Название | Dear Sister 1 - Schattenerwachen |
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Автор произведения | Maya Shepherd |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738059755 |
Es war totenstill. Die Spannung, die in der Luft hing, war deutlich zu spüren. „Es ist Alannah McClary.“ Erneut brach wildes Stimmengewirr los. Auch Dairine keuchte erschrocken auf. Alannah war in unsere Stufe gegangen. Wir hatten mit ihr den Geschichts- und Kunstkurs besucht. Sie war mit uns in London gewesen.
„Krass“, flüsterte Dairine geschockt. Auch ich konnte es kaum glauben. Nicht, dass Alannah und ich je mehr als ein Wort der Begrüßung miteinander gewechselt hätten, aber immerhin hatte ich sie gekannt. Sie wohnte mit ihrer Familie in Churchtown und nahm somit immer denselben Bus wie Lucas und ich. Verstohlen sah ich mich nach ihm um. Ich entdeckte sein Gesicht drei Reihen hinter mir. Er lächelte mir unglücklich zu.
„Es ist wichtig, dass wir jetzt Ruhe bewahren“, ermahnte Mr.Sutherland uns streng. „Die Polizei ist hier, um einigen Schülern ein paar Fragen zu stellen. Ich bitte euch, ihnen so gut es geht zu antworten, egal wie unbedeutend euch die Fragen auch erscheinen mögen. Bis der Mordfall aufgeklärt ist, wird immer ein Streifenwagen vor der Schule stehen. Sollte euch in den nächsten Tagen noch etwas zu Alannah einfallen, was der Polizei irgendwie weiterhelfen könnte, zögert nicht, zu den Beamten zu gehen. Wir müssen in dieser schweren Zeit mehr denn je zusammenhalten und die Polizei ist auf unsere Mithilfe angewiesen, um dieses schreckliche Verbrechen so schnell wie möglich aufklären zu können. Bitte geht nun in eure Kurse. Ich werde die Schüler, die zur Befragung benötigt werden, über Lautsprecher ausrufen lassen.“
Kaum dass der Direktor mit seiner Rede fertig war, brach erneut lautes Gerede aus. Einige Mädchen weinten sogar. Dairine und ich jedoch nicht. Wir blickten uns nur ratlos an. Uns fehlten einfach die Worte.
Wir gingen nebeneinander hinter den anderen Schülern her, bis wir abbogen, um zu den Kunsträumen zu gelangen. Ausgerechnet jetzt einen Kurs besuchen zu müssen, den wir sonst mit der Verstorbenen gehabt hätten, war mehr als eigenartig. Wir betraten schweigend den Kursraum und nahmen unsere gewohnten Plätze ein, während Mrs. Murphy vor dem Lehrerpult wartete. Alannahs Platz blieb leer. Ich ertappte nicht nur mich selbst, sondern auch jeden anderen Schüler dabei, wie er immer wieder auf ihren Platz schielte. Ich konnte Alannah bildlich vor mir sehen. Sie war genau wie ich eine ruhige Schülerin gewesen. Jemand, den man kaum wahrnahm. Das Auffälligste an ihr waren ihre hellblauen Augen und die schwarzen langen Haare gewesen. Sie war eine gute Schülerin gewesen, besonders in Kunst. Ihre Bilder gehörten immer zu den Besten. Sonst wusste ich relativ wenig über sie. Geschwister schien sie keine zu haben, denn sie hatte im Bus immer alleine gesessen.
Mrs. Murpy erwähnte Alannahs Tod nicht noch einmal, stattdessen fuhr sie mit dem Unterricht fort, als wäre nichts gewesen. Die erste Lautsprecherdurchsage erfolgte bereits wenige Minuten nach Unterrichtsbeginn. Es wurden fünf Mädchennamen vorgelesen, wovon drei auch den Kunstkurs besuchten. Es waren die Mädchen, die schon in der Aula geweint hatten, offenbar Freundinnen von Alannah. Sie verließen eilig den Raum, während ich ihnen gedankenverloren hinterherstarrte. Die Liste der Personen, die man befragen würde, wenn man mich tot aufgefunden hätte, wäre sehr überschaubar. Außer meiner Eltern, Lucas und Dairine gäbe es da kaum jemanden.
In der nächsten Unterrichtsstunde zuckte ich erschrocken zusammen, als durch den Lautsprecher erst Lucas und unmittelbar danach auch mein Name - Winter Rice - aufgerufen wurde. Eilig und mit hochrotem Kopf stand ich auf und warf meine Stifte, den Block und die Schulbücher in meine Tasche. Obwohl die Befragung reine Routine war, fühlte ich mich, als hätte ich etwas verbrochen. Zudem war es mir ein Rätsel, warum man Lucas und mich ebenfalls zum Direktor rief. Wir hatten beide nichts mit Alannah zu tun gehabt, wenn man von den Busfahrten mal absah. „Bis später“, flüsterte Dairine, bevor ich den Kursraum verließ und gehetzt durch die leeren Schulflure lief. Kurz vor dem Zimmer des Direktors kam mir Lucas aus einem anderen Treppenhaus entgegen. Er konnte die Angst von meinem Gesicht ablesen und streckte sofort seine Hand nach mir aus. Ich ergriff sie und spürte direkt, wie ich unter seiner Berührung ruhiger wurde. „Mach dir keine Sorgen. Die Polizei befragt jeden aus der Umgebung von Churchtown“, redete er mir gut zu und nahm mit mir auf der Bank vor dem Zimmer des Direktors Platz. Neben uns saß noch ein weiterer Junge, den ich ebenfalls nur aus dem Schulbus kannte. Bestimmt hatte Lucas recht.
Lucas war vor mir dran und seine Befragung dauerte nur wenige Minuten, bis die Tür wieder aufging, er herauskam und ich hineingerufen wurde.
„Ich warte auf dich“, raunte er mir leise zu und tätschelte mir im Vorbeigehen die Schulter.
In dem Zimmer stand der große Schreibtisch des Direktors, hinter dem heute zwei Polizisten saßen - Ein Mann und eine Frau. Der Direktor oder ein anderer Lehrer waren nicht anwesend.
Vor dem Schreibtisch standen zwei Stühle. Auf einem davon ließ ich mich leicht zittrig nieder.
„Hallo Winter“, begrüßte mich die Frau freundlich. „Du warst in derselben Stufe wie Alannah, oder?“
Ich nickte eilig. „Wir hatten aber nicht viel miteinander zu tun“, fügte ich hinzu.
„Aber ihr seid mit demselben Schulbus gefahren, oder?“
Mir gefiel die Art nicht, wie sie die Fragen stellte. Sie kannten doch bereits die Antworten. Dennoch nickte ich erneut.
„Ist dir in letzter Zeit vielleicht etwas an Alannah aufgefallen? Hat sie sich irgendwie anders benommen?“
Ich ließ die letzten Wochen Revue passieren und versuchte mich an Alannah zu erinnern. Sie saß immer in der zweiten Reihe, auf der linken Seite, direkt am Fenster. Meistens hatte sie Kopfhörer in den Ohren und hörte Musik. Ich habe sie nie beobachtet, denn dafür gab es keinen Grund. Deshalb schüttelte ich den Kopf.
„Hast du jemanden bei ihr gesehen, den du nicht kanntest?“
Es war schwer, sich an jemanden zu erinnern, der nie etwas getan hatte, um aus der Menge hervorzustechen. „Nein, nicht das ich wüsste“, erwiderte ich deshalb.
„Vor einer Woche wurde ein anderes Mädchen umgebracht. Sie kam aus London und ihr Name war Rebekha O’Reilly. Kanntest du sie vielleicht?“
Ich schüttelte erneut den Kopf. „Nein, tut mir leid.“
Plötzlich meldete sich der männliche Polizist zu Wort: „Deine Schwester Eliza ist vor einem halben Jahr verschwunden, oder?“
Es war wieder eine dieser Fragen, bei denen er die Antwort ohnehin schon kannte. „Ja“, antwortete ich nur knapp und wusste nicht, was das mit diesem Fall zu tun haben sollte. Meine Schwester war immerhin nicht tot aufgefunden worden. Oder hatte sie etwas mit den zwei Toten zu tun?
„Hast du danach je wieder etwas von ihr gehört?“
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich an den Brief und den seltsamen Vorfall im Black Rabbit, doch dann schüttelte ich nur den Kopf. „Nein.“
„Kannte deine Schwester Alannah?“
Mich überraschte diese Frage. „Ich denke nicht, jedenfalls nicht besser als ich.“ Doch noch während ich es aussprach, erinnerte ich mich an einen Streit, den ich kurz vor Elizas Verschwinden auf einem Schulfest beobachtet hatte. Kevin O’Brian hatte die Beziehung zu Alannah wenige Tagen zuvor beendet und es war das Gesprächsthema Nummer eins gewesen, weil die beiden trotz ihres jungen Alters bereits seit vier Jahren miteinander gingen. Auf dem Schulfest hatte ich hinter der Turnhalle Kevin mit Eliza gesehen. Sie hatten rumgemacht und ich wusste sofort, dass nur eine Person wie meine Schwester dazu in der Lage wäre, eine langjährige Beziehung zu zerstören. Ich hatte nie jemandem etwas davon erzählt, weil ich mich zu sehr für Eliza schämte. Vermutlich wollte sie nicht einmal etwas von Kevin, sondern