Nur ein Traum. Semira Sayer

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Название Nur ein Traum
Автор произведения Semira Sayer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738058734



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unter denen sich zwei hellblauen Augen ausruhten, bis zu seinem behaarten Oberkörper, diesen netten jungen Mann.

      Ein wenig verlegen war ich schon innerlich, meine Lider sanken beschämt zu Boden. Aber dann dachte ich, dass das jede andere Frau auch tun würde, so verteidigte ich mich vor mir selbst. Obwohl er blonde Haare hatte, wies seine schöne, gleichmäßig durchgebräunte Haut, keine Spur von Blässe.

      „Ich heiße Thomas und komme aus einer Kleinstadt am Rhein“, sagte er und öffnete seine Lippen zu einem Lächeln. Daraufhin brachte ich meinen Blick wieder zu seinem Gesicht zurück und antwortete auf sein Lächeln mit meinem.

      „Mein Name ist Susan und ich denke, ich wohne nicht weit entfernt von dir!“

      Während ich sprach, starrte Thomas unentwegt in mein Gesicht, immer noch mit einem Lächeln um seinen Mund. „Du bist mir schon im Flugzeug aufgefallen. So eine schöne, junge Frau und doch allein, dachte ich“, sagte er ohne Scheu. Seine Offenheit gefiel mir, er sprach mit mir wie mit einer alten Bekannten, als ob er mich seit einer Ewigkeit kannte, und seine gute Laune richtete mich auf.

      „Die junge Frau neben mir im Flugzeug, die du vielleicht bemerkt hast, ist meine Freundin. Also bin ich nicht alleine, wie du denkst“, antwortete ich, damit er nicht dächte, ich wäre völlig allein. Gleich darauf gab er zurück: „Ich meinte es anders“, und schenkte mir ein weiteres Lächeln, ehe er fortfuhr: „Jedenfalls bin ich froh, dass ich dich hier getroffen habe!“, ohne den Blick von mir abzuwenden. Thomas zeigte mir mit diesem Satz schon beim ersten Treffen, völlig ungezwungen seine Zuneigung. Und ganz ohne jedes Nachdenken ließ ich meine Gedanken über uns beide frei umherschweifen, ohne zu wissen, wie gut unsere Bekanntschaft sich in Zukunft entwickeln würde. Ob Thomas wohl der Mann meine Träume wäre, den ich lieben und vielleicht später heiraten wollte? Von dem ich Kinder bekäme?

      Mit Kindern sollten wir noch warten, dachte ich. Ich will noch die Liebe, das Leben entdecken, die Welt kennen lernen und den Höhepunkt meines Lebens erreichen, von dem ich ständig träumte. Solche Gedanken waren mir damals durch den Kopf geschossen. Ich erinnerte mich nur zu gut daran.

      Gab es ihn, den Mann der Träume, mit dem ich dann doch, nach vielen schönen glücklichen Jahren, mit Kindern das große Familienglück erleben würde? Dieses Glück hatte ich als Kind sehr vermisst. Wir wie die anderen Paaren auch ihre Familie gründeten ohne solche schmerzlichen Spuren? Ja, ob wir nach so vielen Jahren dann wohl immer noch glücklich zusammen wären? „Ich nehme an, du freust dich auch, dass wir uns kennen gelernt haben. Du siehst mich an mit einem ... na, wie soll ich es ausdrücken: geheimnisvoll! Ja, einem geheimnisvollen Lächeln auf deinem Mund!“ Wie hätte ich ihm erklären können, dass das die Nachwirkung meiner Gedanken war!

      „Ja, ich freue mich“, antwortete ich ihm aufrichtig.

      Plötzlich spürte ich die durch die Nadelbäume gleitenden heißen spanischen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Sie bewegten sich nach Westen und ließen erahnen, dass es schon später am Nachmittag war. Ich dachte, dass das für heute genügte, mich mit einem völlig fremden Menschen so zwanglos und unbefangen unterhalten zu haben. Ich fragte mich, ob das gut sei und wohin das führen sollte, die Gedanken, die ich mir über ihn und mich machte.

      Mit einer Bewegung nach vorne auf dem Liegestuhl schaffte ich es aufzustehen und faltete das große Handtuch zusammen. Als ich mich ihm zuwandte, sah er mich fragend an.

      „Sehen wir uns heute Abend?“

      Ich lächelte leicht. „Vielleicht“, sagte ich kurz.

      „Bis dann“, ließ er nicht locker und ich hörte ihn hinter mir herrufen.

      Wir sahen uns schon vor dem Abendessen in der Hotelhalle, also bewohnte er das gleiche Hotel wie wir. Sarah und ich waren ganz in Gedanken, da wir nach dem Essen ausgehen würden, nach dem ihr auch wieder besser ging. Also gab ich wie jeden Abend den Schlüssel bei der Rezeption ab. Noch bevor ich mich von der Rezeptionstheke abwandte, hörte ich die Stimme von Thomas. „Susan ... Susan!“

      Frisch rasiert, ganz in Weiß gekleidet sah er mit seiner sonnengebräunten Haut gut aus. Seine hellblauen Augen kontrastierten mit seiner braunen Haut, sie leuchteten förmlich heraus. Meine Freundin Sarah, die neben mir stand, war begeistert von seinem Aussehen, als ich ihn ihr vorstellte.

      „Thomas, das ist meine Freundin Sarah!“ Er reichte ihr seine Hand, die Sarah erfreut ergriff.

      „Ich ... ich ... freue mich!“, stammelte sie vor Freude. Man konnte ihr sofort ansehen, wie verliebt sie in ihn vom ersten Augenblick an war, ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. Später schilderte sie ihn mir viele Male und wurde gar nicht fertig damit, dass er blendend aussähe.

      Ich hatte nicht vor, zwischen den beiden zu stehen, und gab in den nächsten Tagen meistens eine Entschuldigung von mir, dass ich mit ihnen nichts unternehmen wolle. Stattdessen ging ich alleine aus, sowohl am Tag als auch am Abend.

      Trotz meiner Bemühungen stellte sich nach zwei Wochen Ferien heraus, dass sich Thomas nicht für meine Freundin interessierte, sondern für mich.

      Bei der Rückreise im Flugzeug saß Thomas hinter mir. Ich konnte die Kälte zwischen ihm und meiner Freundin deutlich spüren, aber eine solche Kälte kannte ich schon von meinen Eltern nach einem Streit, also dachte ich darüber nicht lange nach.

      Als wir daheim ankamen, fragte mich Thomas bei der Gepäckausgabe scheu, ob es ein Wiedersehen mit mir gäbe. Da ich in der Annahme lebte, er sei der Freund meiner besten Freundin, sagte ich: „Nein, ich denke nicht“, und verabschiedete mich sofort von ihm. Damit errichtete ich eine Sperre zwischen ihm und mir.

      Es vergingen einige Tage nach unseren Ferien. Ich war in Eile und wollte nach der Arbeit für das Wochenende einen Großeinkauf tätigen, als das Telefon klingelte.

      Ich rannte mit umgehängter Handtasche ans Wandtelefon und nahm den Hörer ab in der Absicht, Sarah zu erklären, dass ich jetzt keine Zeit hatte und sie später zurückrufen würde. „Hallo, Susan!“, hörte ich aber die Stimme von Thomas.

      „Thomas, du?“ Ich wusste im Moment nicht, was ich noch sagen sollte. Ich hatte ihm keinerlei Informationen über mich gegeben, nachdem ich ein Wiedersehen mit ihm abgelehnt hatte.

      „Es tut mir Leid, störe ich?“, hörte ich ihn fragen, nachdem er meine Überraschung bemerkt hatte.

      „Nein, ich bin nur überrumpelt“, sagte ich aus meinem Staunen heraus.

      „Ich weiß!“

      „Woher ... woher weißt du meine Telefonnummer?“, wollte ich wissen.

      „Von Sarah“, gestand er.

      „Ich dachte ...“ Er unterbrach mich mit einem Satz: „Nein, warte einen Augenblick“, dann wollte er wissen, ob ich Einwände hätte und woran ich dachte.

      Schließlich traute er sich, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ich ihm aufmerksam zuhörte: „Nein. Ich weiß, was du denkst, aber ich wollte immer nur mit dir zusammen sein. Ich bedauere, dass du nie mit uns mitgekommen bist, und möchte, dass du mir vertraust!“

      Geduldig hörte ich ihm zu. „Sarah wird enttäuscht sein“, teilte ich ihm meine Meinung mit.

      „Ich habe ihr schon von Anfang an klar gemacht, dass ich mich nicht für sie interessiere!“, erzählte mir Thomas.

      Arme Sarah! Wie sie sich in eine hoffnungslose Liebe verloren hatte und geduldig dagegen ankämpfte, nachdem sie aufgehört hatte, auf seine Liebe zu hoffen! Jetzt konnte ich mir auch die Kälte zwischen Thomas und Sarah bei der Rückreise erklären. Das machte es mir auch einfacher zu verstehen, warum Sarah sich seither bei mir nicht mehr hören und blicken ließ.

      „Weißt du, ich möchte dich so gern wiedersehen!“, vernahm ich Thomas’ Stimme aus dem Hörer. Langsam kehrte ich aus meinen Gedanken an Sarah zurück und wandte meine Aufmerksamkeit wieder Thomas zu.

      „Bist du sicher?“, fragte ich ihn, weil ich ahnte, dass das der Anfang einer Freundschaft sein könnte, wenn wir uns wiedersehen würden. Ich wusste, dass er das, was er sagte, auch