Homo sapiens movere ~ gebrochen. R. R. Alval

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Название Homo sapiens movere ~ gebrochen
Автор произведения R. R. Alval
Жанр Языкознание
Серия gebrochen
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738005448



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fühlte – ohne, dass die Stimmen in meinem Kopf mir sagten, dass mir die ganze, verdammte Welt gehörte – verließ ich Spline und stolperte Roman in die vorausschauend ausgesteckten Arme. „Neun Minuten. Wie geht’s dir?“ Mein schiefes Lächeln war sogar mir bewusst, aber ich fühlte mich blendend. „Prima. Noch unvollständig, doch immerhin zu gebrauchen.“ Roman nickte und teleportierte mich zurück auf den Übungsplatz. „Dann los, weiter geht’s!“ Ungläubig sah ich ihn an, während ich mir rasch den Pullover über den Kopf zog.

      Es war Abend.

      Ich hatte Hunger.

      Durst.

      Den Wunsch nach einem ausgiebigen Bad.

      Und anschließend in mein Bett fallen.

      „Äh…, was?“ Roman legte den Kopf schief und verschränkte die Arme. „Gibst du schon auf?“ Mein skeptisches Blinzeln ignorierte er. „Lass uns morgen weitermachen, hm? Ich habe Hunger. Und ich bin müde.“ Wäre mein Energielevel übersättigt, hätte ich kein Hungergefühl. Aber da ich meine Batterien gerade so weit aufgeladen hatte, dass ich mich nicht mehr vollkommen leer fühlte, musste ich dringend etwas essen. Wie zur Untermalung meiner Ausführung knurrte mein Magen. „Akzeptabler Vorschlag.“

      Immerhin schien Roman nicht so stur wie Alan zu sein.

       Alan.

      Man! Gab es eigentlich irgendeinen Tag, an dem er nicht in meinem Kopf herumspukte? Wohl nicht.

      Noch nicht.

      Die nächsten drei Tage verliefen nicht viel anders. Roman holte mich am Morgen ab. Ich trainierte. Er brachte mich am Abend erst nach Spline, dann heim. Meine Fortschritte waren eher mäßig. Aber Roman zeigte keine der Gemütsregungen, die ein Mensch gezeigt hätte.

      Oder ein Gestaltwandler.

      Weder ein frustriertes Seufzen noch ein enttäuschter Aufschrei oder ein Lachen. Bis auf eine leicht angehobene Augenbraue oder ein kaum merkliches Lächeln zeigte er mir nur die Wesenszüge eines Vampirs. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich Roman seit seiner Befreiung aus den Händen des Wandlers noch nicht wieder in der Rolle eines Menschen erlebt.

      Na ja… schließlich hatte er sich den Großteil dieser Zeit entweder nicht in meiner Nähe aufgehalten oder versucht mich umzubringen. Ob der Wandler ihm die Fähigkeit, sich an menschliche Eigenarten anzupassen, genommen hatte? Freilich konnte das auch an seiner Bindung an die Ker-Lon liegen; beziehungsweise der Verlust eben dieser Frau. Nun, zumindest verlor ich somit nicht aus den Augen, um was es sich bei ihm handelte.

      Fast nicht!

      Denn als er mir am vierten Tag schon zum Mittag erklärte, dass für heute Schluss sei, sah ich ihn an, als hätte er einen Witz gerissen. Roman und Witze passten übrigens so gut zusammen wie Leoparden und Schmusekätzchen. „Warum?“ Roman stand in einer lockeren Pose vor mir. In der er seit heute Morgen, als das Training begann, unbeweglich verharrt hatte. „Ich habe Hunger.“ Hey, das passte gut. „Hervorragend. Ich auch. Lass uns zusammen essen.“ Cool! Meine Angst – Respekt oder was auch immer es war – ihm gegenüber schien sich langsam in Wohlgefallen aufzulösen. Immerhin hatte ich ihm das erste Mal den Vorschlag gemacht, gemeinsam zu essen. „Ich bezweifle, dass dir bewusst ist, was du eben vorgeschlagen hast.“, quittierte Roman meine Einladung mit einem stählernen Blick, der mich die Stirn runzeln ließ. „Was? Wieso? Ich…“ Oh. Er wollte… Oh! „Äh, vergiss, was ich gesagt habe.“ Dass ich Rot anlief, spürte ich zwar, konnte ich aber nicht verhindern. Sofort stand er vor mir, mein Kinn umfasst und mir ins Ohr flüsternd, dass ihm meine Schamesröte mehr bedeute als die unüberlegte Äußerung.

      Zu dumm, dass er schneller war als ich.

      Ansonsten hätte mein Fuß sein Schienbein auch tatsächlich getroffen. Ohne meiner Frustration mit irgendeiner Miene oder einer Wortspielerei Genüge zu tun, zog er mich in seine Arme, teleportierte mich in meine Wohnung und verabschiedete sich bis zum nächsten Tag. Ah, ich hatte mich zum Deppen gemacht.

      Wundertoll!

      Und das, obwohl Roman absolut nichts Menschliches an den Tag legte.

      Nicht mehr.

      Wozu Vampire sehr wohl fähig waren. Sogar ziemlich überzeugend. Auch Roman. Ich erinnerte mich schwach daran. Wie konnte ich bloß vergessen, dass er Blut trank? Ok, es sei mir zugutegehalten, dass er sich auch von normalen Lebensmitteln ernährte und anscheinend nur aller paar Tage den roten Lebenssaft benötigte.

      Vielleicht auch täglich.

      Woher zum Kuckuck sollte ich das wissen? Schließlich fragte ich ihn kaum nach seinen Essgewohnheiten.

      Nur gut, dass mein Telefon klingelte, ansonsten hätte ich depressiven Gedanken nachgehangen. „Man, also dich zu erreichen ist ja schwerer als im Lotto zu gewinnen.“, schimpfte Trudi am anderen Ende der Leitung. Schnell erklärte ich ihr, dass ich die letzten Tage ziemlich beschäftigt gewesen war und versuchte, es so klingen zu lassen, als wäre ich deswegen deprimiert. Gott sei Dank wollte sie nicht wissen, womit ich meine Zeit verbrachte. Stattdessen schlug sie mir ohne Luft zu holen vor, dass sie sich am Nachmittag gern mit mir in der Stadt treffen würde. „Da gibt es ein entzückendes kleines Café. Du wirst den Kaffee dort lieben!“ Ich wusste sehr genau, um welches Café es sich handelte, noch bevor sie dessen Namen aussprach. Trotz meiner sich sträubenden Nackenhaare sagte ich zu. Es war schließlich nicht so, dass ich das Etablissement für ein Date mit Alan gebucht hatte. Das Leben ging nämlich ohne ihn weiter. Bitte lieber Gott, lass ihn nicht dort sein. Bei meinem Glück würde er mir ausgerechnet da über den Weg laufen – obwohl er sich laut einem Zeitungsartikel momentan auf einem anderen Kontinent aufhielt.

      Nur wusste ich leider zu gut, dass die Zeitungen nicht immer das schrieben, was der Wirklichkeit entsprach. Ich konnte also nur hoffen, dass sie diesmal richtig lagen und nicht nur bloßen Vermutungen aufgesessen waren.

      Gott hatte meine Gebete erhört!

      Weit und breit kein pelziger Hintern in Sichtweite. Nicht das Alans Hintern derart behaart wäre. Zu meiner Verwunderung waren kaum Gäste da. Tja, mehr Kaffee und Kuchen für mich. Ich grinste, was Trudi bemerkte. „Was ist denn so lustig?“ Ich schüttelte den Kopf und zähmte meine Gedanken. Am Ambiente hatte sich nach wie vor nichts geändert. Selbst die Kellnerin und deren freundliches Lächeln waren dieselben. Wir bestellten jede ein Kännchen Kaffee, Trudi ein Stück Quarkkuchen und ich mehrere Stück Torte, ein Stück Eierschecke und ein Stück Zupfkuchen.

      Hey, ich hatte schließlich kein Mittag gehabt!

      Davon abgesehen besaß ich als movere – ganz zu schweigen von meinem enormen Energieverbrauch als Saphi – ganz andere Essgewohnheiten als ein normaler Mensch. Selbst wenn ich als movere noch nicht wieder vollständig hergestellt war. Wenn auch so gut wie. „Meine Güte, ich würde auch gern essen wollen, was ich möchte. Aber ich fürchte, sobald ich deinen Teller auch nur anschaue, werde ich mindestens drei Kilo zunehmen.“, seufzte Trudi pathetisch und verzog ihr Gesicht.

      Man konnte fast meinen, sie hätte in eine Zitrone gebissen.

      „Vielleicht sollte ich meine Augen schließen bis du fertig bist.“, murmelte sie nachdenklich, was mir ein Grinsen ins Gesicht zauberte. „Ach komm schon, du hast doch eine wunderbare Figur.“ Trudi schnaubte empört. „Klar, das hat mich auch eine Menge Disziplin gefordert. Weißt du, wie schwer es ist ein paar Pfund zu verlieren? Wie hart ich dafür gearbeitet habe? Von dem mühsamen Abzählen der Kalorien ganz zu schweigen. Ich sehe es, als meine rein menschliche Gabe, durch bloßes Ansehen von Lebensmitteln Gewicht zuzulegen. Ich glaube, das schafft kein einziger movere.“ Sie lächelte kläglich.

      Sie hatte Recht. Es gab keinen movere – oder jedenfalls kannte ich keinen – der an Übergewicht litt. Unser hoher Grundumsatz machte es schlichtweg unmöglich, Überschüssiges für schlechtere Zeiten anzulegen. Bei einer Hungersnot wären wir allerdings, wie auch die Gestaltwandler, die ersten, die eingingen.

      Wie zu erwarten, wurde der Nachmittag recht kurzweilig. Wir plauderten und lachten. Genossen