.

      »Ist ja schon gut«, beruhigte ich sie, »von mir erfährt er nichts.«

      Voller Dankbarkeit ging wieder die Sonne in ihrem Gesicht auf. Sie kam auf mich zu und drückte mich herzlich an ihren Busen. Diese Art der Umarmungen fürchtete ich seit meinen Teenager-Tagen.

      »Dafür bekommt mein Dickerchen heute auch die beste Geburtstagstorte aller Zeiten!«

      Ich erhielt einen Klaps auf den Hintern, dann schnappte sich meine Mutter die Einkaufstüten und machte sich auf den Weg ins Haus. Vorsichtshalber ging sie dabei nicht durch die Metzgerei, sondern durch den Seiteneingang.

      Den Kopf schüttelnd sah ich ihr nach und fragte mich, ob ich auch noch mit fünfzig ihr Dickerchen sein würde. Ein kurzer Blick an mir hinab gab mir die Antwort. Sofern ich nicht etwas aktiv für eine Veränderung tat, standen die Chancen ziemlich schlecht, dass sich mein speckiger Bauch einfach in Luft auflöste. Doch ehrlich gestanden fehlte mir die nötige Motivation. Essen war nun einmal ein zentraler Bestandteil meines Lebens und wozu sollte ich auf etwas verzichten, das ich am liebsten in Hülle und Fülle genoss?

      »Vielleicht würdest du mit ein paar Kilogramm weniger Fett und ein bisschen mehr Muskelmasse diesen Grill leichter herausheben können“, flüsterte mir meine innere Stimme zu, doch wie gewöhnlich ignorierte ich diese.

      Alternativ beschloss ich, den neuen Grill zu packen, und ohne groß darüber nachzudenken, über die Kante des Lieferwagens und auf den Bürgersteig zu hieven. Ich fasste ihn oben mit beiden Händen, zählte bis drei, holte tief Luft und zog mit aller Kraft. In der nächsten Sekunde hatte ich den Aufsatz abgetrennt, der mit dem Grillrost verbunden war.

      Meiner ersten Einschätzung nach sah es nicht so aus, als wäre dieser Teil dazu gedacht, an jener Stelle abgetrennt zu werden. Die Bruchstellen am Rand legten diese Vermutung nahe. Zumindest aber hatte ich nun etwa zehn Prozent des Grills bereits aus dem Wagen herausbekommen, was als Leistung nicht unterbewertet werden durfte.

      Im zweiten Ansatz hielt ich es dennoch für ratsamer, das Gerät weiter unten anzufassen. Und siehe da: Nach einer neuerlichen, beherzten Kraftanstrengung war es mir wahrhaftig gelungen, den Grill am gewünschten Ort zu platzieren. Das schlagartig einsetzende Stechen im Rücken würde mich zwar mit Sicherheit den restlichen Tag quälen, aber das war nur halb so schlimm. Immerhin handelte es sich dabei um einen typischen Männerschmerz, der per Definition aus übermäßiger Eitelkeit und/oder Dummheit entstand. Ein Männerschmerz konnte noch so schlimm sein, da musste vorher schon die Hölle zufrieren, bevor man sich einen solchen anmerken ließ. Aus diesem Grund würde auch ich den Teufel tun und darüber jammern, es sei denn, mir fiel später noch ein überzeugender Vorwand ein.

      Aber erst einmal wollte ich den Grill an seinen neuen Heimatplatz unter dem Vordach im Innenhof bringen.

      Durch zwei an der Unterseite montierte Räder war das keine Hexerei, wenngleich sich jener Griff, der zum Ziehen gedacht war, auf dem von mir versehentlich abgetrennten Teil befand. Dennoch war der Grill keine fünf Minuten später an der vorgesehenen Stelle eingerichtet. Die beschädigte Oberseite mit dem Rost befestigte ich notdürftig, sodass man kaum etwas von dem minimalen Fehlschlag bemerken würde. Es war ohnehin nur ein optischer