Erntejagd. György Kristián Szitás

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Название Erntejagd
Автор произведения György Kristián Szitás
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752923100



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was hinter dem Anruf steckte. Stefan Labahn und seine Jagdhütte waren allgemein bekannt. Es gab wilde Gerüchte über Orgien, die hier gefeiert wurden und es hatte mehrere Anzeigen gegeben. Wegen sexueller Belästigung. Doch ehe nähere Ermittlungen eingeleitet werden konnten, waren diese Anzeigen wieder zurückgenommen worden. Die beiden Unterinspektoren hatten Stefan Labahn nicht an dessen Jagdhütte angetroffen, aber den teuren Geländewagen entdeckt, der auf halber Höhe des Berges stand, von dem man einen guten Überblick über das Jagdrevier des Deutschen hatte. Sie hatten ihrem Dienstwagen einiges zugemutet, um zu dem Auto zu kommen und hatten dann über Funk Alarm gegeben. Die Spurensicherung hatte bisher nicht viel mehr ermitteln können, als das, was der Anrufer bereits erklärt hatte - nämlich, dass der dreißigjährige Deutsche von einem Armbrustbolzen tödlich getroffen worden war. Mit Hilfe von Lasern konnte der Standort des Schützen ermittelt werden. In der Nähe dieses Punktes waren die Spuren eines ATV8 entdeckt worden. Das konnte darauf hindeuten, dass der Schütze mit einem solchen Fahrzeug dorthin gefahren war. In der Garage von Labahns Jagdhütte wurde aber auch so ein Fahrzeug gefunden. Waren die Spuren älteren Datums und stimmten Sie mit dem ATV des Deutschen überein? Da Labahn die Schlüssel der Jagdhütte bei sich gehabt hatte, war es kein Problem gewesen das Haus und die Garage zu öffnen. Der Abschleppdienst war beauftragt, um das ATV in die Werkstatt der Spurensicherung zu transportieren, damit die Reifenspuren miteinander verglichen werden konnten. Bucur Marcarescu, der Inspektor9 von Pupescu, kam aus dem oberen Stockwerk, in dem sich die Schlafräume befanden, herunter in die Wohnküche gelaufen: „Herr Hauptinspektor,“ meldete er, „dort oben scheint nichts verdächtig zu sein. Es existieren mehrere Gästezimmer und ein etwas größerer Schlafraum, der auch als Büro genutzt wird. Der größere Schlafraum wurde von einer Person genutzt. Die Gästezimmer sind darauf vorbereitet mehrere Gäste unterzubringen, aber das muss nichts heißen. Im Bürobereich wurden verschiedene Geschäftsunterlagen aufgefunden, die jedoch alle in deutscher Sprache geführt werden.“ Marcarescu blickte seinen Hauptinspektor verlegen an: „Diese Unterlagen müssten Sie durchsehen, da von uns niemand diese Sprache sprechen oder gar lesen kann.“ „Herzlichen Glückwunsch!“ brummte Pupescu, „Könnt Ihr mir das einpacken und ins Büro schaffen? Hier vor Ort will ich mir das nicht durchsehen, da brauche ich Ruhe.“ „Vorab, habe ich dies heruntergebracht, es scheint sich um einen Terminkalender zu handeln. Für den heutigen Tag ist der Eintrag H-P+B,S? enthalten. Für die kommenden Tage wurden verschiedene englische Namen eingetragen und speziell für übermorgen der Name Onu.“ Marcarescu gab dem Hauptinspektor das Buch, das dieser aufschlug und sich die aktuelle Seite ansah. „Onu?“ fragte der Hauptinspektor, mehr sich selbst, als seinen Mitarbeiter und stierte durchs Fenster: „Der Name kommt mir bekannt vor.“ „Mir auch!“ bestätigte der Inspektor: „Wenn mich nicht alles täuscht gab es mal hier eine Valea Onu, die nach einer schweren Vergewaltigung in eine Heilanstalt eingeliefert wurde und sich dort das Leben nahm. Ihr Vater war zu diesem Zeitpunkt Jagdhelfer in diesem Revier. Es gab Gerüchte, aber nichts Konkretes.“ „Gerüchte aber nichts Konkretes gibt es in Bezug auf Herrn Labahn öfter.“ Der Hauptinspektor schaute wütend zum Fenster hinaus und morste mit dem Terminkalender gegen die Fensterbank, als ein PKW-Motor zu hören war, der sich der Jagdhütte näherte.

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      Auf einem Weg, der eigentlich eher ein Trampelpfad war, auf halben Höhe zwischen dem Jagdhaus des Stefan Labahn und dem Ort, an dem er den Tod gefunden hatte, verdeckt von Büschen und Bäumen, stand ein kräftiger, großgewachsener Mann in Arbeitskleidung und beobachtete die Tätigkeiten der Polizei in der Nähe des Jagdhauses, als er den Wagen erkannte, der auf das Haus zufuhr, lächelte er, hatte aber keinen Grund seinen derzeitigen Standort aufzugeben.

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      Hans-Peter Vogel bog gerade um die letzte Kurve, die zum Jagdhaus seines Schwagers führte, als ein uniformierter, rumänischer Polizist vor sein Auto sprang.

      Ein grobes „Stop! Opre

te-te imediat!“10 zwang ihn zum Stehen und obwohl er, durch den Lärm des Motors, nicht viel verstanden hatte, ließ der Polizist mit seiner Waffe im Anschlag kaum einen anderen Schluss zu, als dass er stehen bleiben sollte. Vogel schaltete den Motor ab und öffnete das Fenster, die Hündin kam aus dem Kofferraum geklettert und setzte sich auf den Beifahrersitz, den Polizisten freudig anlächelnd. Oder kam die Freude durch die Streicheleinheit, die ihr Vogel zukommen lies? „Darf ich aussteigen?“ fragte Vogel den Polizisten auf deutsch, doch dieser machte ein verlegenes Gesicht. Dann probierte er es auf englisch, aber die Reaktion war dieselbe. Erst als er ein „Pot să cobor?“11 hervorbrachte, machte der Polizist ein interessierteres Gesicht das er mit einem: „Da! Cu plăcere!“12 und einer auffordernden Handbewegung quittierte. Vogel nahm also die Leine des Hundes, stieg von dem Hund gefolgt aus dem Auto aus und begleitete den Polizisten zum Jagdhaus seines Schwagers. Dort angekommen trat ein höherrangiger Polizist, in Zivil, aus dem Haus heraus und sprach ihn auf deutsch an - er hatte wohl die deutschen Kennzeichen des Wagens erkannt: „Wer sind Sie, was wollen Sie hier?“ „Mein Name ist Hans-Peter Vogel, ich bin hier mit dem Bruder meiner Verlobten zur Jagd verabredet, Stefan Labahn. Er wollte auf Bockjagd gehen und mein Hund hier sollte uns bei der Nachsuche helfen. Ist etwas passiert? Hatte Stefan einen Unfall?“ „Als Unfall würde ich das nicht bezeichnen,“ antwortete ihm der Polizist vielsagend. „Er wurde erschossen.“ „Erschossen? Ein Jagdunfall?“ wollte Vogel wissen, während er die Veranda betrat. „Nein! Mord! Es sei denn man geht seit Neuestem mit der Armbrust auf die Jagd nach Schalenwild13 .“ „Armbrust? Schalenwild? Nein, Schalenwild wird mit einer Büchse gejagt. Die Jagd mit Bogen oder Armbrust ist doch in Rumänien verboten.“ „Ihr Schwager wurde mit einer Armbrust ’erlegt’. Auf seinem Ansitz! Und wir bekamen einen Anruf in gebrochenem rumänisch.“ Hans-Peter Vogel wurde es schwindelig und er brachte gerade noch ein: „Darf ich mich setzen?“ heraus. Ein anderer Polizist in Zivil schob ihm einen Stuhl hin und er ließ sich auf diesen fallen. Nach einer Weile stöhnte er: „Entschuldigen Sie, aber es war eine lange Fahrt. Ich bin in der Nacht im ungarischen Szentkirály aufgebrochen und habe nicht allzu viele Pausen gemacht.“ „Was machen Sie in Szentkirály?“ „Ich lebe dort mit Stefans Schwester, meiner Verlobten und arbeite von dort aus in meinem eigenen Unternehmen.“ „Ach so!“ kam von dem Polizisten zurück. „Welche Art von Unternehmen haben Sie und weshalb hat Ihr Fahrzeug noch ein deutsches Kennzeichen?“ Vogel lächelte den Polizisten ruhig an: „Ich entwickle Software für Rechtsanwälte und Notare. Meine Kunden sitzen in West- und Osteuropa - auch in Rumänien. Zur Betreuung meiner Kunden in Deutschland habe ich auch noch ein Büro in Nürnberg. Auf diese Adresse läuft das Fahrzeug.“ „Können Sie rumänisch?“ fragte der Polizist. „So gut, wie es mir meine zweite Frau beigebracht hat,“ gestand Vogel auf rumänisch. Pupescus Augen leuchteten: „Sie haben den hiesigen Akzent. Von wo stammte Ihr Frau?“ „Von hier.“ Vogel sah den Polizisten direkt an. „Das heißt Sie kennen sich hier aus?“ Vogel winkte ab: „Einigermaßen, ich war zwei- oder dreimal mit meiner Frau hier zu Verwandtschaftsbesuchen und dann noch drei- oder viermal mit meiner Verlobten. Aber wir waren mehr in der Natur unterwegs, als in der Stadt.“ „Frau? Verlobte?“ Der Polizist ließ die Frage im Raum hängen, ohne wirklich eine Frage gestellt zu haben und Vogel lächelte ihn bitter an: „Diese Frage musste ja kommen. Ich verlor meine erste Frau und unsere Kinder durch einen Unfall, bei dem ich selbst schwer verletzt wurde. Im Krankenhaus lernte ich meine zweite Frau und meine Verlobte kennen. Meine zweite Frau - wie gesagt eine Rumänin - arbeitete im Krankenhaus in der Radiologie. Als wir zwei Jahre verheiratet waren, erkrankte sie unheilbar an Krebs…“ Vogel schluckte und seine Stimme wurde traurig… „Etwa weitere zwei Jahre später traf ich meine Verlobte - die Schwester Stefan Labahns - wieder. Und wir sind zusammen.“ Walter Pupescu nickte dankend. „Können Sie sich hier in der Nähe ein Hotelzimmer nehmen oder vielleicht bei der Verwandtschaft Ihrer zweiten Frau übernachten und sich