Erntejagd. György Kristián Szitás

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Название Erntejagd
Автор произведения György Kristián Szitás
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752923100



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Spurensicherung tauchte neben ihm auf: „Ja, haben wir. Uns ist der Eintrag auch aufgefallen. Kann damit das heutige Miercurea Ciuc3 in Rumänien gemeint sein?“ „Sollte man mal nachprüfen,“ brummte László, „Ich zumindest kennen kein anderes Csikszereda.“ Der Leutnant kam zur Tür herein: „Die Fahndung nach den Ukrainern läuft.“ „Gut, dann sehen wir uns mal hier innen um. Ich will wissen, wer dieser Stefan ist und wer diese Biene sein soll.“ „Eine deutsche Schäferhündin,“ platzte es aus dem Leutnant heraus, der auf ein Bild an der Wand deutete. László sah sich das Bild näher an, das den Untertext „H.P. Vogel mit Biene, Fährtenhundeprüfung 2017“ trug. „Damit wissen wir wenigstens, wie dieser Vogel aussieht und wer Biene ist. Bleibt zu klären, wer dieser Stefan ist.“, kommentierte László und bückte sich zu dem kleinen Regal, das unter der Telefonkonsole stand, während der Leutnant im Wohnzimmer verschwand, um dort Schubkästen und Schranktüren zu öffnen.

      IV

      Stefan Labahn saß auf der Veranda seiner Jagdhütte am Fuße der Ostkarpaten und trank in aller Ruhe seinen Kaffee, während es langsam heller wurde.

      Der Freund seiner Schwester wollte heute Vormittag hier ankommen, damit sie, wenn sich Hans-Peter von der langen Fahrt, vom ungarischen Kecskemét in den rumänischen Kreis Harghita, etwas erholt hatte, miteinander auf Bockjagd gehen konnten. Deshalb sollte er auch seine Hündin Biene mitbringen, damit sie diese bei der Nachsuche4 unterstützen konnte. Biene hatte nicht viel von einer Wachhündin, dazu war der Beauceron besser geeignet, aber sie spürte mit ihrer feinen Nase jedes Wild auf, das die Jäger vielleicht nicht beim ersten Schuss erwischt hatten. Menschlich hielt Stefan nicht viel von Hans-Peter, den alle nur Peter nannten, aber er war ein guter Jäger. Allerdings war Stefan die Flinte, die Peter immer benutzte zu schwer. Wer ging schon mit einem Drilling5 auf die Pirsch? Stefan liebte es, mit seinen verschiedenen Gewehren bis ins Jagdrevier zu fahren und im Notfall das richtige Gewehr aus dem Auto zu holen. Er war auch einer der wenigen Jäger, die in Rumänien mit einem Ansitz arbeiteten. Peter ging - wie die Rumänen und Ungarn - auf die Pirsch. Und was noch ärgerlicher war - er hatte Erfolg damit. Wenn er die Trophäen sammeln würde, die er zusammen mit den Labahns schon erbeutet hatte, dann hätte er in seinem kleinen Tanya, das er mit Silvia beziehen wollte, keinen Platz mehr. Das war aber noch nicht das Schlimmste: Es kam vor, dass sich Peter das Fleisch geben ließ und weiterverarbeitete, während er die Felle und Geweihe den rumänischen Jagdhelfern überließ, die diese dann teuer an Touristen verkauften. Stefan Labahn verstand auch seine Schwester nicht: Sie hatte sich vor Jahren - mit Anfang Zwanzig - im Streit von ihrer Familie getrennt, weil sie „deren elitäres Gehabe“ nicht mehr aushalten konnte und hatte sich dann, dank Peter, ihrer Familie wieder angenähert - kurz bevor Jana Labahn, die zweite Frau ihres Vaters, bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen war. Wäre Peter nicht gewesen, hätte er am vergangenen Abend ins Nachbardorf gekonnt und hätte dort nochmal einen Drauf gemacht - er hätte sich eine junge Rumänin geschnappt, ihr etwas Geld gegeben und sich um diese Zeit noch mit ihr im Jagdhaus vergnügt. Wegen Peter war das unmöglich, denn der musste in einer halben Stunde hier sein. Labahn ließ seine Blicke den hohen Berg, der zu seinem Jagdrevier gehörte, hinaufgleiten und entdeckte auf halber Höhe ein Quad. „Was zum Kuckuck hat denn der da oben verloren?“ empörte er sich lauthals und trank mit einem Zug den Kaffee leer, dann war er mit einem Satz im Haus verschwunden, stellte die Tasse auf der Spüle ab und griff nach seiner Petersoli-Bockbüchse. Jetzt war keine Zeit zu verlieren, wollte er diesen Wilderer noch einholen. Er bezahlte nicht dem örtlichen Jagdaufseher jeden Monat eine Stange Geld dafür, dass er hier seinen Jagdgästen die stattlichsten Rehböcke und Hirsche präsentieren konnte, damit ihm nun dieser Wilddieb eine prächtige Trophäe abjagen würde. In zwei Tagen hatte sich wieder eine Gruppe reicher Amerikaner angemeldet, denen er, für knapp fünfzehnhundert Euro pro Woche, ein einmaliges Jagderlebnis bieten wollte. Stefan schnappte sich die Schlüssel seines Mercedes-G und sprang mit der geladenen Büchse ins Auto. Der Motor sprang sofort an und er gab Gas.

      ###

      Der Mann auf dem Quad hatte Stefan Labahn gesehen, als er mit Vollgas die Schotterpiste entlang jagte, die - zum Teil durch Bäume und Büsche verdeckt - zu einem der Ansitze führte, die der junge Deutsche gern nutzte, um einen besseren Überblick zu haben oder den verwöhnten Stadtjägern einen stattlichen Hirsch vor die Büchse zu stellen. Der klassische, rumänische Jäger ging lieber auf die Pirsch, lockte vielleicht mit einem gekonnten Ruf einen Hirsch oder ein Reh an, bewegte sich aber selbst lautlos durch die Vegetation. Erst das machte einen echten Jäger aus.

      Der Quadfahrer beobachtete einen Moment den schweren Geländewagen, der sich den Abhang hinauf quälte, war aber nicht weiter beunruhigt und lenkte sein Gefährt dann weiter seinem Ziel zu, das etwas oberhalb des verhassten Ansitzes lag.

      Dort angekommen deckte er das Quad mit einer graugrünen Plane ab, damit es in diesem Gelände nicht weiter auffiel und versteckte sich hinter ein paar Felsbrocken, die er vor einiger Zeit schon, hier aufgeschichtet hatte. Auf seinem Rücken trug er einen größeren Rucksack, dem er jetzt eine Armbrust entnahm, deren Visier er kurz überprüfte. Dann zog er zwei Armbrustbolzen aus dem Rucksack heraus und steckte diese in die Zollstocktasche seiner olivgrünen Arbeitshose.

      Er hob den Kopf und lauschte, aber das Motorengeräusch des Mercedes war noch ein gutes Stück entfernt.

      Der Armbrustschütze nahm ein paar kräftige Luftzüge und fixierte die Armbrust mit seinem Fuß, dann nahm er die Sehne der Armbrust in die behandschuhten Hände und zog sie nach oben. Mit einem leisen Klick rastete die Sehne in der vorgesehenen Position ein. Die Armbrust wurde angehoben und einer der beiden Bolzen eingelegt. Wenn nichts dazwischenkommen würde, sollte dieser eine Bolzen genügen. Der zweite Bolzen war für nur zur Sicherheit.

      Für einen Moment dachte der Armbrustschütze an den Grund seines Hierseins, dann legte er sich, die Armbrust im Anschlag, auf die Felsen und wartete. Mit seiner graugrünen Jagdkleidung verschmolz er mit dem Untergrund und wäre er beim Militär gewesen, hätte er eine Karriere bei den Scharfschützen machen können. Aber er war nie im Kriegseinsatz gewesen und diese Sache hier war sehr privater Natur.

      Der junge Deutsche raste mit seinem Mercedes-G heran, sprang aus dem Wagen und kletterte rasch auf den Ansitz.

      In der vermeintlichen Deckung sollte er den Wilddieb ausmachen können, weit konnte der noch nicht sein. Aus dem Holster, das er am Gürtel trug, zog er sein hochwertiges Fernglas hervor und musterte das Umfeld. Er ließ den Blick schweifen, als würde er einen Rehbock suchen, die er von diesem Punkt aus schon geschossen hatte. Dann blieb sein Auge an einem Punkt hängen, der etwa sechzig Meter von ihm entfernt lag.

      Ein metallisches Glitzern hatte ihn stutzig gemacht.

      „Was ist das?“ dachte er bei sich, dann hörte er ein Sirren und spürte einen stechenden Schmerz in seiner Brust. Für einen Moment hörte er sein Herz überlaut klopfen, dann schwanden ihm die Sinne.

      Der Armbrustschütze nahm sein Fernglas zur Hand und lächelte zufrieden als er das Ergebnis sah.

      Er setzte das Fernglas ab, fischte sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der örtlichen Polizei:

      „Ich habe einen Mord zu melden!“ verkündete er auf gebrochenem rumänisch.

      Im Hintergrund hörte er den schnellen Atem des rumänischen Beamten, doch er redete weiter, bevor dieser antworten konnte:

      „Stefan Labahn wurde in seinem Jagdrevier, auf seinem Ansitz mit einer Armbrust erschossen.“

      Dann legte der Armbrustschütze auf, verräumte seine Waffe, bestieg sein Quad und fuhr, so schnell es der Weg erlaubte zu seinem Ausgangspunkt zurück.

      ###

      Walter Pupescu, Prinzipal-Inspektor der Polizei6 und Leiter der Abteilung für Gewaltverbrechen in Miercurea Ciuc, blickte sich suchend in der großzügig ausgestatteten Jagdhütte um, zu der