Hatschepsut. Der goldene Falke. Birgit Fiolka

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Название Hatschepsut. Der goldene Falke
Автор произведения Birgit Fiolka
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742704467



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du uns die überaus große Ehre deines Besuches erweist, Horus, haben wir eines der Schiffe zusammengebaut, damit du es mit deinen eigenen Augen betrachten kannst.“ Unter weiteren beflissenen Verbeugungen bat er Hatschepsut, ihm zu folgen. Sie erhob sich von ihrem gerade erst eingenommenen Platz und folgte Nehesi zu einem Segler, der viel zu groß für den kleinen Seitenarm des Hapi zu sein schien, in dem die Trockendocks lagen.

      Beeindruckt legte Hatschepsut den Kopf in den Nacken und folgte mit den Augen dem Mast bis hinauf zur obersten Spitze. Nehesi hatte nicht übertrieben. Die königliche Barke war groß, doch diese Schiffe waren für weitere Reisen als jene auf dem Hapi geschaffen worden. Hatschepsut konnte den Stolz in Nehesis Stimme mitschwingen hören, während er ihr die Vorzüge der Schiffe pries. „Der Rumpf geht tiefer als bei einer Flussbarke, und durch Querbalkenverstärkungen besitzt es auch bei starkem Seegang eine gute Stabilität. Anstatt des Baumes verwenden wir Geitaue, um die Trimmung zu verbessern und das Rah-Segel aufzuziehen.“ Sogar Hui betrachtete den großen Segler ehrfürchtig, während Hatschepsut die Länge des Schiffes abschritt. Ihre Hand fuhr über die Außenplanken. „Welches Holz wurde verwendet?“

      Nehesi, beflissen, ihr zu gefallen, huschte an ihre Seite. „Es ist Akazien- und Sykomorenholz, Horus, nach alter Tradition mit Zapfen verbunden. Es sind gute Schiffe, Majestät ... ich stehe dafür mit meinem Namen und meiner Ehre ein.“

      „Die halbe Staatsschatulle habe ich für den Bau dieser Schiffe geleert“, wandte Hatschepsut ein und sah Nehesi dann eindringlich an. Leise, damit nur er ihre Worte vernahm, flüsterte sie ihm zu: „Ich habe kaum genug Gold, die Truppen zu entlohnen noch die Bauvorhaben, wie die Restauration des Satet-Heiligtumes auf Elephantine zu bezahlen. Die Kosten für das Schöne Fest vom Wüstental haben mehr verschlungen, als ich zugeben mag ... diese Reise muss erfolgreich sein, Nehesi ... unter allen Umständen brauche ich den Handel mit Punt.“

      Nehesi schlug die Augen nieder und raunte: „Ich werde dir die Schätze Punts zu Füßen legen, Horus.“

      Während Hatschepsut sich wieder dem Schiff zuwandte, winkte Nehesi seinen Gehilfen heran, der ihm eine Papyrusrolle überreichte und sich dann wieder zurückzog. Der Schatzmeister überreichte Hatschepsut die Rolle respektvoll mit beiden Händen. „Dies, Horus, ist der Reiseweg, den die Schiffe nehmen werden.“

      Hatschepsut nahm den Papyrus und entrollte ihn. Hui warf einen neugierigen Blick über ihre Schulter, während Nehesi zu erklären begann. „Wir werden die Schiffe in Einzelteilen nach Koptos transportieren und von dort aus etwa sieben Tage lang durch das Tal von Bechnu am Grauwackenberg zum Großen Grünen, wo die Segler zusammengebaut werden. Von dort aus werden wir das Große Grün bis zu den Horizonten der Sonne hinauffahren und unseren Weg nach Punt suchen.“

      „Ich bin zufrieden mit deiner Arbeit, Nehesi“, gab Hatschepsut ihm zu verstehen, während sie die Rolle an Hui weiterreichte, die sie wiederum einem Diener übergab. Dann entsann sie sich des Goldlöwen. Der Blick seines verbliebenen Auges brannte in ihrem Rücken – Hatschepsut konnte es spüren, obwohl er außer Hörweite noch immer abseits des Geschehens stand.

      Ohne Hast wandte sie sich Sary zu und konnte den Hass in seinem Blick lodern sehen.

      Hatschepsut ging auf den Ausbilder ihrer Leibwache zu. ... Angst ist der Weg zur Niederlage ... erinnere dich ... es waren deine eigenen Worte in der Zeit, in der du allen Grund hattest, dich zu fürchten. Du darfst ihn nicht fürchten!

      Die Verbeugung des Goldlöwen fiel knapp aus – Hatschepsut tadelte ihn nicht dafür. Sie wusste, dass Sary ein Tier war, das sie mit ihren eigenen Händen in einen Käfig gesperrt hatte – ein Tier, das seinen Kerkermeister mehr hasste als der rote Seth seinen Bruder Osiris.

      „Gesundheit, Leben und Wohlergehen, Ausbilder der Leibwache.“

      Hatschepsut spürte die lauernde Anspannung im entstellten Gesicht ihres Gegenübers und roch scharfen Schweiß ... den Schweiß eines Raubtiers, das mich töten will! Seit Unesch ihm den Schädel geöffnet hatte, war Sary noch unzugänglicher, noch seltsamer geworden. Die wahnhaften Vorstellungen, er sei noch immer im Goldland, hatte Unesch zwar vertreiben können, doch nicht seine Wut und seinen Hass. Einst hatte der Hass des Goldlöwen allein ihr als Frau gegolten, doch nun war er anders ... gefährlicher!

      Hatschepsut ahnte, dass Sary ihre Krönung zum Pharao als endgültigen Verstoß gegen die Maat sah. Trotz ihrer Erfolge und besonnenen Entscheidungen gab es noch immer jene, die einzig und allein den Knaben Thutmosis als Sohn Amuns auf dem Thron sehen wollten; allen voran die memphitische Priesterschaft des Ptah und ihr Hohepriester Iti. Doch Thutmosis war nur ein Knabe und der Wunsch Amuns zu offensichtlich, als dass die Priester gewagt hätten, laut aufzubegehren – nun, wo sie die Doppelkrone trug. Statt dessen trafen sie sich in dunklen Ecken des Palastes, nachts, wenn Nut sie in einen Mantel aus Dunkelheit hüllte, sie konspirierten in den Tempeln und schmiedeten Ränke. Hatschepsut wusste es ... erst vor wenigen Tagen war sie nachts erwacht, und die Luft in ihren Räumen hatte nach fauligem Atem gerochen. Es war ein Zeichen Amuns gewesen und eine Warnung! Öffne die Augen, meine Tochter und schlafe nicht in dieser Zeit der Gefahr! Seitdem trug Hatschepsut ein Udjat-Amulett um den Hals, das ihre Augen und ihre Sinne schärfen sollte.

      Hui räusperte sich, ein Zeichen, dass sie sich unwohl fühlte. Niemand fühlte sich in der Gegenwart des Goldlöwen wohl. Hatschepsut erinnerte sich ihres Anliegens. „Sary, ich will, dass du Nehesi als Berater nach Punt begleitest. Du kennst das Goldland besser als jeder andere ...“, sie machte eine kurze Pause, „... auch wenn es für dich keine guten Erinnerungen birgt. Doch ich brauche jemanden, der Nehesi beraten kann ... jemanden, dem ich vertraue.“

      Bei ihren letzten Worten funkelte das verbliebene Auge, und die Mundwinkel des Ausbilders ihrer Leibwache zuckten. Er glaubte ihr kein Wort. Sein Auge sah in ihr Herz! Es gab kein Vertrauen zwischen ihnen. Amun, lass ihn schweigen und gehorchen ... flehte Hatschepsut stumm. Denn obwohl sie ihm nicht vertraute, so missfiel ihr der Gedanke, Sary durch die Macht ihrer Insignien auf die Reise nach Punt zu zwingen. Vielleicht ... so betete ihr Herz ... wird es uns beiden gut tun, den anderen eine Weile nicht in seiner Nähe zu wissen. Vielleicht wird dies unsere Herzen heilen!

      Nach einer ihr endlos erscheinenden Weile deutete Sary mit einer knappen Verbeugung seine Ergebenheit an. „Mögest du ewig leben, Horus.“

      Die Schwärze der Nacht hüllte Sary in einen Umhang aus Dunkelheit, während er den Wachhabenden am Eingang des Hofes, auf dem sich die Unterkünfte der königlichen Leibwache befanden, grüßte. Die Nachtstunden, in welchen die zu Osiris Gegangenen ihre Reise durch die Unterwelt antraten, waren Sary die liebsten. Er fürchtete die Gefahren der Nacht nicht – nicht die irdischen und nicht die jenseitigen. Das, was Sary fürchtete, war das Licht des Sonnengottes, das ihn verfolgte und zu verhöhnen schien! Re strahlte für die Goldene Hure, die auf Ägyptens Thron saß. Die Nacht jedoch – sie war der Trost der Verlorenen und Verratenen ... der Trost Amenis ... und auch der Seine. Und die Nacht würde verbergen, weshalb er gekommen war ... die Nacht würde schweigen ...

      Der müde Wachhabende nickte ihm nur kurz zu und ließ ihn ohne zu fragen passieren. Als Ausbilder der Leibwache brauchte Sary niemandem Rechenschaft darüber ablegen, weshalb er hier war.

      In Sarys Herzen schwelte Wut. Sie wollte ihn aus dem Weg schaffen und fortschicken aus Theben! Er hatte geahnt, dass es so kommen würde, und eigentlich hätte es eine Erlösung für ihn sein sollen. Doch das war es nicht! Sein Blick wanderte vorbei an den Dumpalmen, deren Wedel sich im lauen Wind wiegten. Früher hätte ihm dieses Bild Frieden gegeben, doch dies war in einer anderen Zeit gewesen, die lange vergangen war. Seine Vergangenheit lag in einem Grab am Westufer des Hapi.

      Sary spürte wie so oft den hämmernden Schmerz unter seiner goldenen Schädelplatte anschwellen. Er konnte sich nicht weigern, Hatschepsut zu gehorchen, das hatte ihm die Königswitwe Mutnofret unmissverständlich gesagt. „Mein Einfluss im Palast ist weniger als gering, Ausbilder der Leibwache. Alles, was wir tun können, ist warten ... warten, dass Thutmosis alt genug ist, sich den Thron zurückzuerobern, den Sie ihm gestohlen hat.“ Ihr schlaffes Gesicht hatte verbittert gewirkt – ganz anders als das Gesicht jener Frau, die damals zu ihm gekommen war, nachdem Unesch seinen Schädel