Название | Amerikanische Odyssee |
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Автор произведения | E.R. Greulich |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847686415 |
Hesse lächelte, ohne dass es ihm Mühe machte. "Weder - noch. Die würden mir ein Gespräch mit Ihnen wahrscheinlich verübeln. Aber ich liebe es nun einmal, möglichst beide Seiten zu hören."
Klee wurde um nichts unfreundlicher, seine Miene ließ nicht erkennen, ob er Hesse Glauben schenkte. Trotzdem suchte Hesse darin zu lesen, sein forschender Blick schien den Feldwebel nicht nervös zu machen. Hesse fand: Der Mann besitzt einen Vorrat an Seelenfrieden für mindestens hundert Jahre. Sein Gesicht ist ein wenig dicklich wie der Körper, ausgefressen wie der vieler PWs. Es ist noch immer gebräunt von der Sonne Tunesiens und Oklahomas, es ist fast ebenmäßig, die fleischige Nase mag ein Gehässiger als Knollennase bezeichnen, sie strahlt Gemütlichkeit aus. Mit den friedlichen Augen rundet sich das Bild eines Biedermanns.
Bedachtsam stippte Klee die Asche ab. "Mein Wahlaufruf hat Ihnen doch die andere Seite vorgestellt."
"Sie werden zugeben, dass auf einer DIN-A4 Seite nicht alles gesagt werden kann. Außerdem hebt Ihr Flugblatt meine Frage nicht auf." Klee lachte ungezwungen. Und Hesse musste innerlich zugeben, dass er sympathischere Kerle kannte, die unsympathischer lachten. Ernst erwiderte er: "Ich würde auf Diensteid nehmen, dass ich aus eigenem Antrieb hergekommen bin. Ich schwöre, dass ich lediglich den Mann persönlich kennenlernen möchte, der sich mir als künftiger Leiter der deutschen Lagerselbstverwaltung anbietet."
"Wenn Sie nicht auf jeden Diensteid pfiffen, würden Sie gar nicht herkommen, um mich auszufragen."
"Sie betrachten also Ihr Flugblatt gewissermaßen als Befehl, an dem es nichts zu drehen und zu deuteln gibt?"
Klees Nase krauste sich; er war offensichtlich amüsiert. "Gar nicht so schlecht ausgedrückt." Rasch verbesserte er sich. "Natürlich ist das nur so, sozusagen im übertragenen Sinne zu verstehen, mehr aus der eigenen Einstellung des Einzelnen kommend. Schließlich ist das eine freie, geheime Wahl."
Dass er sich so hastig verbesserte, zeugte von Unsicherheit hinter dem gelassenen Äußeren des Feldwebels. Hesse spürte die Bresche und stieß nach. "Ich gebe zu, dass Sie sich in einer unangenehmen Situation befinden. Einerseits muss ein Wahlkandidat freundlich zu einem möglichen Wähler sein, andererseits wissen Sie, dass jedes Wort solcher Unterhaltung in der Wahl gegen Sie verwendet werden kann. Ich betone, mich hat nichts anderes hergetrieben, als die Wahrheit zu finden. Daraus ergibt sich, dass Sie mich selbst mit brutaler Offenheit eher überzeugen können als mit unverbindlichen Floskeln, wie die eben hinzugefügten zum Beispiel. Ich empfinde sie als Rückversicherung vor dem Headquarter."
Hesse bemerkte, wie genau ihn der Feldwebel beobachtete, und sah jetzt das Lauern in den braunsamtenen Augen. Klee nahm den Blick nicht von Hesses Gesicht, als er fragte: "Würde sich Wuntram oder Zecke nicht auch abzudecken versuchen?"
"Ich betrachte mich als unabhängiger Wähler, und dem ist bekanntlich nichts so zuwider, als für dumm verkauft zu werden. Sie treten auf als deutscher Soldat. Der deutsche Soldat, heißt es, ist nicht feige. Warum sagen Sie nicht frei heraus, dass Sie überzeugt sind, diese Welt ist nicht anders zu regieren als mit Befehlen."
Klee lachte nicht mehr ganz so ungezwungen wie vorhin. "Gerade Sie sollten wissen, dass die Maßgeblichen im Headquarter ebenso denken."
"Wenigstens bestätigen Sie diese auffallende Übereinstimmung. Ich nehme an, das war der Grund, dass Sie dem Headquarter Ihre Zusage gaben, als Vertreter der deutschen Soldaten zu kandidieren."
"Meine Kameraden haben mich vorgeschlagen, das Headquarter hat nichts dagegen einzuwenden gehabt. Das ist alles."
"Angenommen, das Kriegsglück wendet sich wieder, wir kehren heim in ein Sieger-Deutschland. Wird man Sie da nicht zur Verantwortung ziehen wegen Zusammenarbeit mit Vertretern des plutokratischen Amerikas?"
Klee betonte langsam Wort für Wort. "Auf dieses Glatteis folge ich Ihnen nicht. Was ich auch antworten würde, sie könnten es auslegen wie - Feldwebel Klee zweifelt an der deutschen Kriegführung."
"Nach Glaube an den Endsieg klingt Ihre Antwort nicht. Das empfinde ich als Ihr Eingeständnis, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben."
Die Freude, eine überraschende Wahrheit kundzutun, spiegelte sich im Gesicht Klees, als er sagte: "Ich war nie PG."
"Das nehme ich Ihnen ohne Weiteres ab", sagte Hesse ungerührt, "mit dem falschen Pferd meine ich den Krieg. Wer nicht auf diesen sogenannten Vater aller Dinge setzt, verpflichtet sich nicht auf zwölf Jahre."
"Ich will Ihnen mal was sagen." Die äußere Hülle des Feldwebels schien noch glatt, doch Hesse spürte den inneren ansteigenden Ärger Klees. "Jeder sieht zu, wo er bleibt. Also bin ich Soldat geworden. Soldaten werden immer gebraucht."
Hesse verbarg seine Ironie nicht. "Kriege wird es immer geben, nicht wahr?"
Klees Stimme wurde um ein weniges lauter. "Ob Krieg oder Frieden, interessiert mich in zweiter Linie, mir ging es um einen sicheren Beruf."
"Der Kriegsberuf kann einen das Leben kosten."
Aus Klee sprach die Überlegenheit des Älteren über die Naivität eines Jungen. "Man muss sehen, dass man mindestens Feldwebel ist, wenn der Krieg anfängt. Ein guter Spieß ist mehr wert als ein guter Offizier. Das ist dann nicht so lebensgefährlich."
"Devise: Hannemann, geh du voran ... Totschießen lassen sollen sich die guten Kameraden."
Klee merkte, dass er zu viel gesagt hatte, und konnte den gehässigen Ton nicht unterdrücken, als er knurrte: "Sie schauen mir auch nicht danach aus, als hätten Sie sich zum Heldentod gedrängelt."
"Gott sei Dank nicht." Es kam Hesse aus tiefstem Herzen. "Ich habe mich auch nie als Hitlers Soldat gefühlt. Sie sind freiwillig gegangen, ich gezwungen." "Mit Leuten, denen Soldatenehre fremd ist, lässt sich schwer reden."
Freude, den Breitarsch aus der Reserve gelockt zu haben, überkam Hesse. "Das Gespräch ist sehr wertvoll für mich, Herr Feldwebel. Jetzt weiß ich schon genauer, was Soldatenehre ist. Auf den Frieden pfeifen eines sicheren Jobs wegen, der erlaubt, die anderen ins Feuer zu schicken."
Klee beherrschte sich mühsam, seiner Stimme fehlte jegliches Öl. "Sie sind halb so alt wie ich, von unserm Rangunterschied zu schweigen. Finden Sie nicht, dass Sie unverschämt werden?"
Er wird langsam heiß, frohlockte es in Hesse. "Ich habe Sie gebeten, brutal offen zu sein, und hoffte, Sie gestatten mir das Gleiche."
"Sie haben sich hier eingeschlichen unter dem Vorwand, einige Fragen über die Wahl auf dem Herzen zu haben", fauchte Klee.
Er bereut, darauf eingegangen zu sein, dachte Hesse und stellte sachlich fest: "Das hat alles mit der Wahl zu tun. Sie haben sich als Kandidat vorgestellt, ich bemühe mich, auch diesen Kandidaten kennenzulernen."
"Und nun können Sie händereibend feststellen", höhnte Klee, "mein Auserkorener ist doch der Bessere."
Hesse lächelte boshaft. "Eher dachte ich an meine Kindheit. Wir hatten Maikäfer gern. Es waren hübsche Tierchen, sauber anzuschauen. Bis zu einem Groschen zahlten wir, um ihr harmloses Krabbeln in der eigenen Hand zu spüren. Für die Nacht sperrten wir sie in eine Zigarrenkiste mit Blättern. Morgens konnten wir dann sehen, was für ekelhafte Schädlinge es waren. Die Blätter waren zerfressen, dafür lag die Kiste voll dunklen Kots."
Klee stemmte die Fäuste in die Hosentaschen und starrte Hesse feindselig an. "Was wollen Sie damit sagen?"
"Ich weiß es, Herr Feldwebel, und nehme an, Sie auch."
Klee stieß seinen Kopf vor, und Hesse erschrak vor der Kälte in den Samtaugen. "Sie Pazifistenschwein."
"Wobei die Maikäfer noch gut abschneiden. Die fressen nur Bäume kahl. Aber es gibt Menschen, die gründen ihre Existenz auf Krieg. Dabei schlafen sie gut auf dem sanften Ruhekissen: Jeder sieht zu, wo er bleibt. Aber so einer darf nicht zum Lagersprecher gewählt werden. Und man wird Sie nicht wählen."
Klee sprang auf. "Ich verzichte auf Feiglinge und Vaterlandsverräter! Das Gesindel macht sich schon ganz allein kaputt!"
Hesse