Hatschepsut. Der goldene Falke. Birgit Fiolka

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Название Hatschepsut. Der goldene Falke
Автор произведения Birgit Fiolka
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742704467



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Er ging ohne ein weiteres Wort oder einen Gruß an den beiden Wachhabenden vorbei, die ihm in einer Mischung aus Angst und Misstrauen hinterher sahen. In seinem Auge flackerte ein loderndes Feuer aus Hass, während er an die goldene Hure dachte. Er wusste, dass der junge Thutmosis ihn nicht verraten würde. Ihr, der er misstraute, würde er sich niemals anvertrauen, und außer Hatschepsut gab es niemanden, der ihn hätte schützen können. Nicht einmal die Götter, junger Thutmosis, hören dich ... denn sie hören nur noch auf Sie!

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       Der Königspalast, Jahr 9 der Herrschaft Hatschepsut Maatkares

      Hatschepsuts Finger fuhr an der Halsbeuge ihres Geliebten entlang und verharrte kurz, um den Schlag des Herzens zu fühlen, das viel zu schnell in Senenmuts Brust schlug. Sie hatten sich geliebt – den ganzen Nachmittag, während Res Strahlen ihre ineinander verschlungenen Körper liebkost hatte – nun lagen sie satt und träge wie Katzen auf Hatschepsuts Lager. Wie immer, wenn sie mit Senenmut zusammen war, empfand Hatschepsuts Herz eine zufriedene Ruhe. Wie anders doch diese Liebe war, als jene, die zwischen ihr und Ameni gewesen war. Damals war sie jung gewesen, unsicher und voller Furcht. Ameni war ihr Beschützer und sie das Mädchen mit dem Katzengesicht, das so gerne etwas anderes gewesen wäre, als die Gemahlin ihres Bruders, der sie verabscheute. Doch die Frau, die Senenmut liebte, war erwachsenen geworden. Obwohl in Senenmuts Adern kein Tropfen göttlichen Blutes floss, so wusste Hatschepsut doch, dass sie sich ebenbürtig waren.

      Sie betrachtete die tiefen Falten um die Mundwinkel ihres Geliebten, und wie so oft wurde ihr bewusst, dass Senenmut sehr viel älter war als sie. Was soll ich tun, Amun, wenn er einst seine Barke besteigt und ich zurückbleibe? Insgeheim fürchtete Hatschepsut diesen Tag, auch wenn sie diese Furcht tief in ihrem Herzen verbarg. Sie war der Falke ... und Furcht ist der Weg zur Niederlage!

      Neben ihr regte sich Senenmut und wandte sich ihr zu. Hatschepsut schmiegte ihren von der Liebe erhitzten Leib an seinen. „Senenmut ... ich möchte, dass du ein neues Haus der Ewigkeit für dich bauen lässt ... mit einem langen Korridor, der bis zur Grabkammer führt ... die Grabkammer soll unter meinem Djeser Djeseru liegen.“

      Senenmut runzelte die Stirn, doch sie sprach weiter, ehe er Einwände erheben konnte. „Es ist der einzige Weg, wie wir nach dem Tod für immer zusammen sein können.“

      Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schien es sich dann jedoch anders zu überlegen und schwieg. Erst nach einer Weile antwortete er. „Du solltest nicht über den Tod nachdenken, Schwester meines Herzens. Du bist noch jung.“

      Aber du bist es nicht ... hätte Hatschepsut beinahe geantwortet, doch stattdessen lächelte sie nur. „Aber ich war zeit meines Lebens vom Tod umgeben ... das lange Sterben meines Bruders Thutmosis ...“, sie schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken zu vertreiben. „Nein, wir müssen vorsorgen. Anubis fragt nicht nach Alter und Jugend.“ Sie setzte sich im Bett auf und zog die Knie an ihre Brust. „Und ich will noch mehr tun. Auf der obersten Terrasse des Djeser Djeseru, im Bereich, der meiner engsten Familie vorbehalten ist, sollst du Bildnisse von dir anbringen lassen.“

      „Die Priester werden es erfahren“, wandte Senenmut ein. „Du kannst es vor dem Volk geheim halten, doch die Priester werden es sehen. Denk an Iti ... er ist dir noch immer nicht wohlgesonnen.“

      Hatschepsut stand vom Lager auf und griff nach ihrem Trägerkleid, das sie achtlos abgestreift hatte, als Senenmut und sie ausgehungert nach Liebe in ihre Räume gekommen waren.

      Wie hätte sie Iti vergessen können – den hageren Oberpriester des Ptah in Memphis. Hui hatte ihn mit ihrem Körper bestochen, als sie damals nach Memphis gekommen war, um ihren Thronanspruch durchzusetzen. Doch Hatschepsut vertraute ihm nicht, obwohl er seither keinen Versuch mehr unternommen hatte, die Priesterschaft oder das in Memphis stationierte Heer gegen sie aufzuhetzen. Sein stechender Blick, dem eines Schakals ähnlich, war voller Abscheu – er mahnte Hatschepsut zur Vorsicht. Erst vor einem Mond hatte sie Iti in Theben empfangen und feststellen müssen, dass auch Hapuseneb, ihr enger Vertrauter und Hohepriester des Amun in Theben eine Abneigung gegen den Hohepriester des Ptah in Memphis hegte. Der Hohepriester des Amun war jedoch mächtiger, als der Priester des Ptah. Hatschepsut dankte Amun dafür, Hapuseneb ihren Vertrauten nennen zu dürfen.

      Wann immer Iti sich vor ihr verneigt und Segenswünsche ausgesprochen hatte, fühlte Hatschepsut, dass er sie verachtete. Es war kein Hass, wie bei Sary, den Hatschepsut hätte greifen und verstehen können – es war eine Verachtung jener Art, die eine Katze gegenüber einer Maus empfinden mochte.

      „Ich habe Iti und seinen Besuch nicht vergessen“, antwortete sie Senenmut deshalb gereizt. „Doch ich bin der Falke und werde meinen Kopf nicht vor diesem Mann mit dem verdorrten Herzen neigen. Ich bin die Tochter Amuns ... er ist der Sohn von Menschen.“

      Wieder kam es Hatschepsut vor, als wolle Senenmut Einwände erheben, und wieder schwieg er. Dann stand auch er auf und suchte nach seinem Schurz. Seine Bewegungen wirkten angespannt. „Du darfst die Priesterschaft nicht unterschätzen. Dein Herz ist das einer Göttin, doch dein Körper ist sterblich.“ Er kam zu ihr und zog sie an sich. „Mein Herz könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas geschieht.“

      Seine Wärme machte ihren Leib geschmeidig und anschmiegsam. Dank ihm war sie in den letzten Nilschwemmen nicht zu der bloßen Statue eines lebenden Gottes auf Erden geworden. Sein Verdienst war es, dass sie Frau und Geliebte bleiben durfte – auch wenn es nicht vor den Augen des Volkes und des Hofes geschehen konnte.

      „Ich werde Iti nicht unterschätzen ...“, versprach sie. Ihre Lippen trafen sich, und Hatschepsut schlang ein letztes Mal die Arme um seinen Leib. Seit Sary und Nehesi vor sechs Monden aufgebrochen waren, um das sagenumwobene Punt zu suchen, war Hatschepsut klar, wie sehr der Goldlöwe ihr Gemüt bedrückt hatte. Es war so friedlich ohne ihn, ohne seine brennenden Blicke, die sie verfolgen ... sogar nachts in ihren Träumen, wenn sie schlief.

      Senenmut löste sich von ihr und lächelte versöhnlich. Wie immer wirkte sein Versuch zu lächeln unbeholfen, doch Hatschepsut liebte ihn dafür, dass er nicht die Fähigkeit der Täuschung wie die Höflinge besaß. „Ich werde heute Abend als dein Haushofmeister und Erzieher Nofrures beim Bankett an deiner Seite sitzen. Es ist dein Abend, Horus! Du hast die Handelswege nach Punt neu erschlossen ... nach so vielen Nilschwemmen, in denen sie vergessen waren.“

      Hatschepsut dachte an das Sendschreiben, das vor wenigen Tagen eingetroffen war. Nehesi hatte ihr mitgeteilt, dass sie kurz vor dem Ziel waren. Sie hatten den Weg nach Punt tatsächlich gefunden! Hatschepsut sah Senenmut nach, wie er ihre Räume über die Terrasse verließ, und fühlte wie immer ein unangenehmes Ziehen in ihrem Bauch. Wie ein Dieb musste er sich aus ihren Räumen schleichen und sich vor den Augen der Höflinge verbergen. Was hätte sie dafür gegeben, mit ihm Hand in Hand durch die Gärten zu gehen und ihre Liebe nicht zu verheimlichen. Doch dies, so pflegte Hui zu sagen, wenn sich Hatschepsut über die vielen Heimlichkeiten beschwerte, aus denen ihr Familienleben bestand, war das Schicksal eines weiblichen Falken.

      Nachdem sie gebadet und ihre Leibdienerin sie geschminkt hatte, verließ Hatschepsut ihre Räume. Sobald Senenmut fort war, war auch die Unruhe wieder in ihrem Herzen. Sie bereute es, Hui nach Karnak geschickt zu haben, damit sie Nofrure und Meritre einen Besuch abstattete. Seit Nofrure das Amt der Gottesgemahlin des Amun übertragen worden war, wurden beide Mädchen im Tempel unterrichtet und lebten die meiste Zeit im zum Heiligtum gehörenden Tempelpalast Nicht bin ich fern von Amun, wo auch sie selbst während ihrer Tempeldienstzeiten residierte. Auch wenn Nofrure die Zeremonien der Gottesgemahlin noch nicht leiten durfte, war ihr Tagesablauf streng geregelt. Viel zu früh musst du deine Kindheit hinter dir lassen Tochter ... dachte Hatschepsut unglücklich.

      Sie beschloss, ihrer ehemaligen ersten Dienerin Ipu einen Besuch abzustatten. Seit der junge Thutmosis in die Obhut des Truppenführers gegeben worden war, damit er eine militärische Ausbildung erhielt, gab es für Ipu wenig zu tun. Es war Zeit, dass sie sich über neue Aufgaben für die Amme des Königs Gedanken machte. Hatschepsut hatte vorgehabt, Ipu zu Ahmose-Pennechbet, ihren