Homo sapiens movere ~ gebrochen. R. R. Alval

Читать онлайн.
Название Homo sapiens movere ~ gebrochen
Автор произведения R. R. Alval
Жанр Языкознание
Серия gebrochen
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738005448



Скачать книгу

als ich endlich in der Stadt ankam. Zu blöd, dass ich kein Geld dabei hatte. Und auch keine EC- oder Kreditkarte. Mir war nach einem Frusteinkauf. Außerdem einem riesigen Eisbecher oder gleich mehreren.

      Und neuen Klamotten.

      Und Alkohol.

      Dass es bereits dunkel war, störte mich nicht. Solange mir nicht irgendwelche unsichtbaren Monster auflauerten, die arglose Leute entführten, konnte mich bei meiner jetzigen Laune noch nicht mal ein Bulldozer aufhalten. Auf meinem Weg in die Stadt hatte ich eine ordentliche Menge Energie aus den umliegenden Leitungen gezogen. Für diejenigen, die daher ihren Strom bezogen, bedeutete das aber nicht mehr als ein kurzes Flackern des Lichtes.

      Inzwischen lief ich nicht mehr sehr schnell. Viel eher konnte man mein Laufen als harmloses Dahinschwandronieren bezeichnen. Ich hoffte, dass mich die kalte, klare Luft, die meinen Atem in Form von kleinen, weißen Wölkchen abzeichnete, etwas beruhigte.

      Tief ein- und ausatmend, meine Hände in den Hosentaschen vergraben, schlenderte ich durch die Innenstadt, in der auffallend wenige Leute unterwegs waren. Entweder, weil die sich nicht den Arsch abfrieren wollten oder weil sie Angst hatten. Meinen Kopf in der eiskalten Februarluft auskühlend und in Selbstmitleid schwelgend, war ich derart überrascht, plötzlich an der Hauswand zu kleben, dass mein Herz vor Schreck aussetzte. Zähne schabten über meinen Hals und ein tiefes Knurren ließ vermuten, dass der Vampir, der hinter mir stand, alles andere als gut gelaunt war.

      Ganz im Gegenteil.

      Vermutlich hatte ihn mein unerwarteter Angriff ziemlich gereizt. Verfluchter Kackmist, ich konnte Roman nicht einordnen! „Verlass. Nie wieder. Das Training.“ War er wirklich wütend oder wollte er mir nur aus Spaß ein wenig Angst einjagen?

      Denn die hatte ich!

      Ich war wie gelähmt, als er mich noch stärker gegen die Wand presste. „Ich weiß, dass du die Energie benutzen kannst. Warum tust du es nicht? Wehr dich.“ Nur ein Flüstern. Kälter als die Luft um mich herum. Ganz im Gegensatz zu Romans Körper, der an meinem Rücken brannte. Seine Hände griffen so fest zu, dass ich dachte, meine Handgelenke würden jeden Moment brechen. Aber ich war wie erstarrt; unfähig etwas zu tun. Meine Angst blockierte alles, was ich in den letzten Tagen so hart erarbeitet hatte.

      Selbst meine Stimme verweigerte mir den Dienst.

      „War das schon alles? Mehr hast du mir nicht entgegenzusetzen?“ Seine eisige Stimme vibrierte in jeder meiner Nervenbahnen und machte mich unfähig, etwas anderes zu empfinden als pure Panik. Nur leider blieben das Adrenalin und der Wille zu Überleben aus. Als hätte Roman einen Schalter umgelegt, der aus mir ein bibberndes Häufchen Armseligkeit machte. Noch nicht mal Wut konnte ich empfinden. „Hey Roman, seit wann arbeitest du deine Mädchen selbst ein? Kleiner Tipp, sie mag es von hinten.“

      Diese Stimme würde ich unter tausenden erkennen!

      Ein wütender Funke fauchte flackernd in mir auf, erstarb aber sofort, als Roman leise lachte. „Das hier ist privat, Alan. Verzieh dich!“ Ich hörte, wie das Oberarschloch der Gestaltwandler, der sich wirklich keinen besseren Moment zum Auftauchen hätte aussuchen können, hämisch schnaubend weiterging. Dabei begegnete ich diesem Kotzbrocken sonst nie persönlich in der Stadt.

      Super Timing, echt!

      Das hielt Roman jedoch nicht davon ab, mich immer noch gegen die Wand zu quetschen. „So, du magst es also von hinten, hm? Ich dachte, du seist mehr der Typ, der die Missionarsstellung bevorzugt.“ Okaaay, allmählich regte sich doch etwas in mir, dass einer Wut ziemlich nahe kam. Und was meinte Alan mit: Mädchen einarbeiten? Ich ruckelte an meinen Handgelenken, die unter Romans festem Griff langsam zermalmt wurden. „Lass mich los!“ Wow, was war denn mit meiner Stimme passiert? Ein Mäuschen konnte lauter piepsen. Kein Wunder, dass Roman nur lachte. „Komm schon, streng dich an. Ich weiß, dass du mehr drauf hast.“ Ein Schauer durchfuhr mich, als ich Romans Zunge an meinem Hals spürte. Gefolgt von seinen Zähnen. Mein Herz raste schneller als der E-Transit – die angeblich schnellste Bahn der Welt – was Roman sicher hörte. Gleichzeitig fühlte sich das, was er mit seinen Fängen anstellte, erstaunlich gut an.

      Oh je, ich war krank, wenn mich sowas antörnte.

      „Hm, jetzt riechst du genauso, wie ich mir mein Abendessen vorstelle.“ Sein was?

      Oh bitte, ohne mich!

      Endlich schaffte ich es auf, meine Reserven zuzugreifen und sah, wie sich weiße Energiefäden um meine Arme schlängelten. Augenblicklich ließ Roman los. „Interessant. Die Aussicht, von mir genommen zu werden ist für dich also weniger abstoßend als die Möglichkeit als Appetithäppchen zu enden. Beim nächsten Mal musst du dich allerdings mehr anstrengen. Das bisschen Energie hält mich nicht auf. Das müsste selbst dir klar sein.“ Ich wollte etwas erwidern, aber Roman war schon verschwunden. Dass ich immer noch wie Espenlaub zitterte, machte mir bewusst, wie wenig ich ihm entgegenzusetzen hatte. Solange ich mich von ihm einschüchtern ließ.

      Roman war gefährlich.

      Dass er sich bereit erklärt hatte mit mir zu trainieren – aus welchen Gründen auch immer – tat dabei nichts zur Sache. Und dass ausgerechnet Alan unser kleines Intermezzo beobachtet hatte… nun, es gab Schlimmeres.

      Zum Beispiel den Gedanken zu verfolgen, dass ich, wenn ich ehrlich zu mir war, unbegreiflicherweise wirklich nichts gegen ein wenig schweißtreibende Akrobatik mit Roman einzuwenden gehabt hätte. Aber war das nicht genau das, was Vampire derart gefährlich machte? Und Alans Anspielung? Was bedeutete die? War Roman ein Zuhälter? Irgendwie konnte ich ihn mir nicht in dieser Profession vorstellen. Außerdem hätte ich schon mal was davon gehört. Steward hätte es mir gesagt. Oder Vine. Wenn ich je danach gefragt hätte!

      Stirnrunzelnd erinnerte ich mich, dass einiges über Bingham Junior gemunkelt wurde, doch keiner traute sich, offen darüber zu reden. Von Mafia über Kredithai über gefährliche, sexuelle Vorlieben bis Zuhälter waren einige Andeutungen gefallen. Aber konnten die tatsächlich stimmen? Schwer vorstellbar – wenn man lediglich Romans Äußeres betrachtete. Doch als Vampir? Mit mir selbst hadernd sah ich zu, dass ich schleunigst heim und in meine Wohnung kam. Mir war nämlich kalt.

      Saukalt.

      Könnte an der fehlenden Jacke liegen.

      Bloß gut, dass ich mir als movere keine Sorgen um eine Erkältung machen musste. An der Tür stellte ich erstaunt fest, dass mein Schlüssel nicht mehr zu gebrauchen war. Er war geschmolzen, wohingegen meine Jeans intakt war und nicht mal einen winzigen Rußfleck aufwies. Wann zum Geier war das denn passiert? Stöhnend öffnete ich die Tür mit Hilfe meiner movere-Gabe.

      Unbewusst.

      Und ohne, dass ich geübt hatte. Umso erfreuter war ich, als mir das bewusst wurde. Denn das hieß, dass zumindest diese Fähigkeiten nach dem Unfall nicht gelitten hatten. Wenn ich sie intuitiv einsetzen konnte, schaffte ich es auch, sie bewusst zu aktivieren. Während ich mich nur wenig später in herrlich warmem Badewasser aalte, probierte ich das immer wieder. Ich konzentrierte mich auf sämtliche Türen und Schlösser und scannte meine Wohnung nach imaginären Eindringlingen. Ich fand lediglich zwei Fliegen. Sogar das Licht, was eigentlich auf akustische Geräusche reagierte, konnte ich manipulieren. Wow, also das war es doch beinah wert von Roman angegriffen worden zu sein.

      Auch wenn ich nach wie vor nicht wusste, ob er Ernst gemacht hätte.

      Vermutlich nicht.

      Denn wir beide wussten, dass ich ihm – egal, welche Fähigkeit ich auch anwandte – nicht gewachsen war. Trotzdem, der Zweifel nagte an mir und ließ sich auch nicht durch logische Argumente dezimieren. Besonders in Anbetracht meiner Panik, die leider viel zu echt gewesen war.

      Es wunderte mich, dass Roman am nächsten Morgen nicht auftauchte. Es passte nicht zu seiner gestrigen Andeutung. Vielleicht war ihm auch klar geworden, dass ich es ernst gemeint hatte.

       Jawohl und jeden Moment würden Kühe vom Himmel fallen und mir ein Ständchen bringen.

      Schnaubend leerte ich meinen Kaffee, räumte