Erntejagd. György Kristián Szitás

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Название Erntejagd
Автор произведения György Kristián Szitás
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752923100



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Um diese Zeit?“ fragte István genauso verschlafen zurück, „Muss es sich um Mord handeln. Sonst begehe ich einen.“

      Wieder das schrille Klingeln des Telefons.

      István László drückte auf die grüne Taste seines Diensthandys und brummte verschlafen hinein:

      „Major der Kriminalpolizei László István?“

      „Major?“ fragte die engagierte, junge Stimme seines Leutnants.

      „Ja!“ Die Stimme des Majors war müde und ärgerlich, während die Müdigkeit langsam - sehr langsam - durch den Ärger verdrängt wurde.

      „Es tut mir leid, dass wir Sie um diese Zeit wecken müssen.“

      „Schon gut, mir tut‘s auch leid!“

      Agy drehte sich zur Seite und stülpte ein Kissen über ihre Ohren.

      „Wir haben hier zwei Leichen, eine junge Frau aus Deutschland und ein aktenkundiger Ukrainer. In der Nähe eines Hauses, das einem Deutschen gehört. Von dem Hausbesitzer haben wir keine Spur.“

      Die Stimme zögerte, aber István war bereits aus dem Schlafzimmer gegangen.

      „Können Sie kommen?“ Der junge Leutnant wirkte unsicher.

      „Ist in Ordnung, ich komme.“ An Schlafen war jetzt sowieso nicht mehr zu denken. „Können Sie mir einen Wagen schicken?“

      „Ja kann ich! Funktioniert Ihr Lada nicht mehr?“ Die Stimme des jungen Leutnants klang amüsiert.

      Der alte Dienstlada, Modell Niva, des Major der Kriminalpolizei, Standort Kecskemét, István László war weithin bekannt. László stand seit längerer Zeit schon ein modernerer, schnellerer, bequemerer Wagen zu, doch László hatte den Wagen liebgewonnen. Freilich, für eine Verfolgungsjagd auf einer der Landstraßen, war er vollkommen ungeeignet, aber bei László kam es öfters mal vor, dass er zu einem Bauernhof oder auf ein Feld fahren musste, um seine Ermittlungen durchzuführen und so hatte er gegenüber seinen Vorgesetzten durchgesetzt, dass er den Niva behalten durfte, bis dieser auseinanderfiel. Auch Robert Andras, der Leiter der Polizeiwerkstatt, mochte den alten Wagen und so blieb der Dienstlada immer voll in Schuss.

      „Nein, aber ich bin erst vor einer Stunde ins Bett gekommen und einer der fünf Schnäpse mit meinem Schwiegervater war wohl einer zu viel.“ László versuchte wach zu bleiben, während er ins Telefon brummte.

      „Der Fahrer ist unterwegs, kann ich Ihnen schon ein paar Informationen mit auf den Weg geben?“ war der Leutnant zu hören.

      „Bloß nicht!“ warnte ihn der Major. „Ich versuche unter der Dusche wach zu werden und mich auf der Fahrt noch etwas zu erholen.“

      „Gut wir warten auf Sie!“ Der Leutnant kannte solche Momente von eigenen Familienfeiern.

      István hörte den Satz schon nicht mehr und drückte die rote Taste, wenn er in einer Stunde an dieser Adresse sein wollte, müsste er sich verdammt beeilen.

      Auch sonntags Früh im spätsommerlichen Szentkirály, beziehungsweise an der Einfahrt zu dem Tanya.

      Er ging auf leisen Sohlen zurück ins Schlafzimmer und verabschiedete sich bei seiner Frau mit einem Kuss auf die Backe:

      „Tut mir leid, dass ich los muss. Aber die haben am Ortsrand von Szentkirály zwei Leichen gefunden.“

      Das Gesicht seiner Frau gab den Widerwillen unverblümt wieder.

      „Eigentlich hatte ich mich auf ein gemütliches Frühstück mit Dir gefreut“, brummte sie verschlafen. „Und davor oder auch dabei könnten wir noch etwas kuscheln.“

      „Nur kuscheln?“ fragte er lausbübisch.

      „Seit wann ist es bei uns nur beim Kuscheln geblieben?“ fragte sie neckisch zurück.

      „Tut mir leid!“ versicherte er.

      „Mir auch. Ich liebe Dich! Pass auf Dich auf!“

      „Zu Befehl Frau Major!“ István stand stramm und grüßte militärisch.

      Agy lachte: „Nun verschwinde schon, sonst laufen Dir noch die Leichen davon!“

      „Ich liebe Dich!“ flüsterte István und beugte sich zu seiner Frau herunter, um sie nochmals zu küssen. Diesmal auf den Mund. Und seine Frau erwiderte den Kuss genussvoll.

      István verschwand unter der Dusche und stellte sie so kalt wie möglich ein, um bald wach zu werden.

      Nach etwa zehn Minuten in dem Dienstwagen, der ihn viel zu pünktlich abholte, merkte er, dass er sich die kalte Dusche hätte sparen können, denn er war eingeschlafen.

      III

      Als der moderne Dienstwagen an der Abfahrt zum Tanya hielt, wurde István László wieder wach, öffnete die Türe, stieg aus und streckte sich. Da es noch recht dunkel war, hatte die örtliche Feuerwehr Scheinwerfer aufgestellt, um den Tatort auszuleuchten. Über die Staatsstraße hinweg sah er die Abdeckplane, die üblicherweise über Leichen gelegt wurde.

      Sein Leutnant kam direkt auf ihn zu, doch noch ehe der Major ihn ansah, sah er den abgedeckten Körper deutlicher, der mitten auf dem Feldweg lag. Der Regen schwemmte Blut unter der Plane hervor, das sich nach links in das angrenzende Feld ergoss, auch wenn die Spurensicherung einen Pavillon über der Leiche aufgestellt hatte.

      Der Leutnant sah den Blick des Majors und fing gleich an zu erklären:

      „Die junge Deutsche wurde offenbar von mehreren Männern überfallen, wusste sich aber zu wehren. Sie brachte einen der Angreifer – einen dreißigjährigen Ukrainer, den wir schon mehrmals wegen Drogendelikten und Körperverletzungen in Haft hatten – mit einem japanischen Kurzschwert um. Diesem Wakizashi hier.“

      „Ein was?“ fragte László nach.

      „Wakizashi. So nennt man diese Schwerter. Die längere Version heißt Katana.“

      „Ach so,“ gähnte László, „ich bin noch nicht richtig wach. Wir waren gestern auf der Silberhochzeitsfeier meines Schwagers und ich hatte eine politische Diskussion mit meinem Schwiegervater. Sie machen ja Kampfsport.“ László hatte es vor einigen Jahren mal mit Karate probiert, aber dann kam seine Frau, dann die Kinder, das Leben halt …naja.

      „Ja, man muss sich fit halten.“ Kam die Antwort des Leutnants und László dachte sich: „So wie Du, dachte ich damals auch!“

      László rieb sich die Stirn: „Also gut. Was wissen Sie noch?“

      „Es waren wahrscheinlich drei Angreifer, vermutlich alles Ukrainer. Den vorläufigen Spuren nach zu urteilen, stürmten alle drei Angreifer in das Grundstück, wo einer von ihnen von einem großen, schwarzen Hund attackiert wurde, den sie erschossen haben. Mit einer Schrotflinte, wie die Frau. Aber das muss ein anderer Schütze gewesen sein, denn die Schrotladung mit der die Frau getötet wurde ist grobkörniger. Bei dem Hund handelte es sich wohl um eine Mischung zwischen Dobermann und Rottweiler.“

      Sie hatten die abgedeckte Leiche erreicht und László ging auf die Knie, um die Plane etwas anzuheben.

      „Ist die Spurensicherung hier schon fertig?“ wollte er wissen.

      „Ja, sind wir!“ war von weiter vorn die Stimme des Gerichtsmediziners Dr. Molnár zu hören. „Wir wollten nur warten, bis Du Dir ein Bild von allem gemacht hast. Dein Leutnant hat Dir wohl schon alles erzählt?“

      „Noch nicht so ganz,“ kam die Antwort Lászlós.

      László und der Doktor kannten sich schon lange, sie waren miteinander zur Schule gegangen. Dann hatten sich ihre Wege getrennt.

      László hatte bei der Polizei angefangen und Dr. Molnár hatte Medizin studiert. Erst in Budapest, dann in Wien und schließlich in Würzburg. Danach hatte es ihn an die Gerichtsmedizin in Kecskemét verschlagen. Seine Frau, eine deutsche Ärztin, die er in Würzburg kennengelernt hatte, wollte die Heimat ihres Mannes kennenlernen. Seit etwa fünf Jahren war Dr. Molnár nun Leiter der Gerichtsmedizin in Kecskemét.

      Die junge Deutsche, deren Blut auf dem Feldweg