Veggie-Burger mit Speck. Patrick Schnalzer

Читать онлайн.
Название Veggie-Burger mit Speck
Автор произведения Patrick Schnalzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742768599



Скачать книгу

      »Ahhhhh! Verdammt!«, schrie ich vor Schmerzen und presste meine linke Hand gegen die Stirn, die den größten Teil der Wucht abbekommen hatte.

      Mit der rechten Hand öffnete ich instinktiv die Tür, nur um ein weiteres Mal mein Leid lautstark zu beklagen.

      »So eine Scheiße aber auch!«

      »Hallo«, hörte ich eine fremde, aber ungewöhnlich sanfte Stimme sagen. »Mein Name ist Isa.«

      Als ich die Hand von der Stirn nahm und meine zusammengekniffenen Augen so weit wie möglich öffnete, erblickte ich vor mir die schönste Frau, die ich je gesehen hatte.

      »Schimmel«, stammelte ich. »Tim. Tim Schimmel.«

      Mein Name klang schon nicht besonders geistreich, wenn ich ihn nur einmal nannte, aber wusste der Teufel wieso ich mich auf diese Weise vorstellte. Warum hatten mich meine Eltern auch unbedingt Tim nennen müssen? Nichts gegen den Namen an sich, ich mochte ihn sogar, aber in Kombination mit meinem Nachnamen kam ich mir vor, als wäre ich einer Zeichentrickserie mit sprechenden Tieren entsprungen. Andererseits konnte ich meinen Eltern keinen Vorwurf machen, denn es gab wohl keinen Namen, der wirklich zu Schimmel passte.

      »Schön, dich kennenzulernen, Tim.«

      Isa berührte mich kurz mit ihrer Hand am Oberarm und schon wurden meine Knie weich wie Butter. Ich war mir zu neunzig Prozent sicher, dass es dieses Mal nichts mit dem Alkohol in meinem Kreislauf zu tun hatte, sondern dass es einzig und allein auf den Kontakt mit diesem zauberhaften Wesen zurückzuführen war.

      »Isa Schimmel«, fantasierte ich in Gedanken vor mich hin und revidierte meine bisherige Überzeugung: Es gab also doch einen Vornamen, der wunderbar zu Schimmel passte. Ob sie wohl derselben Meinung war?

      »Kann ich reinkommen?«

      »Natürlich! Selbstverständlich!«

      Hastig trat ich einen Schritt zur Seite, stieg dabei auf einen Schuh und knickte infolgedessen mit meinem linken Fuß um. Der Schmerz dachte nicht daran, sich langsam über mein Bein nach oben zu arbeiten, nein, es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, ehe ich zu schreien begann, als würde man mich bei lebendigem Leib abfackeln.

      »Aua! Aua! Aua! Auaaaaaaaaa!!!«

      Es vergingen einige hechelnde Atemzüge, in denen ich alles um mich herum vergaß und um baldige Erlösung flehte.

      »Geht es wieder?«

      Engelsgleich trat die Stimme an mein Ohr, aber ich konnte mich nur kurz an ihr erfreuen, da mir im nächsten Moment klar wurde, was für einen mimosenhaften Anblick ich gerade liefern musste.

      »Ja, alles in Ordnung«, antwortete ich mit der tiefsten Stimme, die ich zustande brachte.

      Es verstand sich von selbst, dass ich sie damit nicht täuschen konnte. Isa hatte mich zweifelsfrei nicht in meiner männlichsten Stunde angetroffen, und so wies ich ihr mit gesenktem Haupt den Weg nach oben in die Küche. Wie ein begossener Pudel trottete ich hinter ihr her. Jedes Mal, wenn ich den linken Fuß belastete, zuckte ich unwillkürlich zusammen.

      Oben wartete bereits Silvie auf uns. Sie hatte einen leicht besorgten Gesichtsausdruck aufgesetzt.

      »Alles klar bei euch?«

      Mein Geschrei durfte scheinbar bis in die Küche vorgedrungen sein.

      »Passt schon«, erwiderte ich in einem Ton, der ihr zu verstehen geben sollte, dass ich nicht weiter auf die Sache eingehen wollte.

      Ich bekam mit, dass die beiden Frauen Blicke austauschten und dabei auf eine Weise kommunizierten, die uns Männern für immer ein Rätsel bleiben würde. Klar, wir warfen uns auch gelegentlich Blicke zu, die »Ja«, »Nein«, »Keine Ahnung« oder etwas dergleichen bedeuteten. Frauen hingegen verstanden es, mit leichten Augenbewegungen ganze Gespräche zu führen. Möglicherweise hing das auch mit telepathischen Fähigkeiten zusammen, ich wusste es nicht. Ich war mir nur sicher, dass Isa ihrer Freundin in etwa Folgendes mitteilte: »Mach dir keine Sorgen, es ist nichts passiert. Er hat sich nur ungeschickt den Fuß verstaucht, oder so. Dann hat er geheult wie ein kleiner Junge, aber ich glaube, es geht schon wieder etwas besser.« Woraufhin Silvie wohl meinte: »Ach so. Ja, er ist manchmal ein wenig ungeschickt. Und du weißt ja, wie Männer sind: Halten einfach nichts aus, die Kerle.«

      Ob der Gedankenaustausch wirklich so stattgefunden hatte, konnte ich nicht sagen, aber ich war mir dennoch sicher, dass ich nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war. Auf jeden Fall begannen sie schulmädchenhaft zu kichern, was mich in meiner Annahme noch mehr bestärkte.

      Resignierend quälte ich mich die letzten Stufen hinauf. Mit meiner tollpatschigen Aktion hatte ich mir bestimmt alle Chancen bei Isa zunichtegemacht. Nicht, dass ich mir je ernsthaft eine Chance ausgerechnet hätte, immerhin war sie ... Sie war einfach unglaublich. Schulterlange, braune Haare, von denen ein Teil zu einem Zopf gebunden war. Strahlend blaue Augen, die wie zwei Sterne aus ihrem Gesicht leuchteten. Zarte, schön geschwungene Lippen und eine zierliche Nase, die man am liebsten anstupsen mochte, vervollständigten den hinreißenden Anblick.

      Ihr Körper wirkte auf mich weder zu groß noch zu klein, nicht zu dünn und nicht zu dick, sowohl sportlich als auch ästhetisch. Sie trug ein sommerliches, grünes Kleid mit Trägern und einem weißen Muster, das ich noch nicht genau identifizieren konnte. Vielleicht waren es Blümchen oder doch einfach nur asymmetrische Flecken, doch in Wahrheit war mir das vollkommen schnuppe. Sie hätte in einem braunen Jutesack frisch aus der Kohlemine vor mir stehen können, ich hätte sie dennoch für das hübscheste Wesen auf diesem Planeten gehalten.

      Ich hingegen? Ich wusste, wie ich aussah und wie ich auf das andere Geschlecht wirken musste. Nicht in meinen kühnsten Träumen konnte ich daran glauben, dass aus Isa und mir jemals etwas werden würde.

      »Isa würde bestimmt gerne etwas trinken«, meinte Silvie und starrte mich eindringlich an.

      Na, toll. Andere zu bewirten war so ziemlich das Einzige, das ich wirklich gut konnte, und selbst dabei versagte ich jetzt katastrophal.

      »Ach, sicher doch. Möchtest du ein Bier?«

      Schon humpelte ich mit Schildkrötenschritten in Richtung Kühlschrank.

      »Danke, aber du musst nicht ...«, warf Isa ein.

      Wahrscheinlich deshalb, weil ich in meiner Verfassung einen jämmerlichen Eindruck machte.

      »Geht schon, kein Problem!«, unterbrach ich sie und hopste demonstrativ den letzten Meter.

      »Danke«, sagte Isa, als ich ihr eine Flasche und ein Glas in die Hand drückte.

      Wir setzten uns zu den anderen an den Tisch, wobei Uwe und Peter mittlerweile mehr lagen als saßen. Zudem hatte ich nicht den Eindruck, als wären sie noch bei vollem Bewusstsein. Uwe hing ein halb aufgegessenes Stück Kotelett aus dem Mund und Peters Wange lag in einer Bierlache am Tisch, die er zuvor mit Sicherheit selbst verursacht hatte. Meine zwei besten Freunde taten ihr Bestes, um meiner Küche das Flair einer billigen Spelunke zu geben. An Isas Stelle hätte ich mir meinen Teil gedacht.

      »Schön hast du es hier«, sagte sie dennoch und nahm einen Schluck Bier direkt aus der Flasche.

      Das gefiel mir.

      »Danke«, gab ich zurück, auch wenn ich wusste, dass sie das nur aus Höflichkeit gesagt hatte.

      Unsere Küche war das Gegenteil von dem, was man als modern bezeichnen würde. Die ehemals weißen Fronten hatten einen deutlichen Gelbstich angenommen und der alte Gasherd flößte jedem Respekt ein, der mutig genug war, sich ihm auf Schlagdistanz zu nähern. Und das zu Recht. Meine Mutter wusste Bescheid, wie man mit dem alten Gerät umzugehen hatte. Ich wusste ebenfalls Bescheid. Mein Vater? Der wusste wiederum, dass er besser die Finger davon ließ, denn