Название | Amerikanische Odyssee |
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Автор произведения | E.R. Greulich |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847686415 |
"Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Herr Feldwebel!" Hesse zog die Tür hinter sich zu. Während er durch die Dunkelheit ging, spürte er, dass er innerlich bebte. Es war eine angenehme Erregung. Gerade weil er so ausdauernder Behäbigkeit gegenübergetreten war, hatte er nicht geglaubt, den Feldwebel aus der gepolsterten Hülle reißen zu können. Dass es ihm doch gelungen war, machte ihn selbstbewusst und heiter. Der Triumph war wohltuend und ließ den persönlichen Kummer vergessen. Nie hätte Hesse gehofft, einmal einem Hitler-Spieß die Wahrheit ins Gesicht sagen, ihn in Rage bringen zu können. Der Bursche war schlau. Es war diese entsetzliche Schlauheit, die über Leichen geht.
Freitag war der letzte Tag vor der Wahl. Wuntram sparte sich die Neuigkeit bis zum Schluss des Morgenappells auf. Hesse fand, dass er sie beinahe zu sachlich mitteilte. Erhoffte er sich davon eine stärkere Wirkung, oder war ihm selbst nicht wohl dabei? Spontan brachten mehrere PWs ein Hoch auf die antifaschistische Lagereinheit und ihren Kandidaten Wuntram aus, das Echo kam aus über hundert Kehlen. Von den Kompanien in der Nähe waren ähnliche Kundgebungen zu hören. Trotz der Morgenkühle war Hesse warm ums Herz. Er meinte doppelten Grund zu haben, sich an der Ovation zu beteiligen.
Bauer fragte Hesse, ob sie ihn für die Kompanie als Helfer beim Stimmenauszählen melden könnten. Obwohl Hesse die erzieherische Absicht Bauers ahnte, sagte er in seiner Hochstimmung zu.
Die große Überraschung war Tagesgespräch. Corporals und Sergeants erklärten, dieser Hit habe ihnen das Wettgeschäft verdorben. Keiner war mehr bereit, auf Klee zu setzen.
Der Samstagnachmittag der Wahl war da, im Headquarter hatten neue Wahlzettel abgezogen werden müssen. In alphabetischer Reihenfolge, nach festgelegter Uhrzeit, sollten die einzelnen Kompanien abstimmen. Abstimmungsraum war jene Hälfte der Kantinenbaracke, in der sonst Leergut lagerte. Mit anderen Wahlhelfern inspizierte Hesse, ob alles ordentlich vorbereitet sei. Seinem kritischen Blick entging nicht, wie Suling das viele Gerümpel hastig und widerwillig in einer Ecke hatte auftürmen lassen. Da es die anderen hinnahmen, hütete sich Hesse, es zu beanstanden.
Mit Gesang und Transparenten rückte als erste die A-Kompanie an. Das helle Lied, die Geschlossenheit beeindruckten selbst Hesse. Zwar hatte er die Auseinandersetzungen in dieser und um diese Kompanie nur aus der Ferne wahrgenommen, es gehörte aber nicht viel Fantasie dazu, sich den zähen, verbissenen Meinungsstreit vorzustellen. Inzwischen hatte er den Namen seines Widersachers erfahren, dessen Boxhieb ihn vor Tagen beinahe zu Boden gestreckt hatte. Der untersetzte Hermann Vogel war einer der Radikalsten in der A-Kompanie, meist unterstützt und selten gebremst von dem kaum minder radikalen Leo Treborn mit der schwarzen, breitrandigen Brille.
Erwartungsvoll standen Corporals, Sergeants und Officers vor der Wahlbaracke. Hesse sah ihre Verblüffung über den Aufmarsch der A-Kompanie. Captain Shelter ließ beim Camp-Commander anrufen, falls er sich eine Sensation nicht entgehen lassen wolle, möge er sofort kommen. In Einerreihe gingen die Leute der A-Kompanie zur Wahlurne, einem versiegelten Pappkarton, der von einer paritätischen Wahlkommission argwöhnisch bewacht wurde.
Die Neugier trieb Hesse zum Terrain der Kompanie D. Klee hatte einen straffen Nachrichtendienst, Melder sausten heraus und hinein in seine Stube. Die Berichte vom geschlossenen Anmarsch der A-Kompanie lösten offensichtliche Bestürzung aus, Hesse musste an einen Ameisenhügel denken, in dem er als Knabe gestochert hatte. Das Gehaste der Sedisfüßler war aufregend gewesen, hinterher hatte es ihm leidgetan. Das hektische Durcheinander um den Herrn Feldwebel bereitete Freude. Die deutschen Soldaten hatten mit einem gemütlichen Spaziergang zur Wahlurne gerechnet, der Wahlmarsch der A-Kompanie forderte zu einer Gegendemonstration heraus. Die Zeitnot machte sie kopflos. Sie hatten weder Transparente noch ein gemeinsames Kampflied. Sie stritten sich, dass es bis auf die Lagerstraße zu hören war. Hesse hatte keine Scheu, näher zu gehen. "Wir müssen sie mit ihren Waffen schlagen", hörte er, "singen wir, Brüder zur Sonne ...''
"Sind wir Sozis?" fauchte Klee. "Dann rennt doch gleich, und wählt den Wuntram."
"Wollen Sie das Horst-Wessel-Lied singen lassen?" brummelte der Andere.
"Maul halten!" brüllte Klee, trat vor die Schreibstube und gab laute Befehle.
Kommandieren kann er, dachte Hesse, das macht einem deutschen Spieß so leicht keiner nach.
Der Kern der Kleeanhänger kam schnell und forsch, die Mehrzahl trollte sich nicht arg begeistert aus den Baracken.
"Nennt ihr das antreten?" schnauzte Klee auf die Nachzügler ein.
Sie maulten aufsässig und liefen keineswegs schneller. Unter den Angetretenen setzte sich halblaut, aber heftig die Diskussion um ein passendes Lied fort. Suling reckte sich und keifte: "Hier wird nicht gequatscht, hier wird befohlen und gehorcht!"
"Aber nicht dem Kantinenbullen!" polterte einer dagegen. Es roch nach Palastrevolution.
"Schnauze!" donnerte Klee und war so klug, schnell hintereinander die gewohnten Befehle zu geben. Nicht eben zackig, dennoch formierte sich die Kompanie zu Viererreihen.
Klee kommandierte den Abmarsch und nannte den Liedanfang. Stramm warf er die Beine, klar ertönte seine strenge Stimme: "Ein Lied - drei, vier!" Wenig begeistert, aber befehlsgewohnt wie alte Militärpferde, sangen seine Kameraden: "Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein ..."
Vor der Wahlbaracke wimmelte es von Schlachtenbummlern und von den PWs der A-Kompanie, die bereits gewählt hatten.
Als der Landserhaufen kam, empfingen ihn Lächeln und Gelächter. Die Kommandos von Klee gingen darin unter, seine Mannen führten sie uneinheitlich aus, und das war abermals Anlass zur Heiterkeit.
Colonel Stircke kam eben zu dem verunglückten Auftritt zurecht. Von der Disziplin der folgenden anmarschierenden Kompanien war er nicht weniger beeindruckt als seine Offiziere. Hesse hielt sich in der Nähe des Commanders, der die eindeutige Stimmung mit demokratischer Würde quittierte. Wissbegierig bat er Wuntram um die Übersetzung der Transparentlosungen und lobte die Ordnung und Disziplin.
Die letzten Wähler der letzten Kompanie schoben sich in den Raum. Hesse schlüpfte hinein zu seiner freiwillig übernommenen Arbeit.
Als sie etwa die Hälfte der Stimmen ausgezählt hatten, war allen klar: Wuntram hatte gesiegt. Hesse schaute sich in dem niedrigen Raum um, in dem es vor Spannung zu knistern schien, Er sah viele bekannte Gesichter. Klee sah er nicht.
Dr. Müller-Gera, ein Parteigänger Klees und stets geistreichelnder Intellektueller, war als Wahlvorsteher von der Wahlkommission gewählt worden. Er mochte der einzige sein, der es fertig brachte, mit lachendem Gesicht vor die wartende Menge der PWs hinzutreten und die Zahlen bekannt zu geben: Fast siebzig Prozent der Wählenden hatten sich für den Kameraden Wuntram entschieden.
Der Jubelruf ließ die Posten auf den Wachtürmen die Hälse recken. Begeisterte hoben Wuntram auf ihre Schultern, über den Köpfen hunderter PWs, die begeistert sangen, trugen sie ihn durch das Lager. Hesse befand sich mitten unter den Lärmenden dieses unangemeldeten Festumzugs, dessen Spontaneität nicht einmal Major Coare zu bremsen wagte. Als sie an der Schreibstube der D-Kompanie vorüberzogen, gingen vereinzelte Schmährufe unter in Sprechchören voll gutmütigen Spotts. Klee hatte aus dem Fenster seiner Stube gesehen und war blitzschnell wieder verschwunden.
Hesse rannte hinein und riss die Tür auf. "Wollen Sie ihrem Gegner nicht zum Sieg gratulieren, Herr Feldwebel? Das ist so üblich in Amerika!"
Klee starrte ihn an wie eine Erscheinung. Dann sprang er auf und brüllte: "Lecken Sie mich am Arsch!"
Lachend warf Hesse die Tür zu und schloss sich wieder dem Umzug an.
Im Headquarter war es an diesem Abend still.
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