Название | Homo sapiens movere ~ gebrochen |
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Автор произведения | R. R. Alval |
Жанр | Языкознание |
Серия | gebrochen |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738005448 |
Es war demzufolge kein Wunder, dass wir erst kurz vor zehn Uhr abends das Café verließen. Trudi war reichlich angetrunken. Ich hingegen hatte dank meiner Gene noch nicht meine Grenze erreicht und wirkte nüchtern.
Ein Grund, warum ich Trudi ins Gewissen reden und sie in ein Taxi setzen konnte. Und das, obwohl sie stur und steif behauptete, auch zu Fuß heimgehen zu können. Natürlich konnte sie das.
Tagsüber.
Weniger volltrunken.
Aber nachts? Nein, das Taxi war die viel bessere Variante. Um jeglicher Diskussion vorzubeugen, hatte ich dem Fahrer einen Fünfziger in die Hand gedrückt und ihm erklärt, den Rest könne er behalten. Ich konnte mir also relativ sicher sein, dass Trudi wohlbehalten daheim ankam. Ich für meinen Teil machte mich zu Fuß auf nach Hause.
Welch köstliche Doppelmoral.
Doch ich war ein movere. Notfalls könnte ich mich verteidigen, wobei meine Gegenwehr mehr als einen hysterischen Schrei umfasste, den ich Trudi zugestand. Normalerweise wäre ich in einer halben Stunde daheim gewesen – gondelnd.
Ich brauchte dezent länger.
Aber nur, weil mich ein ziemlich seltsames Ereignis hatte stutzen lassen.
Nur wenige Meter vor mir waren zwei junge Frauen gelaufen. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl gehabt, dass uns jemand beobachtete, dann spürte ich das kurze Aufflackern von Magie und plötzlich waren die beiden Frauen wie vom Erdboden verschluckt. Wäre ich nicht gegen jegliche Magie – ausgenommen die der Ker-Lon – resistent, wäre ich sicher ebenfalls verschwunden.
Aber wer entführte Frauen mit Hilfe von Magie?
Und welche Art Magie sollte das gewesen sein?
War ich vielleicht doch nicht mehr so nüchtern, wie ich geglaubt hatte?
Zweifelnd und vorsichtshalber nochmal in alle Hauseingänge und Seitenstraßen blickend, die die beiden passiert haben könnten, kam ich schließlich zu dem Entschluss, dass ich mir das alles eingebildet haben musste. Schließlich lösten sich junge Frauen auch mit Hilfe von Magie nicht einfach in Luft auf! Irgendetwas hätte ich sehen müssen.
Unbewusst sog ich die Energie meiner unmittelbaren Umgebung zu mir. Eine instinktive Vorsichtsmaßnahme. Oder eine Nebenwirkung meiner seit Tagen immer wieder aufgebrauchten Energiereserven.
Das konnte ich beim besten Willen nicht sagen.
6
Acht weitere Tage hielt Roman mich stundenlang auf Trab, bis er mir endlich einen Tag Pause gönnte.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich mein Frühstück derart ausschweifend hatte genießen können. Ich gönnte mir sogar frische Brötchen sowie frische Wurst und kochte mir Eier.
Während ich genüsslich und mit allen Sinnen genießend frühstückte, griff ich zum Telefon, rief erst meinen Bruder und Veronika an, anschließend Trudi und schließlich sogar meine Mutter. Hinterher räumte ich das Geschirr in die Spüle, hüpfte summend durch meine Wohnung, sorgte für Ordnung und entschied mich groß einkaufen zu gehen.
Sogar diesen lapidaren Einkauf genoss ich mit jedem Atemzug.
Ich setzte sogar noch eins obendrauf, indem ich Blumen kaufte.
Ich.
Kaufte.
Blumen!
Und einen Baum. Einen kleinen. Einen Ficus. Hoffentlich überlebte der meinen hellblauen Daumen.
Als ich nach etwa zwei Stunden wieder daheim war, fing es, wie auf Bestellung, an zu schneien. Konnte mir egal sein. Ich saß im Warmen. Nachdem ich alle Einkäufe verstaut, den Blumentopf mit den blühenden gelben Blüten an das Küchenfenster gestellt, das Bäumchen ins Wohnzimmer und die Kartoffeln für das Mittag geschält hatte, setzte ich mich an den Küchentisch und begann, die Zeitung zu lesen.
Klatsch und Tratsch. Politik. Den Sportteil ließ ich aus. Mein Horoskop… oh hey, ich hatte Glück in meiner Partnerschaft. Mein Liebesleben könnte besser gar nicht sein.
Interessant. Dafür, dass ich keines hatte.
Gartentipps… Jepp, im Februar… sobald man sich durch den Schnee gebuddelt hatte. Wohnungstipps. Aktuelle Schnäppchen. Regionales. Sowie ich auf dieser Seite angelangte, schnappte ich unwillkürlich nach Luft und runzelte die Stirn. Es wurden Personen vermisst. Nicht nur eine oder zwei, sondern knapp über hundert. Allein in unserer Stadt. Und jeden Tag gab es neue Vermisstenanzeigen. Hunderte kleiner Fotos zeigten Gesichter von Personen, die sich anscheinend in Luft aufgelöst hatte.
Ach du heiliger Bimmelbammel!
War es das, was ich nach dem Abend mit Trudi gesehen hatte? Falls ja, wer steckte dahinter? Die brennendste Frage lautete jedoch, lebten diese Menschen überhaupt noch? Nein, ich sollte mich korrigieren. Es handelte sich bei den verschwundenen Personen nicht nur um Menschen. Das war überraschend. Mehr noch, es war gruselig.
Schluckend legte ich die Zeitung beiseite.
Hatte meine Mutter das gemeint, als sie sagte, die momentanen Zustände der Stadt seien desolat und ich sollte bloß auf mich aufpassen?
Benommen und leicht abgelenkt stand ich auf, schlurfte zu meinem Herd, pikte in die Kartoffeln, setzte das Gemüse auf, panierte das Fleisch und legte die Schnitzel in den Tiegel. Die nächste halbe Stunde funktionierte ich eher wie ein Roboter. In Gedanken war ich viel zu sehr mit den aktuellen Ereignissen beschäftigt. Wussten die Binghams davon? Hatten sie mir das bewusst verschwiegen? Wie konnte man etwas aufhalten, was man nicht sah? Sofern das, was ich gesehen hatte – und mir nicht nur eingebildet – etwas mit den aktuellen Geschehnissen zu tun hatte.
Trotz meiner geistigen Ablenkung schaffte ich es, mein Essen nicht anbrennen zu lassen.
Verflixt! Ich sollte meinen Ruhetag doch nutzen, um mich zu verwöhnen und zu entspannen. Nicht, um zu grübeln. Deshalb verbot ich mir bis zum nächsten Morgen, an den Verbleib der vermissten Leute zu denken.
Ich hatte es übrigens inzwischen im Griff, mich nicht mehr heftig prustend an meinem Kaffee zu verschlucken, sobald Roman plötzlich vor mir stand und murmelte ihm ein wenig fröhliches ‚guten Morgen’ entgegen. Ich hatte mich gestern Abend förmlich an einem Buch – einem echten aus Papier! – aus dem späten 21. Jahrhundert festgesaugt und war erst gegen drei ins Bett getorkelt.
Kein Wunder, dass ich nicht sonderlich entgegenkommend oder euphorisch war, als der Vampir mich abholen wollte. „Schlechte Laune, Sam?“
„Müde.“ Er verharrte absolut regungslos, während ich den Rest meines Kaffees hinunterkippte, meine Turnschuhe anzog und mich zu ihm stellte. „Na los, auf nach Transsilvanien.“ Ganz so humorlos, wie uns die vampirische Gemeinde es vorspielte, waren wohl doch nicht alle Blutsauger. Denn das vibrierende Lachen fühlte ich sehr deutlich an Romans Brust. „Du hast gelacht.“, warf ich ihm vor, als er mich auf dem Übungsplatz aus seinen Armen entließ. „Das ist wahr. Ich verstehe nicht, wie die Menschen je auf die Idee gekommen sind, dass wir uns nur auf einem Teil der Welt beschränkt haben sollten.“ Ich knuffte ihm in die Seite und sah ihn gespielt böse an. „Hey, ruiniere nicht meine Illusionen! In Transsilvanien sind Vampire nämlich ganz anders.“ Roman zog seine Augenbraue in die Höhe und taxierte mich mit seinen unglaublich silbrig-blauen Augen. Seltsam, dass sie ab und an die Farbe wechselten. Manchmal hatten sie nämlich nicht den Hauch von Blau in sich.
Ach was, wahrscheinlich lag das nur am Licht.
„Anders?“ Ich nickte triumphierend. „Jawohl, anders. Sie sind romantisch, heldenhaft und sehr sexy. Und selbstaufopfernd.“ Romans Mundwinkel kräuselten sich