Amerikanische Odyssee. E.R. Greulich

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Название Amerikanische Odyssee
Автор произведения E.R. Greulich
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783847686415



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die Dielen, dann stand er, beide Hände auf den Besenstiel gestützt. "Von mir war es also nicht zu erwarten?"

      Kuhn hob den Kopf nicht von der Arbeit. Nach einer Weile nahm er zwei Keksrollen aus seinem Tischkasten. "Komm, iss mal etwas."

      "Na schön, das Holz muss sowieso erst das Wasser aufsaugen, sonst schmiert's beim Fegen."

      "Die in der Küche haben immer eine Kanne Kaffee stehen", sagte Kuhn, "natürlich würden sie uns welchen geben, aber ich mag das nicht, es sieht so nach ... , nach ... "

      "Es würde nach Klee-Wirtschaft aussehen. - Sammelst du auch Kaffeegrund?"

      Kuhn sah Hesse verständnislos an. "Es gibt welche, die holen sich den Kaffeegrund aus der Küche und trocknen ihn auf dem Blechkanal der Warmluftheizung. Wenn sie nach Hause kommen, sagen sie, wird er in Deutschland Gold wert sein."

      "Die haben Sorgen." Kulm ärgerte sich. "Und wir haben Scherereien, wenn die Amis mit ihrem Hygienefimmel dahinterkommen. Bin gespannt, wann die erste Schutzimpfung hier fällig sein wird."

      "Kaum später als der erste Film", mutmaßte Hesse.

      "Was ich vorhin mit dem selbstverständlich gemeint habe", sagte Kuhn übergangslos, "war natürlich Unsinn, denn ... "

      Hesse widersprach. "Auf meinen hysterischen Anfall gestern bleibt nur diese Auslegung. Aber es ist anders. Mit dem Hitlerbarras und seinen Kommissköppen gibt es für mich keinen Kompromiss. Das hat nichts damit zu tun, dass ich mich aus jeder Politik heraushalten werde."

      Kuhn legte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete Hesse. "Hast du schon mal die Handfläche eines Schmieds gesehen? - Die kommt so oft mit Feuer in Berührung, dass sie völlig mit Hornhaut bedeckt ist. Man muss sich solche Hornhaut anschaffen."

      "Jeder eignet sich eben nicht zum Schmied."

      Nachsichtig beugte sich Kuhn vor. "Du bist Jahrgang zwanzig. Lege elf Jahre bei dir zu - was meinst du, wie du dann über manche Meinung von heute lächelst."

      "Dass ihr euch auf euer Alter so viel einbildet."

      Kuhn blieb friedlich. "Eine Weltanschauung muss langsam wachsen. Aber Hass auf Hitler und seinen Barras ist doch politisch. Oder? - Na also, es gibt keine unpolitischen Antinazis."

      Hesse konnte die Zurückhaltung in seinem Gesicht nicht verbergen. Das hatte er schon in vielen Varianten gehört.

      "Ich glaube, du machst den Fehler, politisch denken mit Kommunistsein gleichzusetzen", fuhr Kuhn fort. "Dafür bin ich kompetenter als Bauer und seine Freunde. Ich war nie in einer Partei. Die harte Disziplin, das ständige Bereitsein müssen, nee also ... Aber das ändert nichts daran, dass ich mittue nach meinen Kräften."

      Kurz vor dem Mittag tauchte Ede auf. Er sah aus wie ein Kohlentrimmer, auf den Brillengläsern im verschwitzten Gesicht lag Staub. "Ist das ein Rekord, Kinder? In drei Stunden die Außentour geschafft. Unser Boss hat sich vor Vergnügen auf die Schenkel gehauen, wie wir im Dauerlauf die Ash-and-Trash-Cans rangeschleppt haben."

      "Also ein erfolgreicher Tag im Müllgewerbe", spottete Kuhn.

      Ede wurde feierlich. "Ein großer Tag für den Theaterfundus. Zum ersten Mal in den WAC-Baracken. Seht mal." Mit spitzen Fingern zog er eine Puderdose aus der Hosentasche. Ein leiser Fingerdruck und ihr Deckel sprang auf. Ede hielt die schwärzliche, etwas zu kurz geratene Nase über Quaste und Puderrest. "Direkt aufreizend."

      "Nimmst du deiner Frau mit?" erkundigte sich Kuhn.

      Empört blickte Ede ihn an. "Theatereigenrum. - Außerdem würde meine Inge sonst was dabei denken."

      "Entweder dass du sie geklaut oder geschenkt gekriegt hast."

      "Weder - noch." Ausnahmsweise ging Ede nicht in die Luft, verzückt ließ er den Dosendeckel auf- und zuschnappen. "Im Papierkorb gefunden. In die Baracken dürfen wir doch gar nicht hinein. Damit unsre Keuschheit nicht Schaden leidet, türmen sie ihren Abfallkrempel vor der Baracke auf. Jungs, haben wir abgestaubt. Sogar Pullen mit Whisky-Resten, zusammengegossen, 'ne halbe Flasche."

      "Auch Theatereigentum?" wollte Kuhn wissen.

      "Jawohl." Ede deutete auf seine Brust. "In Form von geistiger Anfeuerung seiner drei Heroen Necke, Hellmann und Ede."

      "Jetzt weiß ich auch, warum ihr euch so um den Job gerissen habt", forderte ihn Kuhn heraus.

      "Befürchte, diese Ausbeute an Whisky wird nur montags zu erwarten sein", gestand Ede. Er kramte abermals in der Hosentasche und breitete ein gelbes Seidentuch auf den Schreibtisch.

      "Dass die so etwas wegschmeißen!" Hesse wunderte sich.

      Ede wandte sich an Hesse, sagte hastig und verlegen: "Für dich. Ist doch jetzt die Masche der Jungen, ein grelles Halstuch unterm Hemdkragen."

      Hesse war noch verlegener als Ede, und der fragte rasch: "Übrigens ... , kommst du heute nach dem Abendessen in die Theaterwerkstatt - Wahlslogans fabrizieren?"

      "Bestechung", rief Kuhn, "merkst du, Heinz, er schmeißt mit der Wurst nach der Speckseite."

      "Ich nehme die Wurst", sagte Hesse.

      Weniger gemächlich als sonst aß er seine Abendmahlzeit. Als einer der Ersten war er fertig und eilte zur Theaterbaracke.

      Ede saß schon mit einem Bleistiftstummel über einem Blatt Papier. Dann sprang er auf und ging Hesse mit Rednergeste entgegen. "Uns auf die Neese den Herrn Klee? - Da sagt das ganze Lager: Nee!"

      "Ein bisschen anspruchslos, wie?" fragte Hesse.

      "Die geistvollen Sachen machst du. Aber vergiss nicht: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Kannst doch nicht nur die Intellektuellen ansprechen."

      Hesse legte einen Zettel auf den Tisch. Gespannt beugte sich Ede darüber und las laut: "Wenn Herr Feldwebel Klee mag, soll er marschieren - aus dem Lager!"

      Ede rieb sich die Hände. "Ich denke so: Damit unsere Propaganda erst mal anläuft, fangen wir an zu pinseln. Die weniger Begabten immer bloß den einen Namen: Wuntram. Karton um Karton, je mehr, desto besser."

      "Also Suggestivwirkung durch Wiederholung."

      Ede staunte. "Du sprichst, als wärst du ein Agitpropmann gewesen."

      "Hab' leider nur mal ein paar Ferienaushilfen bei meinem Onkel gemacht, der hatte ein Reklamebüro."

      "Was für brachliegende Kräfte so im Volke schlummern." Ede schlug sich an die Stirn. "Wo waren wir ... Ach so: Die nächste Abteilung wären dann die eingängigen Sächelchen wie die Reime, jeweils etwa ein halbes bis ein Dutzend. Gerhard wird sie pinseln. Der Bengel hat immer Zicken im Kopf - und gute Einfälle."

      "Macht Bodo Girstenburg nicht mit?" fragte Hesse verwundert. Ede hob Augenbrauen und Stirnfalten in die Höhe. "Der malt den Clou, eine große Karikatur vom deutschen Soldaten. Stellen wir am Sonnabend neben dem Wahllokal auf."

      Die Tür klappte, Gerhard schlenderte herein, eine halb geschälte Apfelsine wie einen Apfel essend. Er hörte sich lieber Jonny rufen und trug eine kunstvoll gelegte Tolle, wie er sie aus amerikanischen Magazinen abgeguckt hatte.

      Der kleine Oskar Wentergurst stellte sich todernst vor Jonny hin und machte ein fachlich-abschätzendes Gesicht, als käme der jüngere direkt vom Maskenbildner. "Wunderschön, der Entensterzschopf - beinahe ein Yank."

      Jonny war zu beweglich, um den Spott nicht zu merken. "Na und?"

      Wentergurst, ehemals Kameraassistent, schob das Mundstück seiner kalten Pfeife zwischen den Zähnen hin und her. Dann umriss er mit ihr in der Luft die Figur Jonnys. "Leider Imitation - zu deutlich Imitation."

      "Besser 'ne Imitation als ein Gartenzwerg", fauchte Jonny und spielte auf den Wuchs Wentergursts an.

      Weitere Helfer erschienen in der Baracke. Unermüdlich gab Ede Anweisungen, steckte hier einem den Pinsel in die Hand, unterrichtete dort, wie Wasserfarben anzuwenden seien, oder schuf Platz zum Arbeiten. Auch Albert Bader war gekommen, der Direktor der Lagerschule. Er war Ingenieur-Architekt, und manche riefen