Kaffee - Fahrt. Jürgen Ruhr

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Название Kaffee - Fahrt
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752927597



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beinhaltete. Ich hatte sie kurz durchgeblättert und entschieden, dass die meisten Seiten mehr Werbung für die Hundeschule, als brauchbare Fakten enthielten. Für mich zählte nur, dass der Kursus heute Nachmittag um vierzehn Uhr begann, um siebzehn Uhr enden sollte und in Mönchengladbach - Rheindahlen stattfand. Bis dahin blieb mir also noch genügend Zeit, mich mental auf das Kommende vorzubereiten.

      Ich wollte mich gerade in meinem Sessel zurücklehnen, als das Telefon klingelte. „Detektei Argus, Jonathan Lärpers am Apparat“, meldete ich mich und fügte freundlich hinzu: „Womit kann ich ihnen denn dienen?“

      Ich hörte ein Lachen am anderen Ende und die Stimme kam mir bekannt vor. „Guten Morgen, Jonathan“, vernahm ich Jennifers glockenhelle Stimme. „Hast du wieder nicht auf das Display geschaut, dass du dich so förmlich meldest?“

      „N...ein“, gab ich zu. Warum sollte ich auch? Es wurden zwar interne Anrufe angezeigt, doch damit, dass ausgerechnet Jenny jetzt anrufen würde, hatte ich nicht gerechnet. „Was gibt es denn? Hast du Sehnsucht nach mir?“

      Wieder lachte die Blonde und ich sah förmlich vor mir, wie sie den Kopf schüttelte und die blonden Haare in der Luft einen Wirbel schlugen. „Nein, ich habe keine Sehnsucht nach dir, aber Bernd ...“

      Bernd hatte Sehnsucht nach mir? Ihre Aussage erschütterte mich ein wenig und weckte alte Erinnerungen daran in mir, wie wir uns kennengelernt hatten. Es war an meinem Geburtstag gewesen, den ich ausgiebig feierte und später rettete mein Freund mich, als ich voller Tequila vom Tisch fiel, auf dem ich zuvor eine Tanzeinlage zum Besten gegeben hatte. Ich konnte mich an den Abend kaum noch erinnern, zumal ich zum Tequila-König gewählt worden war, doch als ich am nächsten Morgen neben Bernd in meinem Bett aufwachte und sein bärtiges Gesicht zufrieden grinsend neben mir auf den Kissen lag, brach für mich eine Welt zusammen.

      Bernd gehört zu den Menschen, die gleichgeschlechtliche Liebe bevorzugen und er meinte damals in mir einen Gesinnungsgenossen gefunden zu haben.

      Aber dem war nicht so!

      Er akzeptierte dann auch, dass ich nicht homosexuell bin und seitdem verbindet uns eine tiefe Freundschaft. Mehr nicht! Doch warum verlangte ihm plötzlich wieder nach mir? Nach so vielen Jahren? Wieso hatte er nun ‚Sehnsucht‘ nach mir? „Äh, Jennifer, also ...“, stotterte ich, was ihr Lachen nur noch mehr anstachelte.

      „Oh Jonathan, du Dummkopf. Bernd will dich sprechen. Mehr nicht. Was du aber wieder denkst ...“

      Ich atmete erleichtert auf, meine Alarmglocken im Kopf verstummten. Wie konnte ich auch etwas anderes denken! „Gut, ich komme rüber. Fünf Minuten.“ Jennifer murmelte noch etwas, dann legte sie auf, während ich mir Gedanken darüber machte, warum mein Chef nun nach mir verlangte. Ging es um einen neuen Auftrag? Dafür würde ich kaum die Zeit aufbringen können, denn der Mantrailing-Kurs war schließlich wichtiger. Den konnte ich nicht einfach sausen lassen. Bernd hatte ihn doch selbst gebucht - oder besser von Jennifer buchen lassen - das würde er doch wohl nicht vergessen haben?“

      Seufzend erhob ich mich und ging zu Christines Büro. Die blickte von ihrem Schreibtisch auf, als ich an die offene Tür klopfte und den Raum betrat. Bingo lag neben ihr und wedelte müde mit dem Schwanz, als er mich sah. Ich wartete darauf, dass er aufsprang und sich von mir kraulen ließ, doch der Malinois blickte mich nur desinteressiert an.

      Soviel zu dem Thema: Ein Mann und sein Hund.

      „Ich muss kurz zu Bernd rüber“, erklärte ich Christine. „Bingo kann doch noch bei dir bleiben, oder?“

      „Natürlich, kein Problem. Ich bin vorläufig sowieso mit Büroarbeit beschäftigt. Beginnt heute nicht dein Trainingskurs?“

      „Heute Nachmittag, ja. Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit.“ Ich wandte mich zum Gehen, drehte mich aber noch einmal um, als mir etwas einfiel: „Ist Birgit eigentlich schon im Haus?“

      Meine Kollegin schüttelte den Kopf. „Nein, die kommt heute etwas später. Soll ich ihr etwas ausrichten? Worum geht es eigentlich?“

      Ich winkte ab. „Nein, ich wollte nur wissen, ob sie schon hier ist.“ Ich erwähnte nicht, dass ich der Bunthaarigen seit unserem letzten Auftrag, bei dem sie eine mir bisher nicht bekannte Härte gezeigt hatte, möglichst aus dem Weg ging. Seitdem Birgit ihre Ausbildung beim Mossad absolviert hatte, spürte ich in ihrer Anwesenheit ein gewisses Unbehagen, was nicht nur daran lag, dass sie einen Rocker kaltblütig kastriert und anderen ohne mit der Wimper zu zucken, die Ohren abgeschnitten hatte.

      „Dann bis später“, verabschiedete ich mich und eilte zu meinem Wagen. Ich hätte die kurze Strecke zum Krav Maga Studio auch zu Fuß gehen können, doch vielleicht brauchte ich das Fahrzeug noch und so fuhr ich mit quietschenden Reifen auf den großen Parkplatz vor dem Gebäude.

      „Morgen Jennifer“, begrüßte ich die Blonde, die heute ein enganliegendes, schwarzes Kleid trug, das einen ausgezeichneten Kontrast zu ihren Haaren darstellte. „Schick siehst du aus“, raspelte ich Süßholz. „Das Kleid steht dir ausgezeichnet.“

      Jennifer lächelte mich an. „Danke, Jonathan. Ich war am Wochenende shoppen und konnte es günstig erstehen. Hat mich nur die Hälfte vom Normalpreis gekostet.“

      „Sehr schön“, lächelte ich und überlegte, wie ich auf eine Einladung zum Mittagessen zu sprechen kommen könnte. „Warst du in Düsseldorf?“

      Jennifer schüttelte den Kopf. „London. Wir haben einen Kurztrip nach London gemacht. Soll ich Bernd sagen, dass du hier bist?“

      Ich sah Jennifer fragend an und legte meinen ganzen Charme in meine Worte: „Kommst du heute mit zum Mittagessen?“

      Die Blonde schüttelte den Kopf. „Sorry, aber ich habe keine Zeit. Vielleicht ein andermal. Wo willst du denn wieder hin? Zu Schmuddel-Erwin?“

      „Curry-Erwin“, korrigierte ich. Die kleine Frittenbude meines Freundes Erwin war ein echtes kulinarisches Highlight in Rheydt, doch ich wusste, dass Jennifer - oder Chrissi und Birgit - niemals wieder mit mir dorthin gehen würde. „Nein, nicht zu Curry-Erwin, viellei...“

      „Soll ich nun Bernd Bescheid sagen, oder gehst du direkt zu seinem Büro?“, unterbrach sie mich und der romantische Augenblick verflog.

      „Ich gehe ja schon“, knurrte ich und wandte mich ab.

      „Und lass das blöde Grinsen, Jonathan“, rief mir die Blonde noch hinterher und ich hatte Mühe, ihr nicht meinen Mittelfinger zu zeigen.

      „Jonathan“, begrüßte mich mein Freund und kam um seinen Schreibtisch herum. „Das ging ja schneller, als ich dachte. Guten Morgen.“ Er nahm mich kurz in den Arm und ein warmes Gefühl überkam mich. Wir alle hier waren eine große Familie und verstanden uns prächtig.

      Und eines Tages würde die blonde Jennifer auch mit mir ausgehen, da war ich ziemlich sicher.

      „Morgen Bernd. Du hattest Sehnsucht nach mir?“

      „So würde ich es jetzt nicht ausdrücken. Setz dich.“ Bernd wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Das Büro war unwahrscheinlich klein, doch meinem Chef genügte der Raum, zumal er abhörsicher war. Bernd hielt sich ohnehin nur selten hier auf.

      „Es geht um deinen Kursus“, begann er ohne Umschweife. „Ich wollte nur sichergehen, dass du den Termin nicht vergisst und entsprechend vorbereitet bist. Die Sache ist ziemlich wichtig für uns, zumal Oberstaatsanwalt Eberson höchstpersönlich ein Auge darauf geworfen hat.“ Er lehnte sich in dem schmucklosen Bürostuhl zurück und lachte leise. „Du erinnerst dich doch noch an sein ‚Steckenpferd‘, dieses Austauschprogramm?“

      Ich nickte. Auch so eine Schnapsidee, die Eberson ausgeheckt hatte. Dabei reisten regelmäßig Polizisten aus aller Herren Länder nach Nordrhein-Westfalen, um die Polizeiarbeit hier kennenzulernen. Im Gegenzug durfte unsere Polizei dann dort die Arbeit kennenlernen. Aus der Not heraus hatte es auch einmal uns getroffen und Christine reiste nach Südafrika. Dumm war allerdings, dass sie kurz nach ihrer Ankunft in Kapstadt von Terroristen verschleppt worden war. Sie und noch einige andere Menschen dazu.

      Bernd